Donald Trum wahlkämpfend in Conway, South Carolina
Reuters/Sam Wolfe
„Untergräbt Sicherheit“

NATO reagiert scharf auf Trump-Aussage

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die Äußerungen von Ex-US-Präsident Donald Trump, im Falle einer Wiederwahl säumige NATO-Bündnispartner nicht zu verteidigen, scharf kritisiert. „Jede Andeutung, dass Verbündete einander nicht verteidigen werden, untergräbt unsere gesamte Sicherheit, einschließlich jener der Vereinigten Staaten, und setzt US-Soldaten und europäische Soldaten einem erhöhten Risiko aus“, sagte Stoltenberg am Sonntag in Brüssel.

Trump hatte am Samstag im US-Bundesstaat South Carolina bei einem Wahlkampfauftritt nach eigener Darstellung aus einem Gespräch mit NATO-Verbündeten zitiert. Demnach habe der Präsident „eines großen Landes“, das er nicht namentlich nannte, ihn gefragt, ob die USA es noch vor einem russischen Angriff schützen würden, wenn sie nicht ausreichend den NATO-Verpflichtungen beim Haushalt nachkämen.

„Ich sagte: ‚Sie haben nicht gezahlt? Sie sind säumig?‘“, so Trump. „Er sagte: ‚Ja, nehmen wir an, das passiert.‘ Nein, ich würde Sie nicht beschützen.“ Unter Hinweis auf Russland sagte Trump weiter: „Ich würde sie sogar ermutigen, zu tun, was sie wollen. Sie müssen zahlen.“

„Vielleicht hat er Gedächtnisprobleme“

EU-Kommissar Thierry Breton sagte am Sonntag dem Sender LCI, Trumps Haltung sei nicht neu. „Vielleicht hat er Gedächtnisprobleme“, kommentierte er die Aussagen des 77-jährigen Ex-Präsidenten. „Tatsächlich war es eine weibliche Präsidentin, nicht eines Landes, sondern der EU“, sagte Breton und bezog sich dabei auf die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Breton hatte im Jänner selbst von einem Treffen 2020 in Davos zwischen Trump und von der Leyen berichtet. Dabei zitierte er Trump unter anderem mit den Worten: „‚Übrigens, die NATO ist tot, und wir werden sie verlassen, wir werden aus der NATO austreten.‘“

NATO Treffen 2019
Reuters/Yves Herman
Einfach war es schon davor nicht – Stoltenberg und Trump, hier mit dem britischen Ex-Premier Boris Johnson, hatten bereits in der Vergangenheit gewisse Differenzen

EU-Ratspräsident Charles Michel kritisierte, die „rücksichtslosen“ Äußerungen Trumps spielten allein dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Hände. Sie unterstrichen „erneut die Notwendigkeit für die EU, ihre strategische Autonomie dringend weiterzuentwickeln und in ihre Verteidigung zu investieren“, schrieb er im Kurznachrichtendienst X (Twitter).

NATO kein „A la Carte“-Militärbündnis

Die NATO sei kein „A la Carte“-Militärbündnis, dessen Funktionieren von der Laune eines US-Präsidenten abhänge, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag bei einem Treffen der Entwickluingsminister in Brüssel. Die NATO existiere oder sie existiere nicht, so Borrell, der dazu noch sagte: Er werde auch nicht „jede dumme Idee“ kommentieren, die der US-Wahlkampf bringen werde.

Kritik aus Polen

Der polnische Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz schrieb auf X, kein Wahlkampf könne als Entschuldigung herhalten, mit der Sicherheit des Bündnisses zu spielen. Das Auswärtige Amt in Berlin schrieb auf Englisch auf X, ohne auf Trump Bezug zu nehmen, das Credo der NATO „Einer für alle und alle für einen“ schaffe Sicherheit für mehr als 950 Millionen Menschen.

Polen gilt als einer der engsten US-Verbündeten in Europa und investiert derzeit überdurchschnittlich viel in die eigene Rüstung, fühlt sich aber offenbar dennoch von Trumps Äußerungen verunsichert.

Polens Innenminister Marcin Kierwinski wurde von der Nachrichtenagentur PAP mit den Worten zitiert: „Trump fordert direkt die Übergabe Europas an Putin.“ Auch andere Regierungspolitiker veröffentlichten kritische Stellungnahmen. Der polnische Präsident Andrzej Duda mahnte hingegen: „Das Bündnis zwischen Polen und den USA muss stark sein, unabhängig davon, wer derzeit in Polen oder den USA an der Macht ist.“

Der liberal-konservative Ministerpräsident Donald Tusk nutzte Trumps Äußerung für einen innenpolitischen Seitenhieb gegen den nationalkonservativen polnischen Präsidenten. Duda habe kürzlich erklärt, Trump halte stets sein Wort. Nun solle er daher überlegen, ob diese heikle Trump-Äußerung nicht bei einer Sitzung des Kabinettsrats von Regierung und Präsident am kommenden Dienstag zu thematisieren sei.

Biden: „Entsetzlich und verstörend“

Auch das US-Präsidialamt hatte Trumps Aussagen gegen den Artikel 5, die NATO-Beistandsklausel, in South Carolina am Samstagabend kritisiert. „Invasionen unserer engsten Verbündeten durch mörderische Regime zu ermutigen, ist entsetzlich und verstörend – und es gefährdet die nationale Sicherheit der USA, die globale Sicherheit und die Stabilität unserer heimischen Wirtschaft“, sagte ein Sprecher von Präsident Joe Biden.

Trump hinterfragt NATO-Beistandspflicht

Ex-US-Präsident Donald Trump äußerte sich verstörend zu einem früheren Treffen mit führenden Vertretern der NATO und berichtet, wie er damals gegen Länder ausgeholt habe, die seiner Meinung nach ihre Beiträge nicht zahlten, und wie er ihnen gedroht habe, sie möglichen Invasoren auszuliefern.

Trump hatte bereits in der Vergangenheit wiederholt betont, wie unfair es sei, dass die USA für die Verteidigung der 30 anderen Mitgliedsstaaten einstehen müssten. Dabei kritisierte er vor allem, dass die Europäer nicht genügend Geld für Rüstung ausgäben.

Republikaner blockieren Ukraine-Hilfe

Die Republikaner blockieren schon seit Monaten eine Freigabe weiterer Milliardenhilfen für die von Russland angegriffene Ukraine. Am Mittwoch scheiterte im Senat ein Gesetzespaket, das neben einer Unterstützung für Israel und Milliarden für die US-Grenzsicherung auch rund 60 Milliarden Euro (56 Mrd. Euro) an neuen Hilfen für Kiew umfasste.

Trump ist der mit Abstand führende Bewerber für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner. Er dürfte bei der Wahl Anfang November gegen den Demokraten Biden antreten. Umfragen zufolge liegen sie faktisch gleichauf. Das Alter der beiden Männer – Biden ist 81 Jahre alt – und ihre geistige Befähigung zum Amt spielen im Wahlkampf eine zunehmende Rolle.