Soldat überprüft Militärfahrzeuge für Übung
IMAGO/ZUMA Wire/U.S. Marines
NATO

Enormer Anstieg der Verteidigungsausgaben

Erst am Wochenende hat Ex-US-Präsident Donald Trump mit Aussagen für Aufregung gesorgt, dass er NATO-Partnern mit zu geringen Verteidigungsausgaben keine Unterstützung gewähren möchte. Dem hielt NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch neue Zahlen entgegen. Heuer würden bereits 18 der 31 Mitglieder das NATO-Ziel von Verteidigungsausgaben von zwei Prozent des BIP erreichen. Das sei sechsmal so viel wie 2014.

Angesichts der anhaltenden Bedrohungen – insbesondere der Krieg in der Ukraine und in Nahost – erhöhten die europäischen Verbündeten und Kanada ihre Verteidigungsausgaben schon im vergangenen Jahr um insgesamt elf Prozent, so Stoltenberg vor dem für Donnerstag in Brüssel geplanten Treffen der NATO-Verteidigungsminister.

Das sei beispiellos. „2024 werden Alliierte in Europa zusammen 380 Milliarden US-Dollar (rund 355 Mrd. Euro) in Verteidigung investieren“, sagte der Norweger. Die Entwicklung der Verteidigungsausgaben ist auch Thema beim NATO-Treffen am Donnerstag. Frankreich will die Vorgaben erst im kommenden Jahr erfüllen. Auch Spanien, Kanada, die Türkei und Belgien haben weiterhin Probleme, das NATO-Ziel zu erreichen.

Jens Stoltenberg während einer Pressekonferenz
Reuters/Yves Herman
Stoltenberg verkündete am Mittwoch einen starken Anstieg der Militärausgaben der NATO-Partner

Deutschland erreicht wieder NATO-Ziel

Allen voran stockte Deutschland seine Verteidigungsausgaben stark auf. Erstmals seit mehr als drei Jahrzehnten meldete Berlin der NATO wieder Verteidigungsausgaben in der Höhe von zwei Prozent des BIP. Im vergangenen Jahr lag Deutschland mit 1,57 Prozent noch im unteren Drittel.

Laut Informationen, die der dpa vorliegen, übermittelte die deutsche Regierung für heuer einen Betrag, der umgerechnet in Vergleichszahlen der NATO einer Summe von 73,41 Milliarden Dollar entspricht. Zuletzt hatte Deutschland 1992 das Ziel von zwei Prozent erreicht, während des Kalten Krieges war die Quote meist bei über drei Prozent gelegen.

Schaidreiter (ORF) über die stark erhöhten Verteidigungskosten

ORF-Korrespondentin Raffaela Schaidreiter berichtet über die Gründe der stark erhöhten Verteidigungskosten.

IISS: „Noch gefährlicheres Jahrzehnt“

Das britische International Institute for Strategic Studies (IISS) erwartet angesichts der weltweiten Konflikte und Spannungen ein „noch gefährlicheres Jahrzehnt“ und damit einhergehend einen weltweiten Anstieg der Militärausgaben heuer auf einen Rekordwert. Die Welt sei in ein „höchst unbeständiges Sicherheitsumfeld“ eingetreten. Das Institut geht von einer Neuordnung der weltweiten Verteidigungsindustrie mit einer Aufstockung der Waffenproduktion in den USA und Europa aus.

Aufgrund des Krieges in der Ukraine und der wachsenden Spannungen mit China seien schon im vergangenen Jahr die weltweiten Militärausgaben um neun Prozent auf 2.000 Milliarden Euro gestiegen. Dem IISS zufolge investieren Russland und China inzwischen mehr als 30 Prozent ihrer Staatsausgaben in Verteidigung.

Trump stellt Beistandspakt infrage

Trump befindet sich zwar noch im Wahlkampf für die bevorstehende US-Präsidentschaftswahl, prägt aber bereits jetzt die Debatte in der NATO. Bei einem Wahlkampfauftritt am Samstag hatte Trump den Beistandspakt laut Artikel 5 des Nordatlantikbündnis-Vertrags infrage gestellt. Er würde NATO-Ländern, die nicht genug für Verteidigung ausgäben, nicht zu Hilfe kommen, meinte er und ergänzte: Er würde die Russen sogar ermutigen, mit ihnen zu tun, „was zum Teufel sie wollen“.

Entsprechend scharf waren auch die Reaktionen. „Jede Andeutung, dass einander Verbündete nicht verteidigen, untergräbt unsere gesamte Sicherheit“, kritisierte Stoltenberg. Der amtierende US-Präsident Joe Biden warf Trump vor, sich dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu beugen – „das ist dumm, das ist beschämend, das ist gefährlich, das ist unamerikanisch“.

Erst am Dienstag legte ein Sicherheitsberater Trumps in der Debatte nach. Keith Kolleg sprach sich für eine gestaffelte Mitgliedschaft in der NATO auf Grundlage der Verteidigungsausgaben aus. Wer nicht das Zweiprozentziel der NATO erreiche, solle den Schutz nach Artikel 5 verlieren, der den Bündnisfall regelt. Unklar blieb, ob der frühere Stabschef des Nationalen Sicherheitsrats unter Trump diese Aussage mit dem Ex-Präsidenten abgesprochen hatte.

Diskussion über atomare Abschreckung

Die mögliche Wiederwahl Trumps und seine Aussagen gaben auch Anlass für neue Diskussionen über ein mögliches zusätzliches System der atomaren Abschreckung in Europa. Dem erteilte Stoltenberg aber eine deutliche Absage: „Wir haben die nukleare Abschreckung der NATO und diese bietet den NATO-Verbündeten seit Jahrzehnten die ultimativen Sicherheitsgarantien.“

Deren Glaubwürdigkeit dürfe nicht ausgehöhlt werden. Kern der nuklearen Abschreckung sollen die in Europa stationierten US-Atomwaffen bleibe sowie die Atomwaffen, über die Großbritannien und Frankreich verfügen.