Mann in zerstörtem Haus in Rafah
AP/Fatima Shbair
Humanitäre Lage prekär

Trotz Warnungen Angriffe auf Rafah

Die israelische Armee hat laut Berichten vom Samstag Ziele in der Stadt Rafah angegriffen – trotz internationaler Warnungen wegen der kritischen Lage für Zivilistinnen und Zivilisten dort. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte den Streitkräften zuletzt den Befehl für eine Offensive auf die Stadt im südlichen Gazastreifen erteilt. Im Norden verschärft sich die humanitäre Lage offenbar mit jedem Tag.

In der Stadt nahe der Grenze zu Ägypten sollen sich laut israelischen Angaben immer noch mehrere Bataillone der radikalislamischen Hamas – hauptverantwortlich für den Angriff auf Israel am 7. Oktober vom Gazastreifen aus – verschanzt haben. Ihnen galten offenbar israelische Angriffe auf zumindest zwei Gebäude in der Stadt am Samstag. Dabei sollen mehrere Menschen ums Leben gekommen sein.

Der Bürgermeister der Stadt im Süden des Küstengebiets am Mittelmeer, Ahmed al-Sufi, bestätigte die Angriffe und die genannte Zahl von bis zu 20 Toten. Derzeit sind in der Stadt noch keine israelischen Bodentruppen im Einsatz. Rafahs Bürgermeister Sufi warnte vor einem Vorstoß der Armee in den Ort. „Jeder Militäreinsatz in der Stadt, in der mehr als 1,4 Millionen Palästinenser leben, wird zu einem Massaker und einem Blutbad führen.“

Israels Armee bombardiert Ziele in Rafah

Die israelische Armee hat laut Berichten vom Samstag Ziele in der Stadt Rafah angegriffen – trotz internationaler Warnungen wegen der kritischen Lage für Zivilistinnen und Zivilisten dort.

Hamas-Geheimdienstchef soll tot sein

Schon am Freitag sollen israelische Einheiten in Rafah ein Fahrzeug der Hamas aus der Luft angegriffen haben. Dabei sollen drei Männer getötet worden sein, darunter der Chef des Polizeigeheimdienstes der Islamistenorganisation sowie dessen Stellvertreter, wie es am Samstag hieß. Die israelische Armee bestätigte später, drei Männer getötet zu haben, darunter zwei Hamas-Funktionäre.

Die Berichte waren nicht die ersten über Angriffe auf Ziele in Rafah. Zuletzt waren vergangene Woche laut Berichten aus der Stadt Stellungen der Terrororganisation Hamas Ziel israelischer Militäreinsätze. Die Angriffe am Samstag sollen allerdings die bisher umfangreichsten gewesen sein. Rafah ist der einzige Ort im gesamten Küstenstreifen, in dem die Hamas noch die Kontrolle ausübt.

Cupal (ORF) zu Israels neuen Bombenangriffen

Israels Premier Benjamin Netanjahu hat nun eine Militäroperation auch in der letzten Region in Gaza angekündigt. Sind die Luftschläge auf Rafah der Beginn? ZIB-Korrespondent Tim Cupal berichtet.

Offensive auf die Stadt in Vorbereitung

Ministerpräsident Netanjahu hatte zuvor der Armee den Befehl erteilt, eine Offensive auf Rafah vorzubereiten. In der Stadt gebe es noch immer vier verbliebene Hamas-Verbände. Die Militärführung soll sich aktuell mit Plänen befassen, wie Zivilisten und Zivilistinnen vor einem mutmaßlichen Angriff auch auf dem Boden aus der Stadt gebracht werden können.

