Demonstranten vor dem Supreme Court mit einem Transparent „Remove Trump“
AP/Manuel Balce Ceneta
Trump-Ausschluss?

US-Höchstgericht bei Anhörung skeptisch

Im Rennen um das Weiße Haus richtet sich seit Donnerstag der Fokus auf das US-Höchstgericht in Washington und die Frage, ob Ex-Präsident Donald Trump wegen seiner Rolle beim Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner 2021 von den republikanischen Vorwahlen ausgeschlossen werden kann. Das Verfahren ist mit Blick auf Trumps Favoritenrolle bei den Republikanern für die im Herbst anstehende Präsidentschaftswahl hochbrisant – dass sich die US-Höchstrichter für einen Ausschluss entscheiden, erscheint allerdings fraglich.

Zum Auftakt stand am Donnerstag für die neun Richterinnen und Richter in Washington die erste Anhörung beider Seiten des Verfahrens auf dem Programm. Vor dem Supreme-Court-Gebäude bezogen bereits Stunden vor der Anhörung etliche TV-Teams Aufstellung. Eine Gruppe von Trump-Gegnern und -Gegnerinnen entrollte eine riesiges Transparent mit der Aufschrift „Entfernt Trump“.

Bei der Anhörung stellte sich Trumps Rechtsanwalt Jonathan Mitchell den Fragen der Höchstrichter. Trump selbst kam nicht zur Anhörung, sondern reiste nach Nevada, wo für ihn am Donnerstag die nächste und dann wie erwartet klar gewonnene Vorwahl anstand. In einem Interview habe sich Trump aber zuversichtlich gezeigt, dass das US-Höchstgericht zu seinen Gunsten stimmen werde, wie US-Medien im Vorfeld der Anhörung berichteten.

Und auch das oberste US-Gericht äußerte sich in der Folge skeptisch über die Entscheidung des US-Bundesstaates Colorado, den führenden republikanischen Kandidaten von der Vorwahl auszuschließen. Konservative wie auch liberale Richter äußerten sich bei der Anhörung vielmehr besorgt, dass dann einzelne Staaten schwerwiegende Eingriffe in die Bundeswahlen vornehmen könnten.

Von Colorado von Vorwahl ausgeschlossen

Jason Murray trat im Namen der Wählerinnen und Wähler des US-Bundesstaates Colorado vor das Höchstrichtergremium und verteidigte wie in der Folge auch die Generalstaatsanwältin von Colorado, Shannon Stevenson, die zuvor von Mitchell infrage gestellte Zuständigkeiten des US-Bundesstaates in dieser Causa. Laut Stevenson habe Colorado sehr wohl die Befugnis, einen Kandidaten von einer Wahl auszuschließen.

Das Höchstgericht von Colorado hatte im Dezember gegen eine Kandidatur von Ex-Präsident Trump entschieden. Dessen Anwälte legten Berufung ein, womit es nun am Supreme Court liegt, über den Fortgang der Präsidentenwahlen in den USA zu entscheiden. Wann dieser sein Urteil fällen wird, ist offen. Das US-Höchstgericht könne, wenn es nötig ist, außerordentlich schnell handeln, so die „Washington Post“, wonach ein Urteil allerdings wohl erst „in Wochen – nicht in Tagen“ anstehen könnte. Bis dahin bleibt Trump auch in Colorado auf den Wahlzetteln.

14. Zusatzartikel, Abschnitt drei

In der Verfassung der USA ist geregelt, wer Präsident werden kann. Die Person muss gebürtiger Staatsbürger sein, mindestens 35 Jahre alt und für mindestens 14 Jahre in den USA gelebt haben. Dazu kommt das Aufstandsverbot im 14. Verfassungszusatz, Abschnitt drei, mit dem in Colorado Trumps Ausschluss begründet wurde. Es besagt sinngemäß, dass niemand ein höheres Amt im Staat bekleiden darf, der sich zuvor als Amtsträger an einer Auflehung gegen den Staat beteiligt hat.

Eine ähnliche Entscheidung wie in Colorado fällte auch die oberste Wahlaufseherin in Maine. Unter anderem in Michigan und Minnesota scheiterten dagegen Versuche, Trump zu disqualifizieren. Anderswo laufen noch entsprechende Klagen.

Wie die Ereignisse vom 6. Jänner 2021 einordnen?

Im Fall um Trumps Eignung als Präsident gibt mehrere Fragen zu klären. Dazu zählt, ob die Aufstandsklausel in der Verfassung für Präsidenten gilt. Zwar werden in der Passage einige Beispiele für solche höheren Ämter genannt, nicht explizit aufgeführt ist aber das Amt des Präsidenten. Zudem muss geklärt werden, ob der Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner 2021 als Aufstand zu werten ist.

Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner 2021
Reuters/Leah Millis
US-Höchstgericht entscheidet über Trumps Rolle beim Sturm auf das Kapitol

Trumps Anhänger hatten damals den Parlamentssitz in Washington gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Joe Biden über den Amtsinhaber Trump bei der Präsidentenwahl formal zu bestätigen. Trump hatte seine Anhänger zuvor bei einer Rede aufgewiegelt. Sollte dieses Ereignis als Aufstand gewertet werden, müsste auch geklärt werden, ob Trump sich daran beteiligt hat. Wie sich am Donnerstag herausstellte, kommt dazu offenbar auch die Frage, wie viel Gewicht die Entscheidung aus einem einzelnen Bundesstaat hat.

Trumps Verteidigungsstrategie

Trump-Anwalt Mitchell verdeutlichte bei der Anhörung seine Forderung, dass sein Mandant nicht vom höchsten Amt im Staat disqualifiziert werden dürfe. Die Aufstandsklausel beziehe sich nur auf ernannte und nicht gewählte Amtsträger wie Präsidenten, argumentierte er. Laut Mitchell sei die Entscheidung in Colorado, Trump vom Wahlzettel zu streichen, aber auch unzulässig, da es dazu zuvor keine ausdrückliche Befugnis vom US-Kongress gegeben habe.

Auch die Höchstrichter sehen einen Ausschluss Trumps „skeptisch“, wie etwa die „New York Times“ („NYT“) nach der Anhörung festhielt. Auch Beobachter anderer US-Medien orteten bei der Anhörung Indizien, wonach das Colorado-Urteil vom Supreme Court kassiert werden könnte. „Die Richter schienen besorgt darüber zu sein, dass ein einzelner Staat den gesamten Präsidentschaftswahlprozess beeinflussen könnte“, zitierte etwa CNN den Rechstexperten Derek Muller von der Notre Dame Law School.

Aaron Tang von der Stanford Universität in Kalifornien stellte gegenüber der dpa auch ein „technisches Urteil“ in den Raum, bei dem der Supreme Court die zentralen Fragen „umschiffen“ könnte, um sich nicht politisch angreifbar zu machen. Auch die „Financial Times“ („FT“) spekulierte im Vorfeld damit, „dass der Supreme Court einen Weg finden wird, einer eindeutigen Entscheidung auszuweichen“.

Drei Richter von Trump besetzt

Trump hatte während seiner Amtszeit die Möglichkeit, gleich drei Richterposten am Supreme Court neu zu besetzen. Nur drei der neun Richterinnen und Richter werden dem liberalen Lager zugeordnet.

Das Gericht hat in dieser Besetzungskonstellation häufig im Sinne religiöser Kläger entschieden, den Schutz von Minderheiten aufgeweicht und etwa das rund 50 Jahre lang geltende Recht auf Abtreibung gekippt. In der Folge hat das Gericht Umfragen zufolge an Zustimmung in der Bevölkerung verloren. Dennoch entschied es nicht immer im Sinne Trumps – etwa als es um die Herausgabe seiner Steuerunterlagen ging.

Grafik zu Justizverfahren rund um Trump
Grafik: APA/ORF; Foto: AFP; Quelle: APA

US-Höchstgericht „vor bisher größten Bewährungsprobe“

US-Medienberichten zufolge könnte für das US-Höchstgericht bereits in Kürze ein weiterer Trump-Fall anstehen. Hintergrund ist der erst am Dienstag von einem Bundesberufungsgericht in Washington zurückgewiesene Antrag Trumps auf Immunität vor Strafverfolgung.

Trump ist in Washington im Zusammenhang mit versuchtem Wahlbetrug angeklagt. Seine Anwälte wollen, dass die Anklage fallen gelassen wird, und berufen sich dabei auf die Immunität Trumps in seinem damaligen Amt als Präsident. Entscheiden soll auch das nun das Höchstgericht der USA. Somit habe man es mit gleich zwei „bedeutsamen und politisch brisanten Fällen“ zu tun, so CNN.

Viele erinnern in diesem Zusammenhang an den Wahlkrimi im Jahr 2000 zwischen dem Republikaner George W. Bush und dem Demokraten Al Gore. Damals ging es um die Frage, ob die Stimmen im entscheidenden US-Bundesstaat Florida neu ausgezählt werden sollten. Der Supreme Court beendete die Neuauszählung und damit nach den Worten von CNN „eine bittere Nachwahlzeit“ – und Bush wurde durch einen als historisch geltenden Richterspruch Präsident.