Mais in einem Maisfeld
Getty Images/iStockphoto/Feellife
EU-Parlament

Regeln für Gentechnik sollen lockerer werden

Mitten während der sich weiter ausbreitenden Bauernproteste in Europa haben geplante Lockerungen bei neuer Gentechnik eine wichtige Hürde genommen. Eine Mehrheit aus Konservativen, Liberalen und Rechten stimmte am Mittwoch im Europaparlament für den Vorschlag der Kommission, mit dem gentechnisch veränderte Sorten schneller auf den Markt kommen sollen. In Österreich ist die Ablehnung groß.

Die Zulassung gentechnisch veränderter Sorten soll mit dem Gesetz nun deutlich vereinfacht werden. Aufwendige Umweltrisikoprüfungen sollen wegfallen, ausgenommen von den Plänen ist der Bioanbau. Greenpeace kritisierte jedoch, die neuen Sorten könnten auch auf Felder von Bauern gelangen, die selbst keine genetisch veränderten Pflanzen anbauen wollen.

Bisher müssen genetisch veränderte Sorten vor einer Zulassung umfangreich auf mögliche Risiken für die Umwelt geprüft werden. Befürworterinnen und Befürworter erhoffen sich durch die neuen Verfahren Pflanzensorten, die sich besser an klimatische Veränderungen anpassen können, weniger Wasser benötigen und resistenter gegenüber Krankheiten sind. Zudem sollen schneller neue Sorten auf den Markt kommen.

Verbraucherschutzorganisationen hatten hingegen gewarnt, die Menschen müssten selbst entscheiden können, ob sie Produkte mit Gentechnik kaufen. In Deutschland hatten Anfang Jänner mehrere große Unternehmen aus der Lebensmittelwirtschaft in einem offenen Brief gegen die Vorschläge der EU-Kommission protestiert.

Nicht vollständig nachgekommen sind die Abgeordneten dem Plan der Kommission bei der Kennzeichnung. Der ursprüngliche Vorschlag hatte vorgesehen, dass beim Einsatz „neuer genomischer Verfahren“ (NGT) nur noch das Saatgut gekennzeichnet werden muss. Das Parlament stimmte aber mehrheitlich für einen Änderungsantrag von Sozialdemokraten und Grünen, nach dem auch die Produkte aus gentechnisch veränderten Pflanzen ein Etikett mit der Angabe „neue genomische Verfahren“ tragen sollen.

Nur Gamon dafür

In Österreich ist der Widerstand groß. 307 EU-Parlamentarier stimmten dafür, 263 dagegen und 41 enthielten sich. Österreichs EU-Abgeordnete lehnten das Vorhaben mehrheitlich ab. Einzig die NEOS-Abgeordnete Claudia Gamon stimmte für den Text.

Gene und Technik

Grundsätzlich hat die Manipulation von Nutzpflanzen Tradition. Ins Genom der Pflanzen wird etwa eingegriffen, indem etwa die ertragreichsten wieder ausgesät werden. Bei der neuen Gentechnik geht es vor allem um die Genschere. Sie steuert gezielt Gene an, die für eine bestimmte Eigenschaft verantwortlich sind. Dadurch entstehen Veränderungen im Erbgut, die auch auf natürliche Weise auftreten können.

Die ÖVP- und FPÖ-Parlamentarier waren mit ihrem Nein zudem klar in der Minderheit in ihren jeweiligen EU-Fraktionen. „Wir wollen, dass die Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) bleibt und dass Bioprodukte auch weiterhin frei von genetisch veränderten Organismen bleiben können“, sagte der EU-Abgeordnete Alexander Bernhuber (ÖVP) noch vor der Abstimmung.

„Durch den heutigen Entschluss machen wir den Weg frei für Gentechnik durch die Hintertür“, kritisierte der SPÖ-Mandatar Günther Sidl. „Eine umfassende Risikobewertung der gentechnisch veränderten Lebensmittel und eine Folgenabschätzung für möglicherweise betroffene Ökosysteme sollen künftig nicht mehr verpflichtend sein“, meinte er mit Blick auf die Parlamentsposition. Der FPÖ-Abgeordnete Roman Haider kritisierte im Vorfeld der Abstimmung bereits, dass für EU-Staaten wie Österreich nicht die Möglichkeit vorgesehen wäre, weiterhin Gentechnik zu verbieten.

Desaster „mit Silberstreif“

Die grüne EU-Abgeordnete Sarah Wiener sprach nach der Abstimmung von einem „Desaster für Landwirtschaft, Umwelt und Essende“. Die Abstimmung sei besonders für Konsumentinnen und Konsumenten „und die österreichische gentechnikfreie Landwirtschaft eine schlechte Nachricht“, so auch ihr Parteikollege Thomas Waitz.

