Blick auf Downtown Jakarta
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Wahl in Indonesien

Weichenstellung für drittgrößte Demokratie

In Indonesien steht die noch relativ junge Demokratie auf dem Prüfstand. Am Mittwoch wurden Präsident, Vizepräsident, Parlament und Regionalvertretungen neu gewählt. Drei Präsidentschaftskandidaten standen zur Wahl, als Favorit galt Verteidigungsminister Prabowo Subianto, ein Ex-General mit umstrittener Vergangenheit. Das Land hat in den letzten Jahren einen beachtlichen demokratischen und wirtschaftlichen Wandel vollzogen – aber die Vergangenheit hallt noch nach.

Indonesien ist gemessen an seiner Bevölkerung das viertgrößte Land der Welt mit rund 275 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, das mit dem größten muslimischen Bevölkerungsanteil und die drittgrößte Demokratie der Welt. Das Staatsgebiet erstreckt sich entlang des Äquators über mehr als 5.000 Kilometer und 17.000 Inseln, nur etwas mehr als ein Drittel davon ist bewohnt.

Bis 1949 war das Land eine niederländische Kolonie, nach dem Ende der 32 Jahre dauernden Ära des autoritär herrschenden Präsidenten Suharto 1998 begann der Übergang zur Demokratie, der Präsident wird erst seit 2004 direkt vom Volk gewählt. Seit 2014 war der populäre Joko Widodo („Jokowi“) Staatschef, er darf laut Verfassung nicht für eine dritte Amtszeit kandidieren.

Drei sehr unterschiedliche Kandidaten

Zur Wahl standen die gesamte Legislative vom Präsidenten abwärts, der Vizepräsident, das Parlament (MPR-RI) mit seinen zwei Kammern sowie Regierungsorgane auf regionaler Ebene. Die Wahllokale schlossen um 13.00 Uhr Ortszeit (7.00 Uhr MEZ), ein offizielles Ergebnis soll erst Ende März verkündet werden. Rund 205 Millionen Menschen waren wahlberechtigt. Laut Rechnung von „Guardian“ und „New York Times“ sind 50 Prozent davon zwischen 17 und 40 Jahre alt, ein Drittel ist jünger als 30 Jahre.

Indonesiens Präsidentschaftskandidaten Prabowo Subianto, Anies Baswedan und Ganjar Pranowo während einer TV-Debatte
Reuters/Willy Kurniawan
Anies Baswedan, Prabowo Subianto und Ganjar Pranowo während einer TV-Debatte

Der Präsidentschaftswahl stellten sich neben dem 72-jährigen Ex-Militär der frühere Universitätsprofessor, politische Aktivist und Gouverneur der Region Jakarta bis 2022, Anies Baswedan (54), und Ganjar Pranowo (55), Gouverneur der Provinz Zentraljava bis 2023. Prabowo Subianto und Anies Baswedan kommen aus dem nationalistischen Lager (Gerindra bzw. PDI-P), Ganjar Pranowo ist ein unabhängiger Kandidat. Laut letzten Umfragen lag Prabowo Subianto bei rund 50 Prozent der Stimmen, seine beiden Herausforderer erreichten 20 bis 25 Prozent.

Übersiedelung einer Millionenmetropole

Anies Baswedan nannte der britische „Guardian“ die „Antithese“ zum regierenden Präsidenten. Er will das Monsterprojekt der neuen Retortenhauptstadt Nusantara im indonesischen Teil Borneos (Kalimantan) nicht weiterverfolgen. Die Hauptstadt soll laut aktuellen Plänen von der Metropole Jakarta mit über zehn Millionen Einwohnern, deren Niveau stetig unter den Meeresspiegel absinkt, auf Borneo übersiedeln. Jakarta liegt auf der Hauptinsel Java. Kritiker unterstellten dem früheren Gouverneur Jakartas eine Nähe zu islamischen Hardlinern.

Baustelle in der indonesischen Provinz Kalimantan, wo die neue Hauptstadt Nusantara gebaut werden soll
Reuters/Willy Kurniawan
Großbaustelle für die Retortenhauptstadt Nusantara

Ganjar Pranowo schließlich kommt aus derselben Demokratischen Partei Indonesiens – Kampf (PDI-P) wie der scheidende Präsident, er gebe sich als der Mann aus dem Volk, schrieb der „Guardian“, und sei intensiv persönlich auf die Wähler zugegangen. Kritik an ihm in seiner Zeit als Gouverneur wurde wegen eines umstrittenen Bergbauprojekts laut. Über Prabowo Subianto schrieb die britische Zeitung, dieser versinnbildliche mit seiner Vergangenheit geradezu die dunkle Ära Suhartos, der diktatorisch herrschte.

