Sebastian Kurz, Blümel und Leonore Gewessler, 2021
Reuters/Lisi Niesner
Rechnungshof

Kritik an Medienarbeit der Kurz-Regierung

Der Rechnungshof (RH) hat die Medienarbeit des Bundeskanzleramts sowie des Finanz- und Klimaschutzministeriums der türkis-grünen Regierung unter Sebastian Kurz (ÖVP) zerpflückt. Scharfe Kritik gibt es in dem am Freitag veröffentlichten Bericht nicht nur an hohen Kosten und mangelnder Wirtschaftlichkeit. Entscheidungen seien nicht nachvollziehbar. Auch Politwerbung orten die Prüfer. Scharfe Kritik kam von der Opposition, ÖVP und Finanzministerium wiesen die Kritik zurück.

Insgesamt gaben die Ministerien von 2019 bis 2021 108,02 Mio. Euro für Medienarbeit aus. In diese nun geprüfte Periode fallen auch die beiden Übergangsregierungen nach dem „Ibiza“-Skandal. Der Tenor des Berichts: Trotz des hohen Mitteleinsatzes „war nicht ausreichend gewährleistet, dass die verfassungsrechtlich vorgegebenen Gebarungsgrundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit bei der Medienarbeit beachtet wurden“.

Das Bundeskanzleramt und das Finanzministerium hätten außerdem Schaltpläne für Anzeigen geändert. Für Schaltungen in Medien, inklusive Anzeigenplanung, zogen die Ministerien spezialisierte Schaltagenturen heran. Diese wurden in der Regel über Rahmenvereinbarungen der Bundesbeschaffung GmbH beauftragt.

Schwenk in Richtung „parteinaher Medien“

Eine dieser Rahmenvereinbarungen umfasste für den Zeitraum von April 2021 bis April 2025 ein Volumen von 180 Mio. Euro. Obwohl sich das Volumen damit im Vergleich zur zeitlich davor liegenden Rahmenvereinbarung mehr als versiebenfachte, fehlte eine „sachlich nachvollziehbare Grundlage“ dafür.

RH zerpflückt Medienarbeit der Kurz-Regierung

Der Rechnungshof (RH) hat die Medienarbeit des Bundeskanzleramts sowie des Finanz- und Klimaschutzministeriums der türkis-grünen Regierung unter Sebastian Kurz (ÖVP) zerpflückt.

Die von den Agenturen erstellten Schaltpläne legen fest, in welchen Medien, in welchem Umfang und wann beziehungsweise wie lange eine Kampagne geschaltet wird. Laut Rechnungshof änderte das Bundeskanzleramt diese – unter Mitwirkung der Stabsstelle Medien – in mehreren Fällen ohne weitere Begründung auch zugunsten „parteinaher Medien“.

„Oberösterreichisches Volksblatt“ kommt zum Zug

Im Unterkapitel „Ausgestaltung und Änderung von Schaltplänen“ werden dafür bezüglich Bundeskanzleramt und Finanzministerium auch Beispiele genannt – so heißt es etwa: „Einmal wurde die Wochenzeitschrift Falter gestrichen und die Tageszeitung einer
Partei (Oberösterreichisches Volksblatt) in den Schaltplan aufgenommen“ Zur Erklärung: Das Volksblatt steht in Besitz der Oberösterreichischen Volkspartei.

Weiters, so heißt es im Bericht, war ein von der Agentur „vorgeschlagener Schaltplan mit dem Hinweis ,noch ohne dem (sic!) besprochenen OÖ Volksblatt’ dokumentiert; nachgereicht wurde der ,Kostenplan für die heute besprochene Exxpress Schaltung’“. Gemeint ist hierbei das Onlinemedium Exxpress, herausgegeben von Eva Schütz. Zweimal sei die „Österreichische Bauernzeitung“ ergänzt worden, wie es heißt.

„Heute“ und „Krone“ statt „Presse“ und „Standard“

Auch ist im Rechnungshofbericht von einem Schwenk von einer zur anderen Printtageszeitung zu lesen. So heißt es: „Einmal wurden Schaltungen in den Tageszeitungen Die Presse und Der Standard reduziert und dafür andere Tageszeitungen (Heute und Krone) verstärkt eingeplant“. Und weiter: „Die Magazine des Verlags VGN Medien Holding GmbH wurden einmal ’aus der Planung genommen, dafür das Gesundheitsmagazin der (Tageszeitung) ‚Heute‘ im Oktober inkludiert’.“

Bei der Stabsstelle Medien selbst stellte der Rechnungshof ebenfalls mangelnde aktenmäßige Dokumentation fest, etwa bei der Erstellung einer Broschüre mit Gesundheitsinformationen zu Covid-19 im Juli 2021. Unter anderem war das E-Mail-Postfach der Stabsstelle laut Angaben des Bundeskanzleramts gelöscht worden. Die Stabsstelle Medien wurde Ende 2021 aufgelöst.

