Israelischer Soldat im Gazastreifen
APA/AFP/Nicolas Garcia
Gaza

Weiter Tauziehen um neue Waffenruhe

Das Tauziehen um eine neue Waffenruhe im Gazastreifen geht weiter. Die radikalislamische Hamas erklärte am Dienstag, sie prüfe einen Entwurf für eine entsprechende Vereinbarung mit Israel. Der israelische Premier Benjamin Netanjahu betonte neuerlich, sein Land werde den Krieg erst bei Erfüllung all seiner Ziele beenden – zu denen die Zerschlagung der Hamas gehört.

Neben der Vernichtung der Hamas nannte Netanjahu „die Rückkehr aller Geiseln und die Sicherstellung, dass von Gaza keine Gefahr mehr für Israel ausgeht“, als Ziele seines Landes. Die Freilassung „Tausender“ inhaftierter Palästinenserinnen und Palästinenser im Zuge eines Abkommen schloss er aus.

„Wir werden die IDF (die Armee, Anm.) nicht aus dem Gazastreifen abziehen und wir werden nicht Tausende Terroristen freilassen. Nichts davon wird geschehen“, betonte der Premier beim Besuch einer israelischen Siedlung im Westjordanland.

Hamas-Führer: Feuerpausenvorschlag mit drei Phasen

Vertreter der USA, Israels, Katars und Ägyptens hatten am Wochenende in Paris über ein Abkommen beraten, das im Gegenzug für eine Feuerpause die Freilassung von israelischen Geiseln aus der Gewalt der Hamas im Gazastreifen vorsieht.

Scharfe Kritik an UNO-Hilfsorganisation

Das Ausmaß der mutmaßlichen Verbindung von Beschäftigten des UNO-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) zur islamistischen Hamas soll größer sein als bisher angenommen, berichtete das „Wall Street Journal“ („WSJ“) unter Berufung auf ein israelisches Geheimdienstdossier.

Der dabei ausgehandelte Entwurf umfasst laut Hamas-Führer Ismail Hanija drei Phasen. Dabei sollten sowohl Geiseln, die von der Hamas festgehalten werden, als auch Palästinenserinnen und Palästinenser, die in israelischen Gefängnissen inhaftiert sind, freikommen, sagte Hanija gegenüber Reuters.

In der ersten Phase sollen laut Hanija alle Zivilpersonen – Frauen, Kinder, Kranke und Erwachsene – freigelassen werden. In der zweiten Phase sollten alle Rekrutinnen und Rekruten freikommen. In der dritten Phase sollten dann Leichen übergeben werden. Während der gesamten Zeit sollten die militärischen Handlungen auf beiden Seiten eingestellt werden.

„NYT“: Mögliche Freilassung von 100 Geiseln

Wie viele Geiseln von der islamistischen Hamas freigelassen würden, stehe noch nicht fest. Das sei Gegenstand von Verhandlungen, sagte Hanija. Der Deal könnte laut einem Bericht der „New York Times“ („NYT“) vorsehen, dass die Hamas mehr als 100 Geiseln freilässt und Israel dafür seinen Militäreinsatz im Gazastreifen für etwa zwei Monate aussetzt. In einer ersten Phase sollten die Kämpfe für 30 Tage pausieren, hieß es in dem am Wochenende veröffentlichten Bericht.

Ende November waren im Zuge einer von Katar, Ägypten und den USA vermittelten einwöchigen humanitären Feuerpause 105 israelische Geiseln im Gegenzug für 240 in Israel inhaftierte Palästinenser freigekommen. Nach Angaben der israelischen Behörden sind 132 Geiseln noch immer in der Gewalt der Hamas, 28 von ihnen sollen tot sein.

Gegenwind für Netanjahu von Koalitionspartner

Innerhalb der rechts-religiösen israelischen Regierung sorgt ein möglicher neuer Deal für Querelen. Israels rechtsextremer Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir drohte im Zusammenhang mit den Verhandlungen über eine längere Waffenruhe im Gaza-Krieg mit dem Austritt seiner Partei aus der Koalition.

