Verfahrensrichterin Christa Edwards
ORF/Patrick Bauer
Verfahrensrichterin

Vorfreude auf U-Ausschüsse „sehr groß“

Diese Woche starten die Befragungen von zwei Untersuchungsausschüssen. Beide werden nur wenige Monate laufen, beide finden mitten im EU- und Nationalratswahlkampf statt, und in beiden wird die Verfahrensrichterin Christa Edwards sein. „Meine Vorfreude ist sehr groß, tatsächlich“, sagt die erfahrene Richterin im Gespräch mit ORF.at und Ö1.

Ab kommender Woche will der COFAG-U-Ausschuss von SPÖ und FPÖ die CoV-Förderungen unter der ÖVP-Grünen-Regierung beleuchten, der U-Ausschuss „Rot-Blauer Machtmissbrauch“ der ÖVP nimmt im Gegenzug die Regierungsbeteiligungen von SPÖ und FPÖ im Zeitraum 2007 bis 2020 ins Visier. Zwei parallel laufende U-Ausschüsse sind zwar nicht die Regel, aber auch nicht einmalig. Ungewöhnlich ist hingegen die kurze Laufzeit: Wegen der Nationalratswahl im Herbst ist mit den Befragungen schon nach drei Monaten Schluss.

Zwei inhaltlich unterschiedliche U-Ausschüsse, die im Wahljahr parallel laufen und binnen weniger Monate beendet werden müssen, lassen auf ein dichtes Programm schließen. Verfahrensrichterin Edwards zeigt sich im Gespräch aber gelassen und hält die Aufgabe für „durchaus“ bewältigbar. „Die Arbeitspläne sind fair aufgeteilt. Ich habe für jeden U-Ausschuss ein Team aus vier Mitarbeitern und pro U-Ausschuss eine Stellvertretung“, sagt die Juristin.

„Privileg“ als Verfahrensrichterin zu arbeiten

Edwards kommt bei der parlamentarischen Aufklärung eine wichtige Rolle zu. Als Verfahrensrichterin berät sie den Vorsitzenden in allen rechtlichen Fragen. Die Entscheidung trifft am Ende zwar der Vorsitz, aber das Wort der Verfahrensrichterin hat Gewicht. Sie klärt etwa, ob eine Frage zulässig oder unzulässig ist und ob eine Auskunftsperson antworten muss oder sich entschlagen darf. Edwards bezeichnet es als „Privileg“, dass sie in beiden U-Ausschüssen sitzen darf.

Verfahrensrichterin Christa Edwards
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Edwards vertrat im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl

Neu ist die Aufgabe für die Richterin des Oberlandesgerichts (OLG) Wien aber nicht. Im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss war sie stellvertretende Verfahrensrichterin. Von den Abgeordneten wurde ihr Stil gelobt. Sie sei korrekt, konsequent und sage, was geht und nicht geht. Selbst legt Edwards ihre Rolle nüchtern an: „Das Gesetz gibt vor, wie die Fragen zu stellen sind. Ich werde darauf achten und, wenn nötig, schnell eingreifen, wenn Fragen zum Beispiel unterstellend sind.“

Über die Arbeit des U-Ausschusses verliert Edwards kein böses Wort. „Ich habe nur positive Erfahrungen mitgenommen“, sagt die Richterin, ihre Empfehlungen seien von den Abgeordneten respektiert worden. Dass die Stimmung im U-Ausschuss ab und zu gereizt war, sei wegen der Konstruktion der parlamentarischen Kontrolle nachvollziehbar. U-Ausschüsse seien „im Kern auch politische Auseinandersetzungen“ und können daher „von Natur aus emotional“ sein, sagt Edwards.

Liveübertragung: Pro und Kontra abwägen

Tatsächlich konnte man im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss beobachten, wie der Emotionslevel von Befragung zu Befragung stieg. Kaum eine Sitzung kam ohne lange Debatte aus, in der einander vorgeworfen wurde, das parlamentarische Kontrollgremium zu untergraben. Schnell wurden Rufe nach einer Liveübertragung der Befragungen laut. Die Öffentlichkeit soll sich selbst ein Bild machen, so die Argumentation, der sich auch die ÖVP anschloss. Doch daraus wurde nichts.

Verfahrensrichterin Christa Edwards
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Ist die Frage zulässig? Mit der Frage wird Edwards von März bis Mai oft konfrontiert werden.

Wird Edwards nach ihrer Meinung zu Liveübertragungen gefragt, zeigt sie sich diplomatisch. Man müsse zwischen dem Interesse nach mehr Transparenz und dem Persönlichkeitsschutz abwägen. Bei Personen, die ohnehin im öffentlichen Leben stehen (z. B. Regierungsmitglieder), hätte die Verfahrensrichterin zwar keine Bedenken. „Bei allen anderen Personen muss man sich schon sehr gut überlegen, wie man deren Persönlichkeitsrechte schützen kann. Das bedarf einer fundierten Beratung“, sagt sie. Am Ende sei es eine „politische Entscheidung“.

