Laut vorläufigen Ergebnissen der Wahlkommission vom Samstag landete das Lager der unabhängigen Kandidaten, von denen ein Großteil von Khans Partei PTI unterstützt wurde, mit 99 Sitzen in der Nationalversammlung überraschend vorn. Dahinter lag demnach Sharifs konservative Partei PML-N mit 71 Sitzen.
Khan, der derzeit eine lange Haftstrafe absitzt, wies in einer Botschaft die Ansprüche seines Rivalen zurück und rief seine Anhänger dazu auf, einen Sieg zu feiern, der trotz des seiner Meinung nach harten Vorgehens gegen seine Partei PTI errungen wurde. Khans PTI verkündete am Samstag auch, eine Regierung bilden zu wollen. Sie rief zudem für Sonntag zu friedlichen Protesten auf, sollte bis Samstagabend kein Endergebnis vorliegen.
Sharif wiederum hatte zuvor seine Muslimliga zum Wahlsieger erklärt und Sondierungen zur Bildung einer Koalition angekündigt. Khans Partei PTI war von der Wahl ausgeschlossen.
Angst vor Unruhen
Mit der sich abzeichnenden Ungewissheit über die künftige Regierung Pakistans bekommen Befürchtungen von Beobachterinnen und Beobachtern neue Nahrung, dass dem atomar bewaffneten, wirtschaftlich angeschlagenen Land innenpolitisch unruhige Zeiten bevorstehen.
Sharif war bereits dreimal Ministerpräsident Pakistans. Nach einigen Verwerfungen gilt er inzwischen wieder als Günstling des einflussreichen Militärs. Ende 2023 war er aus dem selbst gewählten Exil in London zurückgekehrt und hatte versprochen, die Wirtschaft des Landes wieder aufzubauen. Aktuell wird das Land von einer Übergangsregierung unter einem parteilosen Ministerpräsidenten geführt.
Langes Warten auf Wahlergebnis
Die Ergebnisse der Wahl vom Donnerstag ließen ungewöhnlich lange auf sich warten. Die Wahlkommission führte das auf Internetprobleme zurück. Die Regierung verwies darauf, dass Mobilfunknetze als Sicherheitsmaßnahme abgeschaltet worden sei.
Der ehemalige Kricketstar Khan sitzt wegen verschiedener Anschuldigungen im Gefängnis. Er war 2022 durch ein Misstrauensvotum abgesetzt worden und wirft dem Militär eine Kampagne gegen sich und seine Partei vor.
Internationale Zweifel an Fairness des Votums
Der britische Außenminister David Cameron erklärte, es gebe ernsthafte Zweifel an der Fairness des Votums. Es sei bedauerlich, dass nicht alle Parteien zugelassen gewesen und juristische Verfahren genutzt worden seien, um einige Politiker an einer Kandidatur zu hindern. Auch die EU und die USA verwiesen auf Hinweise auf Unregelmäßigkeiten, die Verhaftung von Aktivisten und Betrug.
Überraschendes Ergebnis
Der Erfolg der der PTI zugerechneten Kandidaten kam unerwartet, da Pakistans Justiz die Oppositionspartei vor der Wahl weitgehend gelähmt hatte. Mitglieder der PTI durften nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs nur als unabhängige Kandidaten antreten, auch ihr Wahlkampf wurde stark eingeschränkt.
Khans Parteigängerinnen und Parteigänger mussten sich am Ende damit behelfen, dass sie Wahlkampfreden des im Hochsicherheitsgefängnis sitzenden Parteiführers Khan mit Hilfe künstlicher Intelligenz erstellten.
Khan, von 2018 bis zu einem Misstrauensvotum im Frühjahr 2022 Premierminister, wurde unter anderem wegen Korruptionsvorwürfen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Er selbst sieht die Verfahren als politisch motiviert an, um ihn von der Macht fernzuhalten.
336 Sitze, 166 Parteien, 128 Millionen Wahlberechtigte
Für die Parlamentsmehrheit werden 169 Sitze benötigt. Von den 336 Sitzen der Abgeordnetenkammer standen 266 direkt zur Wahl. 60 weitere sind für Frauen und und zehn für religiöse und ethnische Minderheiten reserviert. Zur Wahl standen nach Angaben der Wahlbehörde insgesamt 166 Parteien. Neben dem Parlament wurden auch die Vertreterinnen und Vertreter von vier Provinzversammlungen neu gewählt.
Die Atommacht Pakistan ist mit 240 Millionen Menschen das fünftbevölkerungsreichste Land der Welt. Rund 128 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner waren wahlberechtigt.