ÖVP will Arbeitslosengeld auf unter 50 Prozent kürzen

Die ÖVP hat in ihrem „Österreich-Plan“ im Vorfeld der Nationalratswahl eine Senkung der Lohnnebenkosten um jährlich 0,5 Prozentpunkte bis 2030 versprochen. Bewerkstelligen will sie das unter anderem durch Einsparungen in der Arbeitslosenversicherung.

Konkret will die Volkspartei die Nettoersatzrate (aktuell 55 Prozent) zeitabhängig auf unter 50 Prozent senken, geht aus einem der APA vorliegenden Papier hervor. Von welchem Wert die Volkspartei starten will, lässt sie offen.

In dem 2022 gescheiterten Arbeitslosenreformvorhaben der türkis-grünen Bundesregierung war hier noch ein konkreter Wert genannt worden: Man wollte mit einer erhöhten Nettoersatzrate von 70 Prozent starten, nach drei Monaten sollte sie dann 55 Prozent betragen.

Dafür hätte es in den ersten sieben bis zehn Tagen ohne Beschäftigung gar kein Arbeitslosengeld gegeben, was für die Grünen letztlich mit ein Grund für die Ablehnung des degressiven Modells war.

Keine geringfügige Beschäftigung bei Bezug von Arbeitslosengeld

Für die ÖVP geht das alles zu wenig weit: Sie will unter die bisherigen 55 Prozent Arbeitslosengeld bezogen auf das zuvor verdiente Nettoeinkommen gehen. Und: Die Möglichkeit einer geringfügigen Beschäftigung parallel zum Bezug des Arbeitslosengeldes soll gestrichen werden, „damit jeder, der arbeiten kann, auch einer vollwertigen Arbeit nachgeht“, wie es in dem ÖVP-Papier heißt.

Insgesamt will die Volkspartei mit strukturellen Maßnahmen bei der Arbeitslosenversicherung bis 2030 1,1 Prozentpunkte an Lohnnebenkostensenkung zusammenbringen, Reformen wie die Kürzung der Nettoersatzrate sollen 0,8 Prozentpunkte einbringen. Weitere 0,6 Prozentpunkte will man beim Familienlastenausgleichsfonds holen, was unterm Strich 2,5 Prozentpunkte Senkung bis 2030 ausmachen würde.

Grüne ablehnend

Bei SPÖ und FPÖ, aber auch beim grünen Koalitionspartner stieß das Vorhaben zur Arbeitslosengeldkürzung am Mittwoch auf Kritik. „Menschen sollen also dafür bestraft werden, dass es ihnen schlecht geht, sie kaum Optionen und Perspektiven haben. Es versteht sich wohl von selbst, dass das mit uns Grünen nicht infrage kommt“, teilte Markus Koza, Sozialsprecher der Grünen, via Aussendung mit.

Opposition durchwegs mit Kritik

SPÖ-Klubobmann Philip Kucher stellte in einer Aussendung fest, dass „die ÖVP zum Abschied noch die Armut erhöhen will, statt sie wie versprochen zu halbieren“. Das Arbeitslosengeld sei in Österreich im internationalen Vergleich bereits ausgesprochen niedrig, und die SPÖ sei dagegen, dass Menschen, die sich in der Regel nicht aussuchten, gekündigt zu werden, sofort in die Armut geschickt werden sollten.

Auch die FPÖ übte Kritik: „Von dieser ÖVP unter Kanzler Nehammer geht nur mehr soziale Kälte aus. Wir Freiheitliche haben diesen Vorschlag schon bei den Regierungsverhandlungen 2017 abgelehnt“, teilten FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz und FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch in einer Aussendung mit.

Wenig Begeisterung für den Vorschlag brachte NEOS auf, wenn auch aus anderen Gründen. „Nett, dass sie am Abend ihrer politischen Karriere darauf kommen, dass sie etwas tun müssen“, meinte Wirtschafts- und Sozialsprecher Gerald Loacker bei einer Pressekonferenz. Auch Parteichefin Beate Meinl-Reisinger erinnerte daran, dass NEOS das „seit Jahren“ fordere.

Gewerkschaft fordert Erhöhung auf 70 Prozent

Mehr statt weniger Arbeitslosengeld verlangte die Gewerkschaft. Bundesgeschäftsführerin Ingrid Reischl forderte eine Erhöhung auf 70 Prozent, statt Arme noch ärmer zu machen. Schon jetzt lebten neun von zehn Arbeitslosen unter der Armutsgrenze, weil sie mit knapp der Hälfte ihres vorherigen Nettoeinkommens nicht auskämen. Noch weiter ging die KPÖ: Sie verlangte 80 Prozent Nettoersatzrate.