Sollte es ein „rücksichtsloses“ Abkommen mit der Hamas zur Freilassung von Geiseln geben, werde seine Partei Jüdische Kraft die Koalition verlassen. Ben-Gvir und Finanzminister Besalel Smotrich von der Partei Religiöser Zionismus hatten kürzlich gefordert, dass Israel die Offensive vorantreibe und den Gazastreifen, aus dem es sich 2005 zurückgezogen hat, wieder besiedelt.

Israel: UNRWA-Beschäftigte an Entführungen beteiligt

Die Debatte über das UNO-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) wegen des Vorwurfs von Verbindungen zur Hamas und anderen radikalen palästinensischen Gruppen dauert indes an. Israels Regierungssprecher Eilon Levi erklärte am Dienstag, insgesamt seien mindestens 13 Beschäftigte der Organisation an den Terroranschlägen beteiligt gewesen. Zuvor war von zwölf Beschäftigten die Rede.

Die Angaben seien aber noch nicht unbedingt vollständig, so Levi. „Es werden noch mehr Erkenntnisse ans Licht kommen.“ Zehn der 13 Beschuldigten sind den Angaben zufolge Mitglieder der Hamas, zwei des Islamischen Dschihad, einer gehöre keiner Terrororganisation an. Sechs der mutmaßlich am Massaker Beteiligten seien am 7. Oktober auch auf israelischem Gebiet gewesen.

Zahlreiche Länder setzten Zahlungen aus

Levi zufolge waren insgesamt vier UNRWA-Mitarbeiter an der Entführung von Israelis beteiligt, zwei davon auch auf israelischem Territorium. Mindestens zwei israelische Geiseln, die inzwischen von der Hamas freigelassen wurden, hätten ausgesagt, in Häusern von Lehrern des UNO-Hilfswerks festgehalten worden zu sein.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe setzten zahlreiche Länder – darunter Österreich – die Zahlung von Hilfsgeldern an das UNRWA aus. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres will bei den Staaten für eine Weiterfinanzierung werben. Am Wochenende kündigte er interne Ermittlungen und scharfe Konsequenzen an.

BBC: Hälfte der Gebäude in Gaza beschädigt oder zerstört

Unterdessen berichtete die BBC am Dienstag, dass vier Monate nach Beginn des Krieges im Gazastreifen mindestens die Hälfte aller Gebäude in dem Küstenstreifen am Mittelmeer beschädigt oder zerstört seien. Der Sender wertete Satellitendaten mit Hilfe von zwei US-Universitäten aus, wonach zwischen 144.000 und 175.000 Gebäude beschädigt oder zerstört seien. Das seien zwischen 50 und 61 Prozent aller Gebäude in dem Küstengebiet. Verglichen wurden dabei ältere Aufnahmen mit aktuellen.

Die Aufnahmen belegten laut BBC zudem, dass sich die Bombardierung des südlichen und zentralen Gazastreifens seit Anfang Dezember intensiviert habe, wobei die weiter heftig umkämpfte Stadt Chan Junis im Süden des Küstengebiets besonders stark betroffen sei.

Israel betont immer wieder, es befinde sich im Krieg mit der Hamas und nicht mit Zivilpersonen. Die Kämpfer der Hamas benutzten zivile Gebäude, um aus ihnen heraus anzugreifen, Waffen zu lagern und Eingänge zu unterirdischen Tunneln zu verstecken. Im gesamten Gazastreifen seien Wohngebiete verwüstet, ehemals belebte Einkaufsstraßen in Schutt und Asche gelegt, Universitäten zerstört und Ackerland aufgewühlt, berichtete die BBC.

Chan Junis, das als Hamas-Hochburg gilt, sei in den vergangenen Wochen besonders betroffen gewesen, hieß es. Die Analyse habe ergeben, dass dort inzwischen mehr als 38.000 oder mehr als 46 Prozent der Gebäude zerstört oder beschädigt seien. Laut UNO-Angaben sind Tausende von Menschen nach Rafah ganz im Süden geflüchtet. Dort hielten sich inzwischen mit mehr als 1,3 Millionen Menschen mehr als die Hälfte der rund 2,2 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner des Gazastreifens auf.