Flüchtlingslager in Rafah
APA/AFP/Mohammed Abed
Hunderttausende Menschen flohen in den südlichen Gazastreifen – zum Teil auf Anordnung der israelischen Armee

Eine Militäroffensive auf Rafah gilt vor allem als hochproblematisch, da eine enorme Zahl von Menschen wegen der Angriffe auf den nördlichen Gazastreifen in den Süden geflohen ist. In Rafah – die Stadt hatte vor der Eskalation des Konflikts im Oktober etwa 300.000 Einwohner – sollen sich inzwischen deutlich über eine Million Palästinenser und Palästinenserinnen aufhalten. Sie flohen zum Teil auf Anweisung des israelischen Militärs in den Süden.

Entschiedene Warnungen vor humanitärer Katastrophe

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hatte zuletzt vor einer humanitären Katastrophe und Folgen für die gesamte Region gewarnt. Die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens sei in Rafah zusammengepfercht und könne nirgendwo anders hin. Auch die US-Regierung hatte sich in den vergangenen Tagen deutlich gegen ein militärisches Vorgehen in Rafah ausgesprochen.

Am Samstag folgten weitere entsprechende Warnungen, etwa aus Deutschland und Saudi-Arabien. Eine israelische Offensive auf die Stadt wäre „eine humanitäre Katastrophe mit Ansage“, schrieb die deutsche Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) auf X (Twitter) und kündigte eine weitere Reise nach Israel an. Die Not in Rafah sei „schon jetzt unfassbar“, so Baerbock, Menschen hätten Schutz vor den Kämpfen gesucht, sie könnten sich nun „nicht in Luft auflösen“.

Auch Saudi-Arabien warnte am Samstag Israel entschieden vor einem Militäreinsatz im Süden des Gazastreifens. Das Königreich forderte eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrates, um „Israel daran zu hindern, eine drohende humanitäre Katastrophe zu verursachen“.

Österreich „sehr beunruhigt“

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte vor einer „humanitären Katastrophe“. „Ich schließe mich den von mehreren EU-Mitgliedsstaaten geäußerten Warnungen an“, erklärte Borrell am Samstagabend auf X (Twitter). „Eine israelische Offensive auf Rafah würde eine unbeschreibliche humanitäre Katastrophe bedeuten.“

Man sei „sehr beunruhigt über eine mögliche Militäroperation in Rafah ohne einen Ausweg für Zivilisten“, teilte auch das Außenministerium am späten Samstagabend auf X (Twitter) mit. „Zivilisten müssen jederzeit geschützt werden“, hieß es in dem Post, der auch ein Bekenntnis zum Selbstverteidigungsrecht Israels gegen den Hamas-Terror enthielt. Es brauche „humanitäre Pausen“, damit die Geiseln aus dem Gazastreifen herauskommen und humanitäre Hilfe hineingelangen könne, forderte das Außenministerium weiter.

Katastrophale Lage für Zivilisten in Gaza

Inzwischen häufen sich Berichte über katastrophale Lebensbedingungen für die Menschen im isolierten nördlichen Teil des Küstengebiets. Kinder hätten tagelang nichts zu essen, weil Hilfskonvois keine Einfahrtsgenehmigungen erhielten, so die BBC am Samstag. Mittlerweile würden sich Menschen von Futtergetreide für Tiere ernähren, selbst das sei knapp.

Bewohner von Gaza gehen auf Straße voll mit Trümmern
AP/Fatima Shbair
Trümmer in den Straßen von Gaza-Stadt

Die BBC berichtete auch von Menschen, die auf der Suche nach Leitungen Löcher in die Erde gruben, um Wasser zum Trinken und Waschen zu finden. Laut UNO leiden mittlerweile 15 Prozent der Kleinkinder in der Region an Mangelernährung.

Mehr als der Hälfte der Konvois, die Lebensmittel und Trinkwasser im Auftrag der Vereinten Nationen liefern, sei in den letzten vier Wochen die Einfahrt untersagt worden, so das UNO-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA). Rund 300.000 Menschen sollen im Norden des Gazastreifens inzwischen von der Versorgung mit Hilfsgütern abgeschnitten sein.