Tesla CEO Elon Musk
Reuters/Gonzalo Fuentes
Gerichtsurteil

Steueroase Delaware als Bumerang für Musk

Ausgerechnet Delaware, das als Steueroase der USA gilt, bereitet Elon Musk erneut Ärger. Eine Richterin dort hat am Dienstag (Ortszeit) eine milliardenschwere Vergütung für seinen Chefposten beim US-Elektroautohersteller Tesla für ungültig erklärt. Für Musk ist die Richterin keine Unbekannte. Mit ihr hatte der Multimilliardär schon im Rechtsstreit über seinen Kurznachrichtendienst X – damals noch Twitter – zu tun.

In Delaware haben wegen der günstigen Steuergesetze zwei Drittel der 500 größten Unternehmen der USA ihren rechtlichen Sitz – darunter auch die von Musk geführten Konzerne Tesla und SpaceX. Dennoch wütete Musk am Dienstag auf X: „Registriert euer Unternehmen niemals im Staat Delaware.“ Auch der Kurznachrichtendienst war in Delaware angesiedelt, bevor ihn Musk im vergangenen Jahr von Twitter auf X umbenannte und in Nevada registrieren ließ.

Zu Tesla startete Musk nun eine Umfrage, ob der rechtliche Firmensitz von Tesla zum Hauptquartier in Texas verlegt werden soll. Nach wenigen Stunden lag die Zustimmung bei 90 Prozent. Kurz zuvor hatte die oberste Richterin des Delaware-Gerichtshofs für Unternehmen, Kathaleen McCormick, Musks Aktienpaket im Wert von knapp 56 Milliarden Dollar (rund 52 Mrd. Euro) für ungültig erklärt.

Der Verwaltungsrat, der es ihm auf Vorschlag von Musk zugesprochen hatte, habe vor Gericht nicht beweisen können, „dass der Vergütungsplan fair war“, so die Richterin, die damit dem Kläger, einem Tesla-Aktionär, der die Vereinbarung annullieren will, recht gab. Musk bekam die Aktienoptionen zwar gemäß dem Plan zugeteilt, konnte sie wegen des Rechtsstreits aber noch nicht einlösen.

Bald nicht mehr der reichste Mann?

Wie es weitergeht, ließ McCormick im Prozess offen. Sie wies den Kläger und Tesla an, eine Lösung auszuarbeiten. Sie betonte zugleich, dass eine Aufhebung des Megadeals zwar nicht automatisch aus dem Urteil folge – der Kläger aber ein Anrecht darauf habe. Musk kann noch in Berufung gehen.

Der Finanzdienst Bloomberg führte Musk am Dienstag in seiner Milliardärsrangliste auf Platz eins mit einem geschätzten Vermögen von 205 Milliarden Dollar. In der Schätzung wird das Paket berücksichtigt. Ohne die 56 Milliarden Dollar läge er hinter dem Chef des Luxusgüterkonzerns LVMH, Bernard Arnault, und Amazon-Gründer Jeff Bezos.

Corporation Trust Center in Wilmington
public domain
Delaware hat knapp eine Million Einwohnerinnen und Einwohner, aber etwas mehr als eine Million hier gemeldete Unternehmen

Aktienoptionen statt Gehalt oder Boni

Als Musks Vergütungsplan im März 2018 verabschiedet wurde, machte er wegen seiner Höhe weltweit Schlagzeilen. Niemals zuvor hatte ein angestellter Mitarbeiter solch ein Vergütungspaket in Aussicht gestellt bekommen. Statt Gehalt, Boni oder Zuschüssen für geleistete Arbeitsjahre sollte Musk in zwölf Schritten Aktienoptionen mit einem maximalen Wert von damals bis zu 55,8 Mrd. Dollar bekommen, wenn Börsenwert und Geschäftszahlen von Tesla mit bestimmten Mindestwerten wachsen.