Die Last der Vergangenheit

Prabowo Subianto ging mit dieser Last der Vergangenheit in die Wahl. Dem früheren Generalleutnant der indonesischen Armee, bis zum Rücktritt Suhartos Kommandierender der Spezialeinheit Kopassus und noch dazu dessen Schwiegersohn, wird die Verantwortung für schwere Menschenrechtsverletzungen in seiner Dienstzeit im Militär vorgeworfen. Er bestreitet sie. Seit 2019 und einer Niederlage (der zweiten nach 2014) im Präsidentschaftswahlkampf gegen „Jokowi“ ist er Verteidigungsminister. Er hatte nun sogar die Unterstützung des amtierenden Präsidenten. Unruhen wie während des Wahlkampfs 2019 blieben diesmal aus.

Prabowo Subianto
Reuters
Prabowo Subiantons Vergangenheit ist belastet

Der Ex-General war in seinem Wahlkampf, der sehr stark über soziale Netzwerke ausgetragen wurde, vehement um einen Imagewandel bemüht. Der britische „Economist“ nannte die Kurzvideoplattform TikTok eine maßgebliche Arena für Prabowo Subiantos Wahlkampf. Dort und auf Instagram zeigte sich dieser tanzend und mit seinen Katzen, als „nette Großvaterfigur“. Den jungen Wählern gefalle das, seine Vergangenheit kannten sie nicht – oder sie interessiert sie schlicht nicht.

In Wahlkampfdebatten präsentierte er sich als Garant für Kontinuität und die Fortsetzung des politischen Kurses des scheidenden Präsidenten. Der sah bisher so aus: aktiv als Regionalmacht in Südostasien, aber ohne an Konflikte der Supermächte anzustreifen. Innenpolitisch ist die demokratische und wirtschaftliche Entwicklung des Schwellenlandes ein ständiges Thema. Indonesien ist reich an Rohstoffen, vor allem China ist ein bedeutender Investor.

Schatten auch über „Jokowi“

Gleichfalls der „Economist“ nannte Joko Widodos Ausscheiden aus dem Präsidentenamt „unrühmlich“. Er werde zum Königsmacher für den „umstrittenen General“ und scheide mit weniger Glaubwürdigkeit aus dem Amt als mit jener, mit der er seine Funktion angetreten habe. Es gab mehrere Korruptionsskandale im Umfeld der Regierung, nun wurde „Jokowi“ vorgeworfen, für seinen früheren Rivalen Wahlkampf zu betreiben.

Indonesischer Präsident Joko Widodo
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Auch Joko Widodo musste sich Kritik gefallen lassen

Auf Kritik stieß aber vor allem, dass sein ältester Sohn Gibran Rakabuming Raka (36), ein Geschäftsmann und Bürgermeister von Surakarta (Solo) auf Java, als Vizepräsidentschaftskandidat mit Prabowo Subianto ins Rennen ging – möglich war das nur durch eine gleichfalls umstrittene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs des Landes, an dem ein Schwager des bisherigen Präsidenten Richter ist.

Damit waren auch Bedenken gegen die Rückkehr politischer Dynastien wieder auf dem Tisch. „Jokowi“ war seinerseits ohne Unterstützung der „alten politischen Eliten“ angetreten, analysierte die BBC im Vorfeld der Wahl, jetzt allerdings hallten erneut die „unbehaglichen Echos der Ära Suharto“ nach.

Das „unmögliche“ Land

Nach schweren Unruhen, getrieben von einer Finanz- und Wirtschaftskrise in Südostasien und dem Rücktritt Suhartos im Mai 1998, hatte es Befürchtungen gegeben, der weltweit größte Inselstaat könnte auseinanderbrechen. Die BBC nannte Indonesien ein „unmögliches Land“ („impossible country“) – „unmöglich“ dahingehend, dass es trotz seiner großen sprachlichen, religiösen, ethnischen Heterogenität und „kaleidoskopischen“ politischen Landschaft funktioniere.

Dieses „Funktionieren“ soll allerdings nicht über Konflikte in den letzten Jahrzehnten hinwegtäuschen: islamistische Anschläge, die bewaffneten Auseinandersetzungen in Aceh auf Sumatra, Osttimor und Papua Barat (Westpapua). Dennoch, so die BBC-Analyse, habe Indonesien eine bemerkenswerte Stabilität beweisen. Nach Suharto gab es vier Präsidenten und eine Präsidentin, bis 2004 war das die Tochter des ersten Präsidenten Sukarno, Megawati Sukarnoputri. Dann folgten zwei erstmals direkt gewählte Staatsoberhäupter, zuletzt der populäre „Jokowi“. Mit der Wahl teste das Land nun seine „hart erkämpfte Demokratie“.