Regeln für Gentechnik sollen lockerer werden

Das EU-Parlament stimmte am Mittwoch dem Vorschlag der Kommission für Lockerungen bei neuer Gentechnik zu.

Für die Umwelt-NGO Global 2000 ist der Ausgang der Abstimmung ein „großer Rückschritt für die Umwelt und das EU-Vorsorgeprinzip": “Minimale Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit sind ein Silberstreif am Horizont inmitten einer desaströsen Abstimmung“, so Gentechniksprecherin Brigitte Reisenberger.

Gesetz wird noch dauern

Die Abgeordneten stimmten außerdem für eine Klausel, nach der es keine Patente auf Sorten aus neuen Gentechniken geben soll. Die Abgeordneten befürchten, dass sich große Agrarkonzerne mögliche Patente sichern könnten, mittelständische Saatguthersteller könnten leer ausgehen. Für die geforderte Patentregelung brauchte es allerdings einen neuen Vorschlag der EU-Kommission, eine Klausel im aktuell diskutierten Gesetz reicht nicht aus.

Das EU-Parlament ist mit der Abstimmung vom Mittwoch bereit für Verhandlungen mit dem Rat der EU-Staaten – die Gegenseite aber nicht: Die zuständigen EU-Agrarministerinnen und -minister konnten bisher noch keinen gemeinsamen Standpunkt finden. Die Verhandlungen im Rat stocken allerdings, und ob es der belgischen EU-Ratspräsidentschaft gelingt, eine rasche Einigung zu erzielen, ist unklar.

Das Gesetz wird deshalb nicht mehr vor der Europawahl Anfang Juni erwartet. Dabei kommt es entscheidend darauf an, welche Mehrheitsverhältnisse es nach der Wahl gibt. Mehrere österreichischen EU-Abgeordneten drückten bei einem Pressegespräch am Dienstag ihre Hoffnung aus, dass der Rat eine allzu starke Lockerung der Gentechnikregeln noch verhindern kann.

Zugeständnisse an Bauern

Der Agrarsektor dürfte – zumindest außerhalb Österreichs – erfreut sein über die Aussicht auf leichtere Zulassungen. Die neuen Techniken könnten „dabei helfen, die aktuellen Herausforderungen durch den Klimawandel besser zu bewältigen“, so etwa der Deutsche Bauernverband.

Die EU-Kommission ist zuletzt auch angesichts der baldigen EU-Wahl den Bäuerinnen und Bauern stark entgegengekommen. Im endgültigen Entwurf zum neuen Klimaziel etwa fehlte der ursprünglich geplante Passus einer Reduktion der Nicht-CO2-Emissionen in der Landwirtschaft. Auch kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an, sie wolle den Vorschlag für ein Umweltschutzgesetz gegen hohen Pestizideinsatz zurückziehen.

Landwirte blockieren nördlich von Barcelona (Spanien) eine Autobahn mit Traktoren
APA/AFP/Pau Barrena
Am Mittwoch blockierten Bauern die Zufahrtsstraßen nach Barcelona

In Frankreich hatten die Zugeständnisse der Regierung dazu geführt, dass die Bäuerinnen und Bauern ihren Großprotest einstellten. Auch in Deutschland und Italien konnten die Bauern durch politisches Entgegenkommen besänftigt werden. Doch andernorts fangen diese gerade erst an. Hotspot ist derzeit Spanien: Hier behinderten am Mittwoch den zweiten Tag in Folge die Bauern den Verkehr in vielen Landesteilen durch Langsamfahrten und Straßenblockaden. In Barcelona waren rund 1.000 Traktoren unterwegs, um für höhere Einkommen und bessere Arbeitsbedingungen zu demonstrieren. Spanien gilt als Obst- und Gemüsegarten Europas.

Unterschiedliche Probleme in Ländern

Für die Lage der Landwirtschaft machen die Bauern vor allem die EU-Agrarpolitik verantwortlich. Für EU-Agrarhilfen seien die bürokratischen Hürden zu hoch, Umweltauflagen kaum zu erfüllen, Agrarimporte aus Ländern mit niedrigeren Standards eine unfaire Konkurrenz und die Preise für ihre Erzeugnisse zu niedrig. Zudem fordern sie die Beibehaltung der Steuerermäßigung für Agrardiesel. In Teilen Kataloniens und Andalusiens sind Bauern zudem erzürnt, weil sie wegen der schweren Dürre 80 Prozent Wasser einsparen müssen.

Auch in Bulgarien wurden die landesweiten Bauernproteste am Mittwoch mit Verkehrsblockaden fortgesetzt. Die Agrarverbände fordern einen Ausgleich für billigere ukrainische Importe. Landwirte blockierten mit ihren Maschinen für etwa drei Stunden wichtige Verkehrsknotenpunkte sowie wichtige Straßen.