Zerstörte Häuser nach dem Luftangriff in Rafah
Reuters/Ibraheem Abu Mustafa
Israel

Rafah-Bewohner sollen in Zeltstädte

Vor der geplanten Militäroffensive auf Rafah hat Israel einem Medienbericht zufolge ausgedehnte Zeltstädte vorgeschlagen. Dort sollen Hunderttausende Flüchtlinge aus der Stadt in Sicherheit gebracht werden. Die schweren Kämpfe im Süden des Gazastreifens dauerten am Dienstag an. Die USA mahnten nicht nur zum Schutz der Zivilistinnen und Zivilisten, sondern arbeiteten auch an einer mehrwöchigen Feuerpause.

Wie die Zeitung „Wall Street Journal“ am Montag (Ortszeit) unter Berufung auf ägyptische Beamte berichtete, sieht Israels Vorschlag zur Evakuierung Rafahs die Einrichtung von 15 Lagern mit jeweils rund 25.000 Zelten im südwestlichen Teil des abgeriegelten Küstengebiets vor. Das an Rafah grenzende Ägypten wäre für die Einrichtung der Lager und der Feldlazarette zuständig, hieß es.

Die Stadt ist überfüllt mit mehr als einer Million Binnenflüchtlingen, die dort auf engstem Raum Schutz suchen. Im Krieg gegen die Terrororganisation Hamas bereitet sich Israel derzeit auf eine Militäroffensive auf die Stadt vor, die es als die letzte Bastion der Hamas in Gaza sieht. Der Vorschlag zur Evakuierung sei Ägypten in den vergangenen Tagen unterbreitet worden, berichtete die Zeitung.

Grafik zum Gazastreifen
Grafik: APA/ORF; Quelle: CNN/ISW/Warmapper

UNO: Keine Beteiligung an Zwangsvertreibungen

Israels Regierung forderte die in der Region tätigen UNO-Organisationen auf, bei der Verlegung von Zivilisten aus Rafah zu helfen. Alles, was im südlichen Teil der Region an der Grenze zu Ägypten passiere, müsse unter voller Achtung des Schutzes der Zivilbevölkerung stattfinden, sagte dazu UNO-Sprecher Stephane Dujarric am Montag in New York. „Wir werden uns nicht an der Vertreibung von Menschen beteiligen.“ Zudem stellte er infrage, dass es in anderen Gebieten Gazas sichere Zufluchtsstätten gebe, auch angesichts der vielen Blindgänger.

Ähnlich äußerte sich am Dienstag Jens Laerke vom UNO-Nothilfebüro (OCHA): „Die israelische Regierung hat mit uns über solche Pläne nicht gesprochen“, sagte er der dpa in Genf. „Unabhängig davon werden wir uns nicht an Plänen zur Zwangsumsiedlung von Menschen beteiligen“, sagte er. „Wir würden auch keine Zeltstädte anderswo bereitstellen, damit israelische Kräfte Menschen zwangsumsiedeln können.“

Südafrika stellte Eilantrag bei IGH

Südafrika stellte indes beim Internationalen Gerichtshof (IGH) einen Eilantrag gegen Israel wegen der Offensive auf Rafah. Das teilte das südafrikanische Präsidialamt mit. Südafrika sei „zutiefst besorgt“ darüber, dass die Ausweitung der Militäroffensive in Rafah zu „großangelegten Tötungen, Schäden und Zerstörung“ führen werde. „Das wäre ein schwerwiegender und irreparabler Verstoß sowohl gegen die Völkermordkonvention als auch gegen den Beschluss des Gerichtshofs vom 26. Jänner“, so die Präsidentschaft.

Der IGH hatte am 26. Jänner die Gefahr von Völkermord im Gazastreifen festgestellt und Israel verpflichtet, alles zu tun, um das zu verhindern. Südafrika hatte im Dezember Klage gegen Israel eingereicht und dem Land die Verletzung der Völkermord-Konvention vorgeworfen. In dem höchst brisanten Verfahren war das nur eine erste Entscheidung. Es ist das erste Mal, dass sich Israel vor dem UNO-Gericht einem Völkermordvorwurf stellen muss.