Schweigemarathon wegen Schuldspruchs gegen Kurz?

Das Kontrollinstrument des Parlaments ist ein politisches. Es soll nämlich die politische Verantwortung für diverse Entscheidungen geklärt werden. Dennoch haben U-Ausschüsse immer auch einen Konnex zu laufenden Strafverfahren. Der Schuldspruch gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte seinen Ausgangspunkt sogar in einem U-Ausschuss. Vor vier Jahren soll er vor den Abgeordneten die Unwahrheit gesagt haben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

In einigen Medien wurde kommentiert, dass sich der Schuldspruch auf künftige U-Ausschüsse auswirken werde. Politiker könnten sich aus Angst vor einem Strafverfahren noch öfter entschlagen bzw. sich seltener erinnern. Edwards erinnert daran, dass Auskunftspersonen, bei denen es Anhaltspunkte für ein mögliches Entschlagungsrecht gab, sich recht häufig und weitreichend darauf berufen hätten. „Die theoretisch möglichen Konsequenzen eines Aussageverhaltens waren den Auskunftspersonen schon bisher bekannt“, sagt die Richterin.

Verfahrensrichterin Christa Edwards
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Schon bisher hätten Auskunftspersonen über die Folgen ihrer Aussagen Bescheid gewusst, sagt Edwards

In der Praxis werde sich bei der Entscheidung, ob sich jemand im U-Ausschuss entschlagen darf oder antworten muss, nichts ändern. „Die Gründe und Voraussetzungen für die Gewährung von Entschlagungen sind gesetzlich klar geregelt“, sagt Edwards, betont aber auch eine „gewisse Großzügigkeit“. Denn im U-Ausschuss sei eine Person trotz Vorwürfen zur Wahrheit verpflichtet. Sie habe kein begründungsloses Recht zu schweigen. Für Edwards bedeutet das: Mit dem Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, müsse immer verantwortungsvoll umgegangen werden.

Debatte über Vorsitz „verkürzt und emotional“

Die beiden U-Ausschüsse sind Nummer drei und vier in der laufenden Legislaturperiode. Vor dem ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss tagte der „Ibiza“-U-Ausschuss. Auffallend ist, dass in den Abschlussberichten empfohlen wurde, die Funktion des Verfahrensrichters aufzuwerten. Edwards schwebt zum Beispiel ein Vorschlagsrecht für Ladungen von Auskunftspersonen vor. Manchmal würde man sich nämlich noch eine Person anhören, an die die Fraktionen aus unterschiedlichen Gründen gar nicht denken würden.

Angesichts der Dispute rund um Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) wurde auch die Idee ventiliert, dass der unparteiische Verfahrensrichter die Befragungen leiten soll. Aktuell übernimmt der Nationalratspräsident qua Gesetz den Vorsitz. Allerdings kann er sich bei den Befragungen vertreten lassen und Aufgaben an den Zweiten und Dritten Nationalratspräsident übertragen. „Im parlamentarischen Prozess muss die Vorsitzführung Sache der Politik sein“, sagt Edwards.

Verfahrensrichterin Christa Edwards
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Verfahrensrichterin Edwards wird den Vorsitzenden im U-Ausschuss beraten, oft wird er Wolfgang Sobotka heißen

Die Opposition warf Sobotka als Vorsitzenden im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss vor, befangen und parteiisch zu sein. Dass er beide neuen U-Ausschüsse leiten wird, stieß dementsprechend auf Kritik. Edwards nennt die Debatte „verkürzt und emotional“. Man könne darüber auch sachlich diskutieren, warum der Gesetzgeber keine Befangenheit in der Verfahrensordnung vorgesehen hat. Dass Sobotka den Vorsitz übernimmt, entspreche jedenfalls dem Gesetz, „das ist für mich, was zählt, und in meiner Rolle gibt es dazu keinen Kommentar.“

Keine parteiische Vorsitzführung wahrgenommen

Die rechtliche Frage der Vorsitzübernahme ist der eine Aspekt, der andere die Vorsitzführung in der Praxis. Die Opposition und die Grünen kritisierten ja, dass Sobotka während der Befragungen interveniert, um seiner Partei zu helfen und den anderen Fraktionen zu schaden. Der Nationalratspräsident wies den Vorwurf von sich. Eine parteiische Vorsitzführung habe sie bei ihren Einsätzen im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss „überhaupt nicht wahrgenommen“, sagt Edwards, weder bei Sobotka noch bei den anderen Vorsitzführenden.

Unterschiede zwischen Sobotka, Doris Bures (SPÖ) und Norbert Hofer (FPÖ) gebe es. „Jeder hat seine Persönlichkeit und einen gewissen Stil, den man pflegt“, betont die Verfahrensrichterin. Die Nuancen seien allerdings nicht so groß, dass sie sich auf die Qualität der Befragung auswirken. „Es wird schnell von einer Schlammschlacht gesprochen. Aber im Rahmen der politischen Auseinandersetzung herrscht sehr viel Respekt vor dem parlamentarischen Instrument.“