UNO-Hochkommissar Türk: Lage in Gaza „schrecklich“

Die Beziehungen zwischen der UNO und Israel haben sich seit Beginn des Kriegs gegen die Hamas deutlich verschlechtert. Besonders das UNO-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) war zuletzt Anlass für Streit. Kürzlich entdeckte die israelische Armee in der Stadt Gaza einen Tunnel der Hamas-Miliz, der unter dem UNRWA-Hauptquartier verlaufen soll. Auch sind gegen UNRWA-Mitarbeiter schwere Vorwürfe bekanntgeworden: Zwölf Mitarbeiter des Hilfswerks stehen im Verdacht, in den beispiellosen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober verstrickt gewesen zu sein.

Die UNO sei zum Spielball in dem Konflikt geworden, sagte nun UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk zum ORF Brüssel. Die UNO sei nicht Teil des Krieges, werde aber manchmal in diese Rolle gedrängt. Die UNRWA sei für die Menschen in Gaza unentbehrlich, so der österreichische Diplomat.

Türk ist heute Gast bei einem informellen Treffen der EU-Entwicklungsministerinnen und -minister in Brüssel. Auch UNRWA-Chef Philippe Lazzarini wird dort erwartet.

Die Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung in Gaza sei „schrecklich, mir fallen eigentlich keine Worte mehr ein“, so Türk zum ORF. Alarmiert und bestürzt sei er vor allem wegen der israelischen Ankündigung, den Krieg gegen die Hamas auf Rafah im Süden Gazas auszudehnen.

Israels Vorgehen „nicht verhältnismäßig“

Der Ort an der Grenze zu Ägypten hatte vor dem Krieg keine 300.000 Einwohner, inzwischen haben 1,4 Millionen Palästinenser vor den Angriffen der Israelis dort Zuflucht gesucht – laut Türk ohne „zureichende Ernährung, ohne zureichende humanitäre Unterstützung“. In dieser Situation noch einen Angriff zu führen, wie von Israel angekündigt, „da frage ich mich schon“, sagte Türk. Es sei jedenfalls eine Entwicklung, die den Vereinten Nationen „ganz schwere Sorgen“ mache. Was bleibe, seien starke Appelle an die israelische Regierung.

Türk sah auch deutliche Hinweise auf israelische Kriegsverbrechen. Gefragt nach der Kriegsführung Israels meinte er, die Zahlen sprächen für sich: 100.000 Menschen seien schwer betroffen, 27.000 tot, zwei Drittel von ihnen Frauen und Kinder. Dazu gebe es 60.000 bis 70.000 Verletzte. Die enormen Zerstörungen, die Hälfte der Häuser, große landwirtschaftliche Flächen, und die andauernde Abkoppelung von humanitärer Hilfe sprächen für „kollektive Bestrafung“. Das sei eine Verletzung des humanitären Völkerrechts. „Als ’verhältnismäßig sehe ich das Vorgehen Israels nicht“, so Türk.