Russischer Zeuge Valeri A. auf einer Leinwand im Großer Schwurgerichtssaal
ORF/Lukas Krummholz
Kurz-Prozess

Russischer Zeuge verlor ‚Vertrauen‘ zu Schmid

Im Falschaussageprozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz im Wiener Straflandesgericht hat am Mittwoch eine mit Spannung erwartete Vernehmung stattgefunden – so musste ein russischer Geschäftsmann Rede und Antwort stehen. Er war in Wien nicht physisch anwesend, er saß in der österreichischen Botschaft in Moskau, befragt wurde er via Zoom-Call. Die Aussagen wurden übersetzt. Es ging um ein „Bewerbungsgespräch“ mit Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid – „Vertrauen“ sei grundlegend das Wichtigste, dieses sei verloren gegangen. Schmid wird noch einmal befragt.

Wesentlich ist, dass der Russe auf Antrag der Verteidigung befragt wurde. Valeri A. gab an, dass er mit Ex-ÖBAG-Vorstand Schmid im Sommer des Vorjahres in Amsterdam ein „Bewerbungsgespräch“ geführt habe. Schmid soll ihm und einem anderen Geschäftsmann gegenüber angegeben haben – so behauptet das der Zeuge –, dass er von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Zuge seiner Einvernahme unter Druck gesetzt worden sei.

Auf Frage von Richter Michael Radasztics schilderte A. den Hergang – sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch: Man habe einen CEO für ein Projekt in Georgien gesucht. Da sei man auf Schmid gestoßen – vereinbart wurde ein Treffen in Amsterdam, weil er, der nunmehrige Zeuge, auch „andere Geschäfte“ dort hatte. Einzelheiten aus dem Projekt dürfe er nicht erzählen, er könne nur sagen, dass es sich um ein großes Projekt zur Ölgewinnung gehandelt habe. Vernommen werden konnte nur Zeuge A., der zweite Zeuge sagte ab, er fühle sich „unwohl“.

„Hervorragende Erfahrungen“

Ob es kein Problem gewesen sei, dass Schmid kein Russisch spreche und nie etwas mit Öl zu tun gehabt habe? Die Sprachkenntnisse seien nicht so wichtig, so der Zeuge, wenngleich Schmid fließend Englisch könne und das völlig ausreiche. Aus dem Lebenslauf Schmids, den er von einem international tätigen Freund bekommen habe, sei hervorgegangen, dass er „hervorragende Erfahrungen“ für den Job mitbringe, so der russische Zeuge. Schmid sei ein hoher Manager mit vielen Kontakten gewesen, außerdem sei er ein „guter Verhandler“.

Das Bewerbungsgespräch sei auf Englisch geführt worden, bei einem ersten Treffen habe er Schmid allein getroffen, an einem zweiten Tag habe er Schmid zusammen mit einem Partner getroffen. Der Richter wollte wissen, wieso bei diesem Gespräch auch die Einvernahme Schmids bei der WKStA Thema gewesen sei. Man habe im Internet recherchiert, doch man sei auf „Probleme“ mit einem Gerichtsverfahren gestoßen. Darum habe er Schmid darauf angesprochen, so Zeuge A.

„Sehr großer Druck“

Schmid habe gesagt, dass er zum Kreis um Ex-Kanzler Kurz gezählt habe. Er habe berichtet, dass er von seinen Freunden „sehr enttäuscht“ sei und er „für alles Schlechte“ verantwortlich gemacht werde. Darum habe er beschlossen, mit der WKStA zusammenzuarbeiten, zitierte der russische Zeuge den Bewerber Schmid – der „Druck der Staatsanwaltschaft“ sei „sehr groß“ gewesen, habe Schmid gesagt. Er habe den Eindruck gehabt, dass Schmid bereit gewesen sei, den Ermittlern auch etwas zu sagen, „was nicht der Wahrheit“ entspreche.

Sebastian Kurz und Bernhard Bonelli am Wiener Straflandesgericht
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Sebastian Kurz und sein früherer Kabinettschef Bernhard Bonelli mit Anwälten im Gerichtssaal

Zeuge: Absage nach vier Tagen per SMS

Im Geschäftsleben könnten solche Entwicklungen zum Problem werden, gab der Zeuge sinngemäß an – weswegen klar geworden sei, dass Schmid nicht mehr für den Job infrage kommen könne. Nach vier Tagen habe man Schmid per SMS abgesagt. Auf Englisch führte der russische Zeuge zuvor noch zusätzlich aus, dass auch über die Dichands („Kronen Zeitung“) gesprochen worden sei. Eva Dichand sei eine „sehr schöne Frau, aber keine gute Person und auch gefährlich“.

Er habe gar nicht vorgehabt, eine Aussage vor Gericht zu machen, gab Zeuge A. an. Dann sei er aber „von den Rechtsanwälten über eine Kontaktperson kontaktiert“ worden, davor habe er diesem von Schmids Fall erzählt. „Auf irgendeine Art und Weise“ sei das an die Rechtsanwälte gekommen, wie, konnte der Zeuge nicht angeben. Weil er gerade geschäftlich in Tiflis gewesen sei, habe er die Erklärung dort abgegeben – jene Erklärung, die schließlich bei Kurz-Rechtsanwalt Otto Dietrich landete.

