Kurz und Bonelli sind angeklagt, im U-Ausschuss zur Causa „Ibiza“, im konkreten Fall zu den Vorgängen und möglichen Absprachen rund um den Abbau der Verstaatlichtenholding ÖBIB zur ÖBAG und deren personeller Neuaufstellung, falsch ausgesagt zu haben.
Auf Grundlage der beim Ex-Generalsekretär des Finanzministeriums und späteren ÖBAG-Vorstandschef Schmid gefundenen Chatverläufe und der weiteren Ermittlungen geht die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) davon aus, dass de facto Kurz entscheidend mitbestimmte, welche Personen in den ÖBAG-Aufsichtsrat und -Vorstand berufen wurden. Kurz und Bonelli bestreiten das und den Vorwurf der Falschaussage. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Zwei Fragen im Zentrum
Die Befragung von Höllinger, die als erste Zeugin an der Reihe war, und Kern drehte sich vor allem um die Umstände ihrer eigenen Berufung in den Aufsichtsrat sowie zur Wahl Schmids zum Vorstandschef. In den Chats wird deutlich, dass das Kanzleramt vor den Entscheidungen jedenfalls eingebunden war, teilweise Namenslisten abgeglichen und Vorschläge gemacht wurden. Höllinger und Kern hatten auch jeweils Gespräche mit Bonelli, Kern vor seiner Ernennung mehrfach.
Beide betonten aber, die Entscheidung habe ihnen der damalige Finanzminisister Hartwig Löger (ÖVP) mitgeteilt. In solchen Erstkontakten mit dem Kabinett gehe es eher darum, die Stimmung abzutesten. Die Entscheidung treffe dann der Minister, wiederholte Kern eine immer wiederkehrende Kernaussage der Angeklagten.
Kern: „Geh nicht zum Fürsten“
Der 2022 abgerufene ÖBAG-Aufsichtsratschef betonte zudem, er habe in weiterer Folge rasch gelernt, dass man Minister und Kanzler nur in echten Notfällen direkt anrufe. Ansonsten sei der Kabinettschef oder Generalsekretär diejenige Stelle, die man anrufe: „Geh nicht zum Fürsten, wenn du nicht gerufen wirst“, fasste das Kern zusammen. Höllinger betonte, sie sei mit Kurz vor ihrer ÖBAG-Bestellung nicht bekannt gewesen. Kern wiederum hatte im Wahlkampf mehrere Auftritte – als Gesundheitsexperte. Er war damals Gesamtleiter des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder. Mit Bonelli habe er dann in Gesundheitsfragen sporadisch telefoniert.
Höllinger: „Sehr entbehrlich“
Dass Schmid Höllinger in mehreren Chats als im Raiffeisen-NÖ-Netzwerk verankert und als Person, die „steuerbar“ ist und „delikate Sachen sauber erledigt“, bezeichnete, nannte Höllinger im Zeugenstand „entbehrlich“. Schmid habe das später auch mehrfach bedauert. Damit sei die Sache für sie erledigt. Auf die Nachfrage, was Schmid damit gemeint haben könnte, ging Höllinger inhaltlich nicht ein. Mehr könne sie dazu nicht sagen.
Mit einem Mail konfrontiert, in dem im Zusammenhang mit ihrer Person „Anrufe vom BK abwärts“ erwähnt werden, und gefragt, ob damit das Bundeskanzleramt gemeint sei, betonte Höllinger, der Bundeskanzler selber habe sie sicher nicht angerufen. Auf Nachfrage, ob jemand anderer vom Bundeskanzleramt angerufen habe, antwortete Höllinger ausweichend.
Ausschreibung „nicht hinterfragt“
Zu Schmids Ernennung zum ÖBAG-Vorstandschef betonten sowohl Kern als auch Höllinger, dass das gesetzlich vorgeschriebene Prozedere (von Ausschreibung bis Auswahlverfahren) genau eingehalten worden sei. Auf Vorhalt der WKStA, Kurz habe im U-Ausschuss gesagt, Schmid habe die Ausschreibung (gemeint: in seinem eigenen Sinn, Anm.) „manipuliert“, meinte Kern. Man habe im Aufsichtsrat nicht hinterfragt, wie die Unterlagen zustande gekommen sind, sie seien aber gut gewesen. Seines Wissens habe der Ausschreibungstext auf denen von früheren Ausschreibungen basiert. Er habe seine Zuständigkeit erst mit der konstituierenden Sitzung und der Wahl des neuen Aufsichtsrats gesehen.
„Informationsdrehscheibe“ mit mangelnder Erinnerung
Bernd Brünner, ehemaliger Generalsekretär im Bundeskanzleramt, als dritter Zeuge des Tages, räumte in seiner Zeugenaussage ein, dass er jenen Sideletter verschriftlichte, der die Postenaufteilung zwischen ÖVP und FPÖ regelte. Er habe in den Verhandlungen in der Steuerungsgruppe quasi als Schriftführer fungiert, aber nicht inhaltlich Einfluss gehabt.
Seine Aufgabe als Kurz’ Kabinettschef im Kanzleramt, bevor er nach einem Jahr aus dieser Funktion ausschied, sei die einer „Informationsdrehscheibe“ gewesen. Mit Chats konfrontiert, in dem Namen für den Aufsichtsrat der Post AG genannt werden, waren ihm dann freilich nicht erinnerlich. Obwohl er selbst eine Liste an Namen an mehrere enge Mitarbeiter im Umfeld von Kurz verschickte. Brünner verwies auf seine Rolle als Informationsdrehscheibe. Zudem habe er Hunderte Mails und SMS am Tag bekommen.
Verteidigung will Löschung aller Schmid-Chats
Am Ende der Befragung von Höllinger stellte Kurz-Anwalt Otto Dietrich den Antrag, dass alle Daten und damit Chats, die bei Ex-ÖBAG-Chef Schmid bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmt wurden, gelöscht oder aus dem Akt genommen werden oder dass sie nicht verwendet werden dürften, außer alle Beteiligten werden dazu befragt. Dietrich berief sich dabei auf das jüngste Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH).
Die WKStA wies für sich den Antrag auf Löschung ab, die Daten seien rechtmäßig ausgewertet worden, zudem habe das VfGH-Urteil keine rückwirkende Gültigkeit. Der Richter erklärte, am Mittwoch darüber zu entscheiden.
Letzte Zeugenbefragungen im Kurz-Prozess
Am Dienstag und Mittwoch werden die letzten Zeugen im Strafprozess gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) befragt. Ihm und seinem Kabinettschef Bernhard Bonelli wird falsche Zeugenaussage im „Ibizia“-Untersuchungsausschuss vorgeworfen.
Noch drei Zeugen auf dem Plan
Am Mittwoch folgt als erster Zeuge Günther Helm, einstiger Chef des Diskonters Hofer und später im Aufsichtsrat der ÖBAG. Am Nachmittag sollen jene zwei russischen Geschäftsleute via Zoom-Call aus der österreichischen Botschaft in Moskau befragt werden, die mit Schmid angeblich ein Bewerbungsgespräch hatten. Ein Urteil gibt es in dieser Woche sicher noch nicht, am 23. Februar dürften die Plädoyers gehalten werden.