Johanna Mikl-Leitner in der Pressestunde
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Mikl-Leitner

„Keine Zeit für Koalitionsspekulation“

Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ist die einzige Landeshauptfrau in Österreich. Als „Vorreiterin“ bezeichnete sie sich deshalb am Sonntag in der „Pressestunde“ – trotz Genderverbots in Niederösterreich. Vielmehr strich sie künftige Landespläne, etwa zu Kinderbetreuung und Gleichberechtigung, hervor. Zu Koalitionsspekulationen auf Bundesebene wollte sich Mikl-Leitner nicht hinreißen lassen. Dafür sei derzeit „keine Zeit“.

Dass es keine Koalition mit FPÖ-Obmann Herbert Kickl geben werde, hielt Mikl-Leitner abermals fest und zitierte damit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), auch er schloss eine Zusammenarbeit mit der Kickl-FPÖ bisher aus. „Das ist fix“, so die niederösterreichische Landeshauptfrau, die derzeit auch Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz ist. „Alles andere ist offen.“

Nehammer habe „Expertise“ in puncto Zusammenarbeit mit dem FPÖ-Vorsitzenden, und er habe festgehalten: Kickl sei ein Sicherheitsrisiko, er habe den Staatsschutz außer Kraft gesetzt. Es habe unter ihm als Innenminister Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit anderen Geheimdiensten gegeben. „Er (Kickl, Anm.) hat als Innenminister gezeigt, dass er es nicht kann“, so Mikl-Leitner.

Die Koalition mit der FPÖ in Niederösterreich sei „sicherlich kein Vorbild“ für den Bund, schließlich gebe es neun Bundesländer und unterschiedliche Regierungskonstellationen. Ob denn eine Koalition mit der SPÖ auf Bundesebene möglich sei? „Das ist nicht meine Entscheidung, zuerst wird gewählt“, so Mikl-Leitner.

„Ja, Karl Nehammer ist der Richtige“

Auf die Ära des ehemaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) wollte Mikl-Leitner nur kurz zurückblicken. „Kurz hat uns sehr viele Erfolge beschert, aber er ist jetzt nicht mehr Teil der Politik“, sagte sie. „Es ist wichtig, nach vorne zu schauen.“ Ob die Partei möglicherweise die Farbe Türkis hinter sich lassen wollte, ließ sie offen.

Spekulationen zur Großen Koalition

Johanna Mikl-Leitner stellte sich den Fragen von Gerold Riedmann („Vorarlberger Nachrichten“) und Simone Stribl (ORF).

Obwohl Umfragen die ÖVP derzeit bei nunmehr rund 20 Prozent sehen, zeigte sich Mikl-Leitner von Nehammer als Kanzler überzeugt: „Ja, Karl Nehammer ist der richtige Bundeskanzler und Bundesparteiobmann.“ Nehammer habe gezeigt, dass er „mit Ruhe und Kompetenz und Erfahrung die Republik gut lenken kann – und zwar in die richtige Richtung.“ Auf Umfragen gebe sie nichts, so die niederösterreichische Landeshauptfrau. Vielmehr mache ihr der Vertrauensverlust der Menschen in die Politik Sorgen.

Nebentangente „Hohes Haus“: Totschnig nennt Wahltag

Für die Nationalratswahlen rechnete Mikl-Leitner damit, dass der Wahlkampf nach dem Sommer beginnen werde – „so wie es jetzt ausschaut“. Unterdessen erwähnte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) in der darauffolgenden Sendung „Hohes Haus“ den 29. September als Termin für die Nationalratswahl. Auf die Frage zur Schweinehaltung auf Vollspaltböden sprach er von einer Einigung in dieser Legislaturperiode, also „vor der Wahl am 29. September“. Bisher stand kein Wahltermin fest.

Lopatka „großer Europäer“

Im Hinblick auf die Nationalratswahl im Herbst und die EU-Wahl am 9. Juni, bei der die ÖVP Reinhold Lopatka als Spitzenkandidaten ins Rennen schickt, zeigte sich Mikl-Leitner ob eines möglichen schlechten Ergebnisses für die Volkspartei unbeeindruckt. „Egal, wie die Wahlen ausgehen, Karl Nehammer bleibt Bundesparteiobmann“, so Mikl-Leitner.

Erwartungen bei EU- und Nationalratswahl

Zuversichtlich zeigte sich Mikl-Leitner zu den erhofften Erfolgen bei anstehenden Wahlen für die ÖVP

Ähnlich sprach sie sich zu Lopatka aus: „Er ist ein großer Europäer“, so die Landeshauptfrau. „Ich denke, er ist der richtige Mann.“ Die EU-Wahl sei sehr wichtig, da die EU noch mehr Schutzschild sein müsse – jedoch brauche es eine Richtungsänderung. Auf „Friede, Freiheit und Wohlstand“ sollte sich die EU laut Mikl-Leitner in den einzelnen Regionen konzentrieren.

Bekenntnis zu Bezahlkarte für Asylwerbende

Zuletzt in ganz Europa heiß diskutiert wurde innerhalb der Parteien rechts der Mitte die Bezahlkarte für Asylwerberinnen und Asylwerber. Mikl-Leitner sprach sich klar für eine solche Bezahllösung statt Bargeld mit Vorbild Deutschlands und Frankreichs aus. „Wir müssen alles tun, die illegale Migration Richtung null zu kriegen“, so die niederösterreichische Landeshauptfrau. Die Bezahlkarte sei ein gutes Instrument dafür – neben dem Asyl- und Migrationspakt auf europäischer Ebene, Schlepperbekämpfung und strengen Grenzkontrollen und Verfahren.

