Sicherheitspersonal neben Wahllokal in Quetta, Pakistan
APA/AFP/Banaras Khan
Parlamentswahl

Aufgeheizte Stimmung in Pakistan

Die Bevölkerung Pakistans hat am Donnerstag ein neues Parlament gewählt. Die Stimmung in der Atommacht ist von politischen Krisen aufgeheizt. Die Opposition in dem Land mit mehr als 240 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist nach der Verurteilung des Ex-Premiers, der Kricketlegende Imran Khan, und dem richterlichen Verbot ihres Symbols auf den Wahlzetteln mehr als geschwächt. Die Sorge vor unfreien Wahlen geht um. Am Wahltag kam es wie bereits im Vorfeld zu Anschlägen mit Toten.

Die Wahllokale schlossen um 17.00 Uhr Ortszeit (13.00 Uhr MEZ), rund 130 Millionen Wahlberechtigte konnten abstimmen. Khan, der mit seiner Partei Tehreek-e-Insaf (PTI) die Parlamentswahl 2018 gewonnen hatte, wurde im April 2022 durch ein Misstrauensvotum gestürzt. Aktuell sitzt der Ex-Premier im Gefängnis.

Der Wahlfavorit, der dreifache Premier Nawaz Sharif von der Pakistan Muslimliga (PML-N), war erst im Herbst 2023 aus dem Exil zurückgekehrt, ein Freispruch von alten Korruptionsvorwürfen ebnete den Weg für seine Kandidatur. Als Außenseiter als wichtigster Kontrahent Sharifs gilt der 35-jährige Oxford-Absolvent und frühere Außenminister Bhutto Zardari mit seiner Pakistanischen Volkspartei (PPP).

Nawaz Sharif von der Pakistan Muslimliga
APA/AFP/Arif Ali
Die Muslimliga mit ihrem Spitzenkandidaten, dem ehemalige Premier Nawaz Sharif, gilt als Favorit des Urnenganges

Hoher Grad an Unzufriedenheit

Vor allem die schwere Wirtschaftskrise mit hoher Inflation sorgt für Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Laut einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup beklagten im Herbst vergangenen Jahres 70 Prozent der Befragten eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage – der höchste Wert seit Beginn der Gallup-Erhebungen im Jahr 2007. Fast 50 Prozent der Befragten gaben zudem an, mit ihrem Einkommen nur „sehr schwer“ über die Runden zu kommen. Der Grad der Unzufriedenheit ist hoch.

Bhutto Zardari (Pakistanische Volkspartei)
Reuters/Akhtar Soomro
Bhutto Zardari, Chef der Pakistanischen Volkspartei

Das Internet und die Mobilfunkdienste sind laut einer Organisation in zahlreichen Regionen während des Urnenganges gestört. Daten in Echtzeit zeigten die Internet-Blackouts in mehreren Landesteilen, schrieb die Organisation NetBlocks, die für die Beobachtung von Internetsperren bekannt ist, auf X (Twitter) am Donnerstag. Die Sperren folgten „nach monatelanger digitaler Zensur, die sich gegen die politische Opposition richtete“.

Khan: Drei Verurteilungen binnen einer Woche

Seit Monaten sorgen sich Fachleute und Menschenrechtler und -rechtlerinnen in dem Land über unfreie Wahlen, nachdem Pakistans Justiz die Opposition weitgehend demontiert hat. Der in der Bevölkerung immer noch beliebte Khan wurde am Wochenende mit seiner Ehefrau Bushra Bibi auch wegen Verstoßes gegen die muslimischen Ehegesetze zu jeweils sieben Jahren Haft verurteilt – es war die dritte Verurteilung für Khan innerhalb einer Woche.

Symbolträchtige Wahl in Pakistan

In Pakistan sind rund 130 Millionen Menschen dazu aufgefordert, ein neues Parlament zu wählen. Nach der Verurteilung des Ex-Premiers Imran Khan und dem richterlichen Verbot dessen Parteisymbols, eines Kricketschlägers, stehen die Chancen für die Opposition auf einen Wahlsieg eher schlecht.

Der Vorsitzende von Khans PTI, Barrister Gohar Khan, bezeichnete die Entscheidung als „schamlosen Fall von politischer Schikane“. Das Urteil werde vor einem höheren Gericht angefochten werden, kündigte er vor Journalisten an. Es handle sich um den Versuch eines Rufmordes.

