Große Tasche mit Bargeld
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Neuer Korruptionsindex

Politik muss „offene Baustellen“ angehen

Im aktuellen Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index, kurz CPI) hat Österreich im internationalen Vergleich zwar zwei Plätze gutgemacht. Aber mit 71 Punkten blieb der Wert aus dem Vorjahr gleich. Die Parteien reagierten gemischt auf die Ergebnisse von Dienstag. Antikorruptionsexperte Martin Kreutner sieht die Politik auf dem „richtigen Weg“, aber „offene Baustellen“ müssten angegangen werden.

Transparency International (TI) stellte Österreich ein erneut schlechtes Zeugnis aus. Zwar konnte sich die Republik im Vorjahresvergleich um zwei Plätze auf Rang 20 verbessern. Aber Grund zur Freude gibt es nach Ansicht von TI Austria keine. Die Organisation spricht sogar von einem „Armutszeugnis“. Für einen Staat der Ersten Welt sei das Ergebnis „ernüchternd“, sagt der Vorstandsvorsitzende von TI Austria, Alexander Picker, im Gespräch mit ORF.at.

Ähnlich sieht es Antikorruptionsexperte Kreutner. Die Politik habe mit einigen rechtlichen Vorgaben „in Summe Schritte in die richtige Richtung“ gesetzt. Gemeint sind etwa die Verschärfung des Korruptionsstrafrechts, der Schutz für Whistleblower und der Plan, das Amtsgeheimnis abzuschaffen. Allerdings sei der „Weg noch nicht zu Ende“, sagt Kreutner im Gespräch mit ORF.at. Bei der Bekämpfung von Korruption gebe es noch „offene Baustellen“.

Verdrossenheit wächst, Vertrauen sinkt

Der Korruptionswahrnehmungsindex wird seit 1995 jährlich erstellt und fußt unter anderem auf der Befragung von Geschäftsleuten sowie Experten und Expertinnen. Der Index misst die Wahrnehmung der Verbreitung von Bestechlichkeit sowie Mechanismen zur Bekämpfung von Korruption im öffentlichen Sektor. Auf einer Skala von null (hohes Maß an wahrgenommener Korruption) bis 100 (keine wahrgenommene Korruption) werden die ermittelten Werte dargestellt.

Punkte am Korruptionsindex 2023

Seit 2019 erlebt Österreich einen Negativtrend. Damals zählte die Republik noch 77 Punkte, heute nur noch 71. Korruptionsvorwürfe, zahlreiche Ermittlungen und die Aufarbeitung durch Politik und Justiz verschärfen den Blick der Bevölkerung auf Korruption. „In Umfragen kommt heraus, dass sich fast alle Österreicher und Österreicherinnen eine saubere Verwaltung und eine saubere Politik wünschen“, sagt Kreutner.

Allerdings würde die Politverdrossenheit durch „Dinge wie politische Deals“ steigen, während gleichzeitig das Vertrauen in die Institutionen und die Politik sinkt. „Wenn in der Bevölkerung der Anschein entsteht, dass es eine Zweiklassenbehandlung gibt, dass es sich manche richten können, wie sie wollen, dann ist der Frust groß“, sagt der Experte. Man müsse auch in der Politkultur ansetzen. Das Strafrecht ist eine „rote Linie“, doch es existiere auch noch die moralische Ebene, auf der Entscheidungsträger eine Vorbildfunktion ausüben.

Bundesarchivgesetz modernisieren

Kreutner leitet aktuell die Untersuchungskommission, die sich nach aufgetauchten Tonbandaufnahmen von Ex-Justizsektionschef Christian Pilnacek mit möglichen Interventionen auf Ermittlungen der Justiz beschäftigt. Eine unabhängige Weisungsspitze sei ein Puzzleteil, um Einflussnahmen bereits im Vorfeld zu verhindern, sagt der Experte und verweist auf die seit jeher diskutierte Bundesstaatsanwaltschaft. Seit mehreren Monaten liegen Entwürfe vor, doch die Regierung aus ÖVP und Grüne konnte sich bis heute nicht einigen.

Auch das Bundesarchivgesetz gehöre zu den offenen Baustellen, sagt Kreutner, dieses gehöre nach Ansicht des Experten modernisiert. Denn während niemand infrage stelle, dass nicht mehr benötigtes Schriftgut bei Ausscheiden eines Ministers an das Staatsarchiv zu übergeben sei, komme es bei elektronischen Kommunikationsmitteln nicht selten zu Missverständnissen. Kreutner erinnert an die „Schredder-Affäre“ und daran, dass Smartphones neu aufgesetzt werden – und damit Chats, die womöglich wichtige Entscheidungen enthalten, gelöscht werden.

SPÖ und NEOS mit scharfer Kritik

Aus der Opposition äußerten SPÖ und NEOS scharfe Kritik am Abschneiden Österreichs im CPI 2023. Die „schlechte Platzierung“ sei „eine Folge schwarzer und blauer Skandale – von Ibiza bis zu den ÖVP-Chats – die dem Ruf Österreichs massiv geschadet haben“, hielt SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim fest. Sie forderte vertrauensbildende Maßnahmen, etwa eine Bundesstaatsanwaltschaft als unabhängige Weisungsspitze und transparente Kriterien bei Postenbestellungen.

Zuletzt hatte die lange hinausgezögerte Bestellung der Spitze des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) für Aufsehen gesorgt. Denn nach mehr als einem Jahr ohne Präsidenten oder Präsidentin einigte sich die Regierung auf Christian Filzwieser. Dieser ging lediglich als Drittgereihter aus dem Expertenhearing hervor. Erstgereiht wurde Sabine Matejka, doch dem Vernehmen nach stellte sich die ÖVP quer.

Nach Ansicht von NEOS-Vizeklubchef Nikolaus Scherak ist das Abschneiden Österreichs „nicht besonders überraschend“. Neben der fehlenden Bundesstaatsanwaltschaft seien „Posten- und Inseratenkorruption nach wie vor möglich“, sagte Scherak. Das am Mittwoch im Nationalrat beschlossene Informationsfreiheitsgesetz sei „in dieser Form ein Hohn“.