Neue schwere Kämpfe

Die schweren Kämpfe im Süden des Gazastreifens gingen inzwischen weiter. Die israelische Armee teilte am Dienstag mit, Soldaten hätten im Westen der Stadt Chan Junis „mehr als 30 Terroristen“ getötet. Die Armee habe die Kontrolle des Gebiets mit „gezielten Angriffen auf Terrorinfrastruktur, Scharfschützenangriffen und Patrouillen“ vertieft.

Nach Angaben der Hamas wurden binnen 24 Stunden 133 Palästinenser bei israelischen Angriffen und Kämpfen im Gazastreifen getötet. In dem Zeitraum seien 162 weitere verletzt worden, teilte die Hamas am Dienstag mit.

USA arbeiten an Geiselabkommen

China rief Israel auf, seinen Militäreinsatz in Rafah „so schnell wie möglich“ zu stoppen. Wenn das nicht geschehe, werde sich die „humanitäre Katastrophe“ noch verschlimmern. China verurteile alle Aktionen, die Zivilisten schädigen und internationales Recht verletzen, teilte das Außenministerium in Peking mit. Die Türkei warf Israel eine gezielte Vertreibung von Palästinensern vor.

Die USA bemühen sich nach Angaben von Präsident Joe Biden um eine „mindestens sechswöchige“ Feuerpause im Gazastreifen. Seine Regierung arbeite an einem „Geiselabkommen zwischen Israel und der Hamas, das für den Gazastreifen eine sofortige und anhaltende Ruhephase“ bringen werde, sagte Biden am Montag (Ortszeit) nach einem Treffen mit Jordaniens König Abdullah II. im Weißen Haus.

Biden fordert Schutz der Zivilbevölkerung

Zugleich mahnte der US-Präsident den Schutz der Zivilbevölkerung an. Eine Militäroperation in Rafah dürfe „nicht ohne einen glaubwürdigen Plan zur Gewährleistung der Sicherheit und Unterstützung von mehr als einer Million Menschen, die dort Schutz suchen, stattfinden“, sagte Biden. Viele Menschen dort seien aus anderen Orten mehrfach vertrieben worden, auf der Flucht vor Gewalt im Norden des Küstengebiets.

Luftansicht von Rafah und umliegenden Flüchtlingscamps
IMAGO/Xinhua/Yasser Qudih
Rund um Rafah sollen sich laut UNO-Angaben derzeit 1,3 Millionen Menschen aufhalten

Jetzt seien sie in Rafah „zusammengepfercht, ungeschützt und wehrlos“, sagte Biden und forderte: „Sie müssen geschützt werden!“ Die US-Regierung habe zudem von Anfang an deutlich gemacht, dass sie gegen jede Zwangsvertreibung von Palästinensern aus dem Gazastreifen sei. König Abdullah warnte vor einer Offensive. Sie werde „mit Sicherheit zu einer weiteren humanitären Katastrophe führen“, sagte er und forderte einen dauerhaften Waffenstillstand: „Dieser Krieg muss aufhören.“

Verhandlungen gehen weiter

Ägypten, Katar und die USA bemühen sich derzeit erneut darum, eine längere Feuerpause im Gaza-Krieg herbeizuführen. Im Rahmen eines Abkommens sollen in mehreren Phasen die noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln gegen palästinensische Gefangene in Israel ausgetauscht werden. Die Verhandlungen kommen derzeit nur schleppend voran, sollen aber israelischen Medienberichten zufolge nun in Kairo fortgesetzt werden.

Israelischer Armeesprecher zu den Plänen Israels

Armeesprecher Arye Shalicar äußert sich zu den Vorwürfen, Israel agiere im Gazastreifen unverhältnismäßig. Schuld an menschlichem Leid sei „einzig und allein“ die palästinensische Führung im Gazastreifen.

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte seine Armee vergangene Woche angewiesen, einen „kombinierten Plan zur Evakuierung der Bevölkerung und zur Zerstörung der Bataillone“ der Hamas in Rafah vorzulegen. Schon seit einiger Zeit greift Israel die Stadt aus der Luft an, auch gab es erste Bodeneinsätze. Dabei wurden in der Nacht auf Montag zwei von der Hamas verschleppte Geiseln befreit.