Khan sieht Militär hinter „Verschwörung“

Wenige Tage zuvor hatte ein anderes Gericht Khan und seine Frau zu jeweils 14 Jahren Haft verurteilt. Die Justiz warf dem Oppositionspolitiker vor, in seiner Zeit als Premierminister von 2018 bis 2022 Einnahmen aus dem Verkauf von Staatsgeschenken verborgen zu haben. In einem anderen Fall, bei dem es um die Weitergabe vertraulicher diplomatischer Informationen geht, wurden Khan und sein ehemaliger Außenminister zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Pakistans Ex-Premier Imran Khan
Reuters/Akhtar Soomro
Der verurteilte und inhaftierte ehemalige Premier Imran Khan bei einem Interview 2023

Khan sieht sich als Opfer einer politischen Verschwörung und macht das mächtige Militär dafür verantwortlich. Seit der Staatsgründung 1947 kommt es immer wieder zu Unruhen und Instabilität und der Absetzung von Premierministern, wie etwa die von Khan im Jahr 2022. Mehr als die Hälfte dieser Zeit regierte das Militär in dem zwischen Afghanistan und Indien liegenden Land.

Oberster Gerichtshof untersagte PTI-Symbole

Auch ein weiteres Urteil schwächte die Opposition: Mitglieder von Khans PTI dürfen nach einem Urteil des obersten Gerichts nur als unabhängige Kandidaten antreten. Pakistans Oberster Gerichtshof untersagten der PTI die Nutzung ihrer Parteisymbole auf den Wahlzetteln, wie das oberste Gericht am Samstag verkündete.

Hunderte PTI-Politiker müssen daher nun folglich als unabhängige Kandidaten antreten. Parteimitglieder verurteilten die Entscheidung. Ein enger Vertrauter des früheren Premierministers sprach nun gar von „Scheinwahlen“ in der Atommacht.

Wahlplakte in den Straßen von Lahore, Pakistan
Reuters//Navesh Chitrakar
Wahlplakate in einer Straße von Lahore

Zardari warnt vor gesellschaftlicher Spaltung

Wenige Tage vor der Parlamentswahl warben Spitzenpolitiker der großen Parteien in der Schlussphase des Wahlkampfes vor Tausenden Menschen um deren Stimmen. In der touristischen Region Murree unweit der Hauptstadt Islamabad attackierte Sharif die Regierung des verurteilten und inhaftierten Khan. „Ich verspreche, dass wir das Land wieder aufbauen und die guten Zeiten zurückbringen werden“, sagte der Spitzenkandidat der PML-N vor rund 10.000 Teilnehmern.

In der südlichen Hafenmetropole Karachi warnte der Chef der PPP, Zardari, bei seiner Wahlveranstaltung vor gesellschaftlicher Spaltung. Bei ihren Wahlkampfreden mieden die Politiker jedoch andere drängende Themen – vor allem jene, die zu einer Auseinandersetzung mit dem mächtigen Militär in dem Land führen könnten, etwa eine zunehmende Verschlechterung der Sicherheitslage in Teilen des Landes.

Tote am Wahltag

Am Wahltag wurden bei Angriffen auf Sicherheitskräfte nach Behördenangaben mindestens fünf Polizisten getötet. Vier von ihnen seien im Bezirk Dera Ismail Khan im Nordwesten des Landes bei einem Bombenanschlag und beim Beschuss eines Polizeifahrzeuges ums Leben gekommen, teilte der örtliche Polizeichef am Donnerstag mit.

Etwa 40 Kilometer weiter nördlich in Tank sei ein Polizist getötet worden, als auf sein Fahrzeug geschossen worden sei. Auch aus verschiedenen Teilen Belutschistans wurden Angriffe mit Granaten berichtet, den Sicherheitskräften zufolge gab es aber keine Opfer.

Bereits am Mittwoch waren bei zwei Explosionen in der südwestlichen Provinz Belutschistan in der Nähe von Büros von Kandidaten mindestens 26 Menschen ums Leben gekommen. Zu den Anschlägen bekannte sich der radikale Islamische Staat. Das schürte die Angst vor weiteren Anschlägen.