Der Kläger Richard Tornetta argumentierte vor Gericht, die vorgegebenen Ziele für Musk seien leicht zu erreichen gewesen. Es sei nicht einmal verlangt worden, dass Musk seine volle Arbeitskraft dem Autokonzern widme. Dieser sei schon damals nur ein Teilzeitchef gewesen, da er zugleich die Weltraumraketenfirma SpaceX und später die Onlineplattform X (Twitter) geführt habe.

Die Tesla Gigafactory in Austin, Texas
Reuters/Go Nakamura
Teslas Hauptquartier im texanischen Austin

„Sie dachten, Elektrofahrzeuge sind ein Witz“

Musk verteidigte sein Tesla-Aktienpaket. Als es 2018 beschlossen worden sei, hätten Investoren gedacht, „dass wir scheitern und bankrottgehen werden“, sagte er. „Wir waren damals in einer ziemlich harten Lage, wir verloren viel Geld. Die Wahrscheinlichkeit eines Überlebens war extrem niedrig.“ Die Autoindustrie habe sich lange Zeit über Tesla lustig gemacht, so Musk. „Sie dachten, Elektrofahrzeuge sind ein Witz.“

Tatsächlich schienen die Zielmarke der Vereinbarung 2018 extrem steil. Vor allem war eine Voraussetzung, dass Teslas Börsenwert von etwa 50 Milliarden Dollar auf rund 650 Milliarden Dollar steigt. Doch die Euphorie der Anleger wegen des Erfolgs der Kompaktwagen Model 3 und Model Y machte es möglich: In der Spitze war Tesla mehr als eine Billion Dollar wert. Inzwischen schwächte sich das Absatzwachstum ab, der Börsenwert lag am Dienstag bei 610 Milliarden Dollar.

„Die 55,8-Milliarden-Dollar-Frage“

Die Richterin warf in ihrem rund 200-seitigen Urteil mehrere Fragen auf. Hatte es ernsthafte Verhandlungen zwischen Musk und Tesla über das Ausmaß der Vergütung gegeben? Denn schließlich sollte der Verwaltungsrat den Interessen der Aktionäre verpflichtet sein. Und war es überhaupt nötig, Musk so viel zu bieten?

Letzteres nannte McCormick „die 55,8-Milliarden-Dollar-Frage“, die sich der Tesla-Verwaltungsrat nie gestellt habe, vielleicht wegen Musks „Superstar-Anziehungskraft“. Durch die Vereinbarung sollte seine Tesla-Beteiligung auf bis zu 28,3 Prozent steigen. Dabei habe dem Tesla-Chef zu diesem Zeitpunkt bereits ein Anteil von 21,9 Prozent gehört, gab die Richterin zu bedenken.

Mit der Unabhängigkeit der Tesla-Verhandlungsführer sah es aus Sicht von McCormick nicht besser aus. Unter anderen verwies sie auf Chefjustiziar Todd Maron, „der Musks ehemaliger Scheidungsanwalt war und dessen Bewunderung für Musk ihn während der Befragung zu Tränen rührte“. Auch andere Mitglieder des Verwaltungsrats seien eng mit Musk verbunden gewesen – und er habe selbst den Aktienplan vorgeschlagen und das Tempo der Gespräche bestimmt. Die Richterin hob hervor, dass Musk im Verfahren sagte, er habe „gegen sich selber verhandelt“.

Richterin im Rechtsstreit mit Twitter

Musks aktuelle Beteiligung an Tesla liegt bei etwa 13 Prozent – er hatte in großem Stil Aktien verkauft, um 2022 Twitter für rund 44 Milliarden Dollar zu kaufen. Auch damals hatte er es mit McCormick zu tun bekommen. Sie war die Richterin im Rechtsstreit zwischen Twitter und Musk, der aus der Kaufvereinbarung aussteigen wollte. Kurz vor Prozessbeginn gab Musk jedoch klein bei und schloss die Twitter-Übernahme ab.