WKStA schenkt Angaben des Zeugen keinen Glauben

Die WKStA schenkte den Angaben offenkundig keinen Glauben. Ob der Zeuge die behaupteten Rechercheergebnisse zu Schmid vorlegen könne? Diese seien wohl schriftlich festgehalten worden, doch mit der Erkenntnis aus dem Bewerbungsgespräch habe man ohnehin das Interesse verloren, darum könne er dazu nichts mehr sagen. Wieso man Schmid trotz der medial breit kolportierten Anschuldigungen als Bewerber für einen CEO-Posten einlud?

Staatsanwalt Gregor Adamovic und Staatsanwalt Roland Koch
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Die Oberstaatsanwälte Roland Koch und Gregor Adamovic

Dass Schmid geständig war, habe er nicht gewusst, nicht einmal über die Anschuldigungen habe man Bescheid gewusst, so Zeuge A. Wieso aber das schlecht Sprechen über (mutmaßliche) Mittäter den Anstoß für die Entscheidung gegeben habe, beantwortete der Zeuge sinngemäß damit, dass „Vertrauen“ das Wichtigste im Geschäft sei. Einen CEO habe man bis heute nicht gefunden, schilderte der Zeuge.

Später sei er mit Kurz-Anwalt Dietrich in Kontakt gestanden – eine Korrespondenz könne er nicht vorlegen, man habe das per Telefonat gelöst. Wie er sich als russischer Staatsbürger überhaupt so einfach an eine europäische Botschaft wenden habe können? Die Idee sei von Dietrich gekommen, so der Zeuge, „aus menschlichen Gründen“ heraus habe er das gemacht. Die Absagemail für Schmid habe er dann auch an Dietrich weitergeleitet.

Schmid wird noch einmal befragt

Jener Zeuge, der nicht vernommen werden konnte, soll einen Termin am 23. Februar bekommen, so der Richter abschließend. Die WKStA beantragte eine neuerliche Ladung Schmids, konkret zur Anbahnung des „Bewerbungsgesprächs“, da dieses bei dessen Vernehmungsterminen noch nicht Thema war. Dem wurde vom Richter Folge gegeben – Schmid soll auch am 23. Februar einvernommen werden, via Zoom, ebenso wie der russische Zeuge.

Zeuge Helm: „Keine Namen eingebracht“

Am Vormittag wurde Zeuge und Ex-ÖBAG-Aufsichtsrat Günther Helm zu Personalauswahl befragt – der mittlerweile in Saudi-Arabien tätige Manager saß im Zuge der Formierung der ÖBAG im Nominierungskomitee. Dieses Gremium wurde mit der Umwandlung der Staatsholding von der alten ÖIAG in die ÖBIB geschaffen.

Helm gab an, er sei entsprechend für die „Sichtung“ der Aufsichtsräte zuständig gewesen. „Namen sind immer herumgegeistert“, so Helm. Tatsächliche Vorschläge seien aus dem Finanzministerium gekommen. Namen in Listen „eingebracht“ habe er nicht, so Helm. In den Aufsichtsrat der ÖBAG sei er auf Anfrage von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) Mitte 2019 gekommen – Chats mit Schmid dazu gab es schon im Dezember 2018.

„Da gab’s keine Einflüsterer“

Zurufe zur Bestellung Schmids seien ihm nicht bekannt („Gab’s nicht, nein“). Mit Siegfried Wolf sei er persönlich bekannt, hierzu wurde Helm ein Chat mit diesem vorgelegt, in diesem kündigte Helm an, dass er die besprochenen Interessen vertreten werde. Dazu sagte Helm, dass dabei Interessen der Wirtschaft gemeint gewesen seien, die er in seiner Funktion zu vertreten gehabt habe.

Günther Helm am Wiener Straflandesgericht
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Zeuge Günther Helm wurde am Vormittag befragt – ihm wurden Chats mit Siegfried Wolf vorgehalten

Auch schrieb Helm Wolf, er wolle ihm in Sachen Aufsichtsratsvorsitz „nicht ins Gehege fahren“. Und später: Schließlich sei diesbezüglich alles so verlaufen „wie geplant“ („Du Vorsitz, ich Mitglied“). Was dahin der besprochene „Plan“ gewesen sei, konnte Helm auf Fragen des Richters nicht beantworten, der Chat sei auch einige Jahre her.

Nur so viel: Einen „Plan“ habe es jedenfalls nicht gegeben, so Helm. Es habe sich „nicht nach Einflüsterern gerichtet“, so Helm – „dafür ist mir meine Zeit zu schade“. Hinweise, dass Kurz „irgendwas will“, habe er nicht gehabt – auch beim damaligen Finanzminister Gernot Blümel, einem langjährigen Freund, und Löger sei das so gewesen. Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli habe er gar nicht gekannt.