Dirigent Seiji Ozawa
AP/Steven Senne
1935–2024

Seiji Ozawa ist tot

Der japanische Stardirigent Seiji Ozawa ist nach Medienberichten im Alter von 88 Jahren gestorben. Nach Angaben des öffentlich-rechtlichen Senders NHK und anderer japanischer Medien von Freitag starb Ozawa am 6. Februar.

Der frühere Assistent Herbert von Karajans und Leonard Bernsteins hatte drei Jahrzehnte beim Boston Symphony Orchestra verbracht und war 2002 bis 2010 Musikdirektor der Wiener Staatsoper. Die Wiener Philharmoniker trauern um ihr Ehrenmitglied.

Wenn Ozawa vor ein ausländisches Orchester trat, sprach er stets mit seinen Augen. „Ich bin nicht gut in Fremdsprachen. Wenn ich ausländische Orchester dirigiere, habe ich gar keine andere Wahl“, sagte der japanische Stardirigent einst in einem Interview.

Dirigent Seiji Ozawa, 1978 in Fukuoka, Japan
AP/Kyodo News
Seiji Ozawa 1978 in Fukuoka

Krebsdiagnose bereits 2010

Nachdem 2010 bei Ozawa Speiseröhrenkrebs festgestellt worden war, gab er seinen Posten des Musikdirektors der Wiener Staatsoper auf und zog sich aus dem Konzertbetrieb zurück. Seit 2013 stand Ozawa jedoch gelegentlich wieder am Pult, vornehmlich in seiner Heimat.

Kraft und Zähigkeit bewies Ozawa schon in den 1960er Jahren, als er sich als Japaner im klassischen Musikbetrieb durchzusetzen wusste. Geboren am 1. September 1935 in Hoten in der damals japanisch besetzten Mandschurei, kam Ozawa schon früh mit verschiedenen Kulturen und Einflüssen in Berührung.

Ozawa wurde 1. September 1935 als Sohn japanischer Einwanderer in Shenyang, Mandschurei (China) geboren. Nach der Rückkehr seiner Familie nach Tokio wollte er zunächst Pianist werden. Erst nachdem sich der begeisterte Rugbyspieler zwei Zeigefinger gebrochen hatte, entschloss er sich zu einer Laufbahn als Dirigent. Um sich das Studium an der privaten Toho-Musikschule bei Hideo Saito finanzieren zu können, verbrachte er sieben Jahre als Diener in Saitos Haus.

Sieg in Besancon als Start für Weltkarriere

Der begabte Musiker sattelte auf Komposition und Dirigieren um und wurde schon bei seinem ersten öffentlichen Auftritt im Alter von 24 Jahren mit dem Japan Philharmonic Orchestra als großes Talent gefeiert. Der Erste Preis beim Internationalen Dirigentenwettbewerb 1959 im französischen Besancon wurde zum Sprungbrett in den klassischen Musikbetrieb, auch wenn sich Ozawa noch lange gegen das Vorurteil behaupten musste, als Japaner könne er die europäischen Klassiker „nur gelernt“ haben und sie nie „mit der Seele begreifen“.

Stardirigent Seiji Ozawa ist tot

Der japanische Stardirigent Seiji Ozawa ist nach Medienberichten im Alter von 88 Jahren gestorben. Nach Angaben des öffentlich-rechtlichen Senders NHK und anderen japanischen Medien von heute starb Ozawa am 6. Februar.

In Tanglewood, der berühmten Sommermusikakademie für Nachwuchsmusiker in Massachusetts, gewann der aufstrebende Maestro auf Anhieb den Kussewizki-Wettbewerb. Er arbeitete als Assistent bei Leonard Bernstein in New York, in Berlin nahm ihn Herbert von Karajan unter seine Fittiche. In rascher Folge wurde er Orchesterchef in Chicago, Toronto und San Francisco.

1970 übernahm er die Koleitung des Tanglewood-Festivals, das er über Jahrzehnte prägte und das ihm 1994 die Ozawa-Halle widmete. In seiner japanischen Heimat gründete der Maestro 1992 das Saito Kinen Festival, das 2015 in Seiji Ozawa Matsumoto Festival umbenannt wurde.

2002 Musikdirektor der Staatsoper

Als Leiter des Boston Symphony Orchestra von 1973 bis 2002 setzte Ozawa Maßstäbe. Sein breites Repertoire begeisterte ebenso wie die klangliche Brillanz, die er mit dem Orchester erreichte. Dabei dirigierte der beliebte, immer wieder überraschende Konzertleiter jahrzehntelang nur wenige Opern – ein Umstand, der sich ändern sollte, als Ozawa 2002 Musikdirektor der Wiener Staatsoper wurde.

Er widmete sich danach vor allem seiner lange heimlich gehegten Liebe, der Oper, und stellte seine breite Kennerschaft von Mozart bis Krenek unter Beweis. Ein weiterer Höhepunkt des wichtigen Jahres 2002 wurde der Einsatz am Pult der Wiener Philharmoniker für das Neujahrskonzert. Österreich war er insgesamt eng verbunden. Die Zusammenarbeit der Wiener Philharmoniker mit Seiji Ozawa begann 1966 bei den Salzburger Festspielen. Über fünf Jahrzehnte habe man „ein unglaublich breites Repertoire“ aufgeführt, hieß es am Freitag seitens der Wiener Philharmoniker. „Wir konnten im Herbst 2021 im Rahmen unserer Japan-Tournee das letzte Mal mit ihm musizieren.“

2022 erhielt er im Rahmen des Österreichischen Musiktheaterpreises in Grafenegg für seine herausragenden Verdienste um das Musiktheater einen Sonderpreis, den seine Tochter Seira Ozawa stellvertretend entgegennahm.

Seiji Ozawa und Elisabeth Guertler am Donnerstag, 03. Februar 2005, im Rahmen des Wiener Opernballes
APA/Herbert Oczeret
Ozawa 2005 mit Elisabeth Gürtler auf dem Tanzparkett in der Staatsoper

„Mit ihm musizieren bedeutet Glück“

Der Bariton Paolo Gavanelli lobte den Pultmeister einmal: „Ozawa ist nicht nur ein Musikgenie, sondern auch menschlich eine einmalige Erscheinung. Mit ihm zu musizieren bedeutet Glück.“ Dieses Glück teilt der Japaner auch besonders gern mit Kindern. Schon in Wien vermochte Ozawa die Kleinen mit seiner musikalischen Energie anzustecken. „Als ich in Boston war, lebte ich fern von meinen Kindern. Vielleicht hänge ich seitdem an Kindern“, vertraute er einst einer japanischen Zeitung an.