Blick auf Plenarsaal im Nationalrat
ORF/Roland Winkler
Amtsgeheimnis

Nationalrat soll Kurswechsel einläuten

Lange ist über die Abschaffung des Amtsgeheimnisses diskutiert worden. Politik, Fachleute und direkt Betroffene waren sich jahrelang uneins, wie transparent der Staat sein soll und kann. Dem Transparenzgedanken stand ein zusätzlicher Aufwand entgegen. Am Mittwoch soll der Nationalrat aber nach langem Ringen den Kurswechsel einläuten.

Die Amtsverschwiegenheit wird aus der Verfassung gestrichen. Dafür erhält die Bevölkerung über das Informationsfreiheitsgesetz ein Recht auf Informationen. Außerdem müssen öffentliche Stellen künftig Informationen von allgemeinem Interesse wie in Auftrag gegebene Gutachten, Studien und Verträge von sich aus veröffentlichen.

Diese „proaktive“ Informationspflicht gibt es sei gut einem Jahr schon in einer beschränkten Form, sie wird nun aber deutlich erweitert. Ausgenommen davon sind Gemeinden unter 5.000 Einwohnern und Einwohnerinnen.

Am Ende bedeutet es: Für Informationen „von allgemeinem Interesse“ soll die Bevölkerung keinen Antrag stellen müssen. Laut Entwurf hängt das „allgemeine Interesse“ wesentlich vom Adressatenkreis ab, für den die Information relevant ist. So müssen künftig etwa Studien und Gutachten, die von einer Gemeinde in Auftrag gegeben wurden, der Bevölkerung zugänglich gemacht werden. Interna, etwa Abläufe von nicht öffentlichen Sitzungen, bleiben unter Verschluss.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadic (Grüne)
APA/Georg Hochmuth
Oft angekündigt und mehrmals geändert: Grüne und ÖVP konnten am Ende einen Kompromiss erzielen

Wer trotzdem Auskunft haben will, kann sich künftig an die zuständigen Stellen wenden – auch an alle Gemeinden unabhängig von der Bevölkerungsanzahl. Auskunft erteilt werden muss innerhalb von vier Wochen. Bei triftigen Gründen kann diese Frist verlängert werden. Komplett ausgenommen sind Informationen, die etwa im Interesse der nationalen Sicherheit und der umfassenden Landesverteidigung einer Geheimhaltung unterliegen.

SPÖ sichert ÖVP und Grünen Verfassungsmehrheit

Der Beschluss ist einer der letzten Schritte einer langen Reise. Erst Anfang September 2025 tritt das Gesetz in Kraft. Vorausgegangenen waren der Einigung viele Gespräche, Ankündigungen und Änderungen. Erst im Dezember konnten ÖVP und Grüne die SPÖ davon überzeugen, der Zweidrittelmaterie zuzustimmen.

Die SPÖ reklamierte allerdings noch wesentliche Änderungen in dem Entwurf, die etwa die Rechte des Parlaments und von Medienvertretern und -vertreterinnen betreffen. Nach einem Expertenhearing im Jänner wurden Kleinigkeiten nachgeschärft.

Das Gesetz wird von Fachleuten auch als wichtiges Puzzlestücke in der Korruptionsbekämpfung gesehen. Seit Jahrzehnten diskutierte die Politik über die Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Der aktuelle Entwurf ähnelt im Großen und Ganzen jenem vor zehn Jahren unter der damaligen SPÖ-ÖVP-Regierung. Das Vorhaben scheiterte ebenso wie die Pläne davor, ebenfalls unter einer SPÖ-ÖVP-Regierung.

Nationalratsabgeordneter Jörg Leichtfried (SPÖ)
APA/Georg Hochmuth
Die SPÖ pochte auf Nachschärfungen und sicherte der Regierung ihre Stimmen zu

Dass das Amtsgeheimnis nun abgeschafft wird, galt während der ÖVP-Grünen-Regierung gar nicht als sicher. Anfang Jänner 2020 hatte der damalige Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Parlament „Maßnahmen zur Stärkung der Transparenz“ angekündigt. Ein bis zum Sommer 2020 geplanter Entwurf schaffte es nicht in die Begutachtung. Nach einer Krise zwischen ÖVP und Grünen, die sich um einen Misstrauensantrag gegen Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) drehte, lag erstmals eine Punktation zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses vor.

Nach Ende der Begutachtung im April 2021 musste der Entwurf nochmals überarbeitet werden. Zig Gespräche mit Gemeinden und Städten sowie anderen direkt betroffenen Stellen später wurde im Oktober 2023 eine Regierungsvorlage in das Parlament geschickt. Jetzt musste nur noch die Opposition überzeugt werden, allen voran SPÖ und FPÖ, die mit ihren Stimmen der Regierung die nötige Zweidrittelmehrheit beschaffen konnten. Die FPÖ weigerte sich, die SPÖ forderte Nachschärfungen und bekam diese auch.

Beschluss wohl am Nachmittag

Am Mittwoch wird das Gesetz am Nachmittag beschlossen. Anschließend wird über die Errichtung einer Servicestelle für künstliche Intelligenz bei der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) abgestimmt. Diese soll Kompetenz aufbauen und ein Informations- und Beratungsangebot für KI-Projekte in den Bereichen Medien, Telekommunikation und Post schaffen. Ebenfalls kommen soll ein Expertenbeirat, der die RTR und auch die Regierung im Hinblick auf technische, ethische und gesellschaftliche Aspekte von KI berät.

Abgeschlossen wird der Tag mit einigen Rechnungshof-Berichten. Das Kontrollorgan sah in einem Prüfbericht etwa das Pensionssystem vor großen Herausforderungen und empfahl klare Strategien, etwa bei Änderungen des Pensionsantrittsalters. Kritik äußerte der Rechnungshof auch an der Covid-Impfstoffbeschaffung und an der Coronavirus-Teststrategie, die von den Ländern unterschiedlich umgesetzt worden sei und hohe Kosten zur Folge gehabt habe.