Sebastian Kurz und Werner Kogler anlässlich der Regierungsklausur 2020
ORF.at/Roland Winkler
Mit Kurz’ Kanzlerschaft kam die „Message Control“. Doch auch bei Schaltungen in Medien wurde einiges verändert, wie der Rechnungshof festhält.

Keine Begründung geliefert

Auch das Finanzministerium erweiterte mehrere von der Schaltagentur vorgeschlagene Schaltpläne. Es beauftragte zudem nachträgliche Buchungen in Magazinen, für die zunächst kein Budget vorgesehen worden war. Unter diesen Buchungen waren auch solche für parteinahe Medien. Eine Begründung dafür dokumentierte das Finanzministerium nicht.

Kritik gibt es aber auch am grün geführten Klimaschutzministerium. Dieses hatte laut Bericht keine konsolidierten Aufzeichnungen zu den wesentlichen Aufwendungen für die Medienarbeit. Laut Prüfbericht war das vor allem darauf zurückzuführen, dass sich in diesem Ministerium die Verantwortung für die operative Medienarbeit auf mehrere Organisationseinheiten aufteilte. So gab es keinen Gesamtüberblick über den Aufwand für die 71 betriebenen Websites. Für deren Entwicklung, Wartung, Betrieb und redaktionelle Betreuung wurden 36 externe Dienstleister eingesetzt.

Keine strategischen Vorgaben für Medienarbeit

In allen drei Ministerien fehlten laut Rechnungshof klare strategische Vorgaben für die Medienarbeit. Kommunikationsziele, Inhalte, Zielgruppen, Kommunikationskanäle und interne Rollen seien nicht festgelegt worden. Medienkooperationen wurden, teilweise auch bei Auftragswerten über 100.000 Euro, über Direktvergaben beauftragt. Der Bedarf und die Gründe für die Auswahl des jeweiligen Kooperationspartners waren nicht durchgängig dokumentiert.

Aus Sicht des Rechnungshofes sollten die Ministerien nicht nur eine Kommunikationsstrategie erarbeiten. Sie sollten auch Arbeitsabläufe festlegen, vor allem, um den grundsätzlichen Bedarf einer Medienkampagne und -kooperation und um das konkrete Informationsbedürfnis zu ermitteln. Sie sollten Kommunikationsziele und Zielgruppen sowie Arbeitsabläufe für Erfolgskontrollen definieren. Das würde die Nachvollziehbarkeit des Mitteleinsatzes erhöhen.

Bis zu 45 Mio. Euro jährlich für Inserate

Insgesamt gibt die Bundesregierung pro Jahr bis zu 45 Mio. Euro für Inserate aus. Im Vorjahr waren es von Jänner bis September 13,3 Mio. Euro, wie aus der von der APA ausgewerteten Transparenzdatenbank der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) hervorgeht. Zum Vergleich: Die gesamten Inseratenausgaben der öffentlichen Hand – inklusive Ländern und Staatsunternehmen – belaufen sich seit Einführung der Meldepflicht im Jahr 2012 auf 172 bis 225 Mio. Euro jährlich.

Opposition mit harscher Kritik

Kritik kam nach der Veröffentlichung des Berichts umgehend von der Opposition. Das festgestellte Ausmaß der Kosten sprenge neuerlich sämtliche bisherigen Vorstellungen, meinte SPÖ-Klubobmann Philip Kucher in einer Aussendung. Und: „Je schlechter die Arbeit der Bundesregierung, desto mehr Geld investiert sie in Eigenwerbung.“

Die Freiheitlichen sehen es nach dem Rechnungshofbericht als erwiesen an, „dass die Medienausgaben von ÖVP und Grünen speziell in der Corona-Krise nur dem Kauf der Meinung dienten“, reagierte FPÖ-Generalsekretär und -Mediensprecher Christian Hafenecker in einer Aussendung. Zudem stehe nun auch der „Verdacht einer illegalen Parteifinanzierung“ im Raum und erfordere eine dementsprechende Untersuchung und Aufklärung.

„Steuergeld ist nicht dafür da, dass die Bundesregierung parteinahe Medien damit füttert oder sich damit Gefälligkeitsberichterstattung erkauft“, meinte wiederum NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter. Sie forderte einmal mehr die Umsetzung von Reformen: „Die Ausgaben der Ministerien für Eigen-PR müssen gedeckelt und Inserate nach nachvollziehbaren Kriterien vergeben werden.“

Ministerium: „Bereits obsolet“

Aus dem betroffenen Finanzministerium hieß es wiederum, der Großteil der RH-Empfehlungen sei „bereits obsolet, da längst durch die Reform des Vergabewesens und die Umstrukturierung der Zentralleitung umgesetzt“. Seit dem Amtsantritt von Minister Magnus Brunner (ÖVP) seien die Ausgaben daher um zwei Drittel reduziert worden.

Die ÖVP erklärte „das damals erhöhte Informationsaufkommen“ mit der Pandemie und der Impfkampagne. Das sei auch dem Rechnungshof bekannt, hieß es aus der Volkspartei.