Grafik zum weltweiten Demokratieindex
ORF/OSM/Economist Intelligence Unit
Neuer Index

Konflikte schwächen Demokratien weltweit

Die demokratischen Standards auf der Welt sind einer neuen Studie zufolge im vergangenen Jahr durch Konflikte und Polarisierung gesunken. Der Demokratieindex des britischen Analyseunternehmen Economist Intelligence Unit (EIU) liegt für 2023 auf dem niedrigsten Stand seit der Veröffentlichung der ersten Studie im Jahr 2006. Die Welt sei in ein Zeitalter der Konflikte eingetreten, hieß es in dem Bericht.

„Die Demokratien der Welt scheinen nicht in der Lage zu sein, den Ausbruch von Kriegen rund um den Globus zu verhindern, und auch weniger versiert darin zu sein, mit Konflikten im eigenen Land umzugehen“, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Bericht. Kriege in Afrika, Europa und dem Nahen Osten hätten „unermessliches Leid“ verursacht und „Aussichten auf einen positiven politischen Wandel“ untergraben.

Sogar die am weitesten entwickelten Demokratien bekämen Schwierigkeiten, politische und soziale Konflikte im eigenen Land zu bewältigen. Zwar verbesserte sich der Durchschnittswert für Westeuropa im Gegensatz zu allen anderen Weltregionen leicht. Doch habe sich die politische Landschaft in Amerika und Europa insgesamt weiter polarisiert, urteilte die Studie.

Wenige Gewinner

„In immer mehr Ländern sinkt das Vertrauen in die etablierten politischen Parteien und ihre Regierungen.“ Es gebe „Kulturkriege“ wie schon seit Längerem in den USA, hieß es. Nur 32 Länder schafften eine Verbesserung ihres Index, darunter viele kleine Länder von einem mäßigen Niveau aus. Einer der Gewinner ist Griechenland, das nun wieder als vollwertige Demokratie gilt. Auch Österreich verbesserte sich. 68 Länder verschlechterten sich – teils signifikant.

Demokratieindex des britischen Analyseunternehmens Economist Intelligence Unit (EIU)

Verschlechterung vor allem in Nichtdemokratien

Für die Verschlechterung des globalen Durchschnittswerts von 5,29 im Vorjahr auf den Tiefstand von 5,23 Zählern seien vor allem die Entwicklungen in Nichtdemokratien verantwortlich, beispielsweise durch den dortigen Anstieg gewaltsamer Konflikte und autoritärer Übergriffe, hieß es in einer Mitteilung.

„Autoritäre Regime“ hätten sich weiter verfestigt, und Länder, die als „hybride Regime“ eingestuft wurden, täten sich schwer, sich zu demokratisieren. Die größten