Der russische Präsidentschaftskandidat Boris Nadezhdin
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Präsidentschaftswahl

Nadeschdin will gegen Putin antreten

Es gibt keine Zweifel, dass der russische Präsident nach der für 15. bis 17. März geplanten Wahl in dem 143-Mio.- Einwohner-Land wieder Wladimir Putin heißt. Allerdings sorgte im übrigen Kandidatenfeld, das sich registrieren durfte, vor allem einer für Furore: Der ehemalige Duma-Abgeordnete Boris Nadeschdin sprach sich als einziger Bewerber gegen den Krieg aus. Am Mittwoch endete die Frist für alle Kandidaten und Kandidatinnen, die notwendigen 100.000 Unterstützungserklärungen vorzulegen.

Er habe der zentralen Wahlkommission 105.000 Unterschriften übergeben, teilte Nadeschdin am Mittwoch mit. Er mobilisierte Zigtausende Menschen, die sich in Schlangen zur Abgabe ihrer Unterstützungserklärung anstellten. Ob er tatsächlich als Kandidat akzeptiert wird, ist unklar. Die zentrale Wahlkommission habe in der Vergangenheit immer wieder größere Teile der Stimmen aus formalen Gründen für ungültig erklärt, sagte der Russland-Experte von der Universität Innsbruck, Gerhard Mangott, im ORF.at-Interview. Eine Entscheidung soll es noch in dieser Woche geben.

Seinen Informationen zufolge habe Nadeschdin eine „Sprachregelung mit dem russischen Präsidialamt für eine Kandidatur, was er zum Krieg gegen die Ukraine sagen darf“, sagte Mangott. „Seit zwei Wochen hält er das nicht mehr ein.“ Nadeschdin bezeichnete den Krieg als „fatalen Fehler“, nicht zuletzt deshalb erhielt er großen Zulauf von Menschen, die mit ihrer Unterstützungserklärung für ihn ihrer Kritik am Krieg auf legale Weise Ausdruck verleihen konnten.

Als „Kandidat des Westens hochstilisiert“

Mangott erwartet nicht, dass Nadeschdin zur Wahl zugelassen wird. Das Präsidialamt wolle vermeiden, dass die Präsidentschaftswahl zu einem Referendum über den Krieg werde. Zudem gebe es Hinweise, dass Nadeschdin als ausländischer Agent eingestuft werden solle. Offizielle Auftritte im russischen Fernsehen waren ihm schon bisher verwehrt. Nach Ansicht des Russland-Experten könne man Nadeschdin nicht als liberal bezeichnen.

Warteschlange bei Unterstützung von Boris Nadezhdin
IMAGO/Artem Priakhin
Mit seiner Kritik am Krieg gegen die Ukraine mobilisierte Nadeschdin viele Menschen für seine Unterstützung

Er werde „als Kandidat für den Westen hochstilisiert, das gibt aber seine Biografie nicht her“. So habe er etwa 2011 rund um Moskau die rechtsextreme Szene mobilisiert, woraufhin sich große Teile der damaligen Opposition von ihm distanzierten. Nadeschdin sagte zwar, dass Russland ein Land sei, „das nicht versucht, sein Territorium mit Hilfe der Armee zu erweitern“.

Aber er wolle auch den Krieg mit der Ukraine „zu den russischen Bedingungen“ beenden, betonte Mangott. Kritik musste Nadeschdin auch einstecken, weil er den Status der 2014 illegal von Russland annektierten Krim sowie die besetzten Gebiete in der Ostukraine nicht eindeutig definierte. Es müsse den Bewohnern überlassen bleiben, zu welchem Land sie gehören wollen, wurde Nadeschdin von „Politico“ zitiert.

Chancenlose Kandidaten dürfen bleiben

Elf Kandidaten und Kandidatinnen durften sich bisher registrieren, ob tatsächlich alle auf dem Wahlzettel stehen werden, ist offen. Die Wahl sei keine Wahl, sondern eine „Krönung Putins“, so Mangott. Beobachter gehen auch davon aus, dass mit der Wahl eine vermeintlich andauernde gesellschaftliche Unterstützung für den Angriffskrieg in der Ukraine signalisiert werden soll.

Aufgrund einer Verfassungsänderung darf Putin erneut antreten und 2030 ebenfalls. Er tritt diesmal nicht für seine Partei Geeintes Russland, sondern als Einzelbewerber an, der ebenfalls Unterstützungsstimmen sammelte. Auf dem Stimmzettel bleiben dürfen wohl die ohnehin chancenlosen Kandidaten, die zumindest auf dem Papier für eine Auswahl sorgen sollen. Mangott: „Die meisten stammen aus der Systemopposition wie den Kommunisten und wurden zum Teil vom Präsidialamt aufgestellt. Sie stellen keine Gefahr für Putin dar.“

Buchstabendreher als „schwerer Fehler“

Der Oppositionelle Alexej Nawalny, der eine echte Bedrohung sein könnte, ist in einem Straflager in der russischen Polarregion. Die Journalistin Jekaterina Dunzowa wurde Ende vergangenen Jahres von der Präsidentschaftswahl ausgeschlossen – Buchstabendreher bei Namen wurden als „schwere Fehler“ in den Unterlagen ausgelegt. Auch sie hatte für ein Ende des Krieges plädiert.

Der inhaftierte russische Oppositionspolitiker Alexei Nawalny
AP/Alexander Zemlianichenko
Der potenziell für Putin gefährlichste Oppositionelle Nawalny befindet sich in einem Straflager in der russischen Polarregion

Noch vor Ablauf der Frist zur Abgabe von Unterstützungserklärungen gab der Präsidentschaftskandidat Sergej Baburin von der nationalistischen Partei Gesamtrussische Volksunion am Dienstag auf und wirbt nun stattdessen für Putin. Der Journalist Alexej Wenediktow vermutet, dass Baburin aus dem Machtapparat eine Aufforderung zum Aufgeben bekommen habe.

Keine internationalen Wahlbeobachter

Die Sorge vor Unregelmäßigkeiten, Manipulationen und Einschüchterungen bei der Wahl ist groß. Schon bei den Kommunal- und Regionalwahlen vergangenen September war die Wahlbeobachtungsorganisation Golos als unerwünscht verboten worden. Einer der Vorsitzenden war zuvor zwei Monate in Haft, und zwar wegen des Vorwurfs der Zusammenarbeit mit einer „unerwünschten Organisation“.

Enttäuscht zeigte sich die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE), dass keine Wahlbeobachter zu dem Urnengang eingeladen sind. Das stehe im Widerspruch zu den von Russland eingegangenen OSZE-Verpflichtungen und verwehre gleichzeitig den Wählern und Institutionen des Landes eine unparteiische und unabhängige Bewertung der Wahl. Schon die Parlamentswahl 2021 hatte ohne internationale Wahlbeobachter stattgefunden. Die OSZE hatte sich zu diesem Schritt entschieden, weil die russischen Behörden im Vorfeld zu starke Einschränkungen verhängt hatten.