Arztpraxis
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Ärztestartbonus

Scharfe Kritik von SV-Chef Lehner

Peter Lehner, in diesem Halbjahr Chef der Konferenz der Sozialversicherungsträger (SV), übt scharfe Kritik am von der Regierung forcierten Startbonus für Kassenärztinnen und -ärzte. Lehner sprach von einem falschen Anreizsystem. Auch von der Gesundheitsreform zeigte er sich mäßig begeistert.

ÖVP und Grüne hatten im Sommer die Finanzierung von 100 zusätzlichen Kassenarztstellen im Ministerrat beschlossen. Dass Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer den Startbonus noch ausweiten will, stößt bei Lehner auf wenig Gegenliebe. „Auch mit 100.000 Euro für 200 Ärzte wird die Idee nicht besser“, sagte Lehner gegenüber der APA an seinen Parteikollegen gerichtet.

Er habe das immer so gesagt und werde das auch weiter tun, so Lehner, der auch Obmann der Selbstständigenkasse SVS ist. Es handle sich um ein falsches Anreizsystem, von außen diktiert und finanziert mit Geld, das den Kassen für die Finanzierung der Spitäler zuvor entnommen worden sei: „Das ist kontraproduktiv und ist genau dieser Eingriff von außen, der verständlicherweise politisch gut klingt, der Sozialversicherung und den Versicherten wahrscheinlich langfristig nicht hilft.“ Gegenüber der ZIB sprach Lehner von einem „Eingriff der Politik“, der das System „nachhaltig gefährdet“.

Lehner: Finanzierung unklar

Unklar ist für Lehner auch, wie das Ausweitungsversprechen Nehammers finanziert werden soll. „Ich habe die letzten Tage nichts in Erfahrung gebracht“, so der SV-Chef: „Wir haben sowohl im Finanzministerium als auch im Gesundheitsministerium nachgefragt, ob es hier schon Finanzierungszusagen gibt. Die gibt es nicht.“

Kritik an Gesundheitsreform

Peter Lehner, in diesem Halbjahr Chef der Konferenz der Sozialversicherungsträger (SV), übt scharfe Kritik am von der Regierung forcierten Startbonus für Kassenärztinnen und -ärzte. Die Gesundheitsreform hält er für mäßig gelungen.

Zahlungen der Kassen an Spitäler einfrieren

Dass die Sozialversicherung nun – wie in der gemeinsam mit dem Finanzausgleich paktierten Gesundheitsreform festgelegt – jährlich 300 Mio. Euro für strukturelle Reformen im niedergelassenen Bereich bekommt (davon rund 51 Mio. Euro für Digitalisierung), bewertete Lehner auch nicht als wirklich positiv.

Man erhalte „ein bisschen Almosen zurück“, während den Kassen viel Geld für die Spitäler der Länder weggenommen werde, ohne dass sie dort mitreden dürften. 7,65 Mrd. Euro seien das 2024 für die Krankenhäuser, was 35 Prozent aller Kassenausgaben entspreche, allein heuer betrage die Steigerung rund 600 Mio. Euro.

Vom Bund erhielten die Länder nun weitere 600 Millionen über den Finanzausgleich, und das bei reduzierter Leistungserbringung und sinkenden Betten- und Operationszahlen. Im niedergelassenen Bereich stiegen hingegen die Patienten- und Konsultationszahlen stetig. Lehner würde deshalb gerne die Zahlungen der Kassen an die Spitäler einfrieren.

„Mäßig zufrieden“ mit Gesundheitsreform

„Persönlich bin ich mäßig zufrieden bis gar nicht zufrieden“, sagte Lehner über den Finanzausgleich. Die Sozialversicherung habe hier eine Stärkung des niedergelassenen Bereichs verlangt, und dazu mehr Transparenz im System. Beides könne er im nunmehrigen Ergebnis nicht erkennen.

Angesichts der Krisensignale im Gesundheitssystem mit fehlendem Personal und langen Wartezeiten auf Termine und Operationen plädierte Lehner auch für eine Stärkung einerseits der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung, andererseits aber auch des Bewusstseins für die Leistungsinanspruchnahme.

SV-Chef Peter Lehner
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SV-Chef Lehner forderte eine bessere Steuerung der Patientenströme

„Und vor allem wird es eine Steuerung geben müssen, die nicht wegen jeder Kleinigkeit in die Spitzenmedizin führt.“ Das sei unausweichlich und diese Wahrheit auch den Menschen zumutbar. „Wir müssen die Dinge auf das Wesentliche, das Notwendige, auf das, was auch im ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, Anm.) steht, reduzieren.“ Seine eigene SVS sieht er als Vorreiter, auch was die Verträge mit Ärztinnen und Ärzten betrifft.

Zudem brauche es wie in Skandinavien ein Case Management, das vor allem chronisch kranke Patientinnen und Patienten durch das System leite. Ob das die Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner oder auch Community Nurses übernehmen, will Lehner offen lassen. Jedenfalls brauche es Digitalisierung und Transparenz, damit Diagnosen und Befunddaten immer zur Verfügung stünden.

„Patientenmilliarde war Marketingidee“

Die zuletzt wieder in Diskussion stehende Kassenreform unter Türkis-Blau verteidigte Lehner. „Wir werden und können in allen Bereichen nachweisen, dass die Effizienz der Sozialversicherung durch Reform gestiegen und nicht schlechter geworden ist“, sagte er.

Nur die damals versprochene Patientenmilliarde, „das war ein falsches Versprechen“, kritisierte der Chef des Dachverbands: „Das war halt eine Marketingidee, und die Marketingidee, die ist klar nach hinten losgegangen und war auch nicht plausibel.“

Ärztekammer: Subvention allein nicht nachhaltig

Der Startbonus hatte zuletzt auch bei der Ärztekammer Fragen aufgeworfen. Die Kammer begrüße die Schaffung neuer Kassenstellen, die „bloße Subvention“ neuer Stellen sei aber „keine nachhaltige Lösung“. Details zur genauen Umsetzung – etwa zu Vergabekriterien – würden fehlen, hieß es.