Bezahlkarte für Asylwerbende

Bezahlkarte statt Bargeld für Asylwerbende – dafür sprach sich Mikl-Leitner aus

Mit der Bezahlkarte könnte die Grundversorgung „effizienter“ gemacht werden, so Mikl-Leitner. Sie wolle „weg von der Geldleistung, hin zur Sachleistung“. Heimische NGOs zeigen sich hierbei skeptisch, ob der Stigmatisierung. Außerdem wiesen sie die Behauptung der ÖVP zurück, Asylwerbende würden die 40 Euro Taschengeld in ihre Heimatländer überweisen.

„Wer Schutz sucht und braucht, wird diesen Schutz auch bekommen“, sagte Mikl-Leitner. „Und Schutzsuchende suchen Sicherheit und nicht Bargeld.“ Ob eine Bezahlkarte tatsächlich abschreckende Wirkung auf Asylwerbende haben könnte, ist nicht klar. Kein Problem hätten mit der Bezahlkarte auch die Grünen, so Vizekanzler Werner Kogler in der „Kronen Zeitung“ mit Verweis auf das in Tirol schon etablierte Modell. Gar kein Bargeld wäre allerdings keine Lösung, das würde auch rechtlich nicht halten. Mikl-Leitner sprach sich für ein einheitliches bundesländerübergreifendes System aus.

Wo Bargeld jedoch eine große Rolle für die ÖVP spielt, ist in der Verfassung. Denn darin will die Volkspartei die traditionelle Bezahlform verankern. „Weil es den Österreicherinnen und Österreichern wichtig ist, über Bargeld zu verfügen“, zeigte sich die niederösterreichische Landeshauptfrau überzeugt. Auch umstrittene Projekte ihrer Landesregierung wie den Coronafonds verteidigte sie. Dieser sei „ein Mosaikstein“, um die in der Pandemie entstandenen Gräben auch in Familie und Freundeskreis zu kitten.

Gendererlass, Kinderbetreuung, Gleichberechtigung

Außerdem für Aufmerksamkeit sorgte der niederösterreichische Gendererlass, wonach etwa in amtlichen Schriftstücken das Gendern gewissermaßen verboten wurde – zumindest mit Genderstern, Binnen-I, Gendergap und Doppelpunkt. Mikl-Leitner begründete den Erlass mit „sehr viel Verunsicherung in der Verwaltung, wie denn gegendert werden soll“.

Gendererlass und Gleichberechtigung

Für Aufsehen sorgte der Gendererlass in Niederösterreich

Jedoch, so sagte sie in der „Pressestunde“: „Ich halte es für gut, richtig und wichtig zu gendern, mit Vernunft und Hausverstand – ganz nach der Empfehlung des Rates der deutschen Sprache.“ Daher erfolge das Gendern in niederösterreichischen Dokumenten nun in Paarform. „Schülerinnen und Schüler“, nannte Mikl-Leitner als Beispiel. Das Thema sei für sie nun „erledigt, abgehakt“.

„Wünsche mir noch mehr Frauen in Führungspositionen“

Trotz dieser Lösung beim Gendern sieht sich Mikl-Leitner als „Vorreiterin“ der Frauen in der Politik. Sie habe auch Vorbilder gehabt, etwa die frühere Innenministerin Liese Prokop (ÖVP). „Wenn ich mir etwas wünschen darf, dann wünsche ich mir noch mehr Frauen in Führungspositionen“, so Mikl-Leitner, die auf einen Erfolg hinwies. „Seit ich Landeshauptfrau bin, haben wir 60 Prozent mehr Frauen in Führungspositionen im Landesdienst.“

Wie lange es wohl noch zur Gleichberechtigung dauern werde? Ihr Ziel sei es, so Mikl-Leitner, dass etwa in Bewerbungsgesprächen gar nicht mehr klar sei, ob nun Mutter oder Vater in Karenz gehe. In Niederösterreich wolle sie für noch mehr Kinderbetreuungsplätze, insbesondere für Kleinkinder, sorgen. „Mehr Bauen, bessere Qualität, mehr Gruppen“, sagte Mikl-Leitner zu den Kindergärten. Und: „Ferien im Sommer nur mehr eine Woche.“

Reaktionen von FPÖ, SPÖ und NEOS

Für FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz hat sich Mikl-Leitner mit ihrer Abgrenzung gegenüber einer FPÖ unter Kickl nun auch „in den Angsthasensektor der ÖVP gesetzt“. Statt das Wählervotum abzuwarten und zu respektieren, beschränke sich die ÖVP darauf, irgendwie an der Macht zu bleiben. „Dazu ist der ÖVP jedes Mittel und jede Aussage recht, auch wenn man schon längst als Serienlügner entlarvt wurde“, stellte er die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen infrage.

Ideen- und Inhaltslosigkeit diagnostizierten Vertreter der Landesopposition angesichts Mikl-Leitners Aussagen in der „Pressestunde“. Sven Hergovich, Landesparteivorsitzender der SPÖ, ortete in seiner Stellungnahme Tatenlosigkeit angesichts der Teuerung. Er kritisierte die Gehaltserhöhungen in der Landespolitik, und dass die Landeshauptfrau bei „Luxusgagen“ in der EVN angeblich nichts machen könne, obwohl sie im Mehrheitseigentum des Landes sei.

NEOS-Landesparteivorsitzende Indra Collini habe inhaltlich „nichts Neues“ in den Aussagen der Landeshauptfrau vernommen. „Mikl-Leitner hat keine positiven Visionen für Land und Leute. Sie verliert mit populistischem Klein-Klein zusehends die Zukunft Niederösterreichs aus den Augen und kümmert sich lieber um Gendererlässe und die Normalitätsdebatte“, kritisierte Collini in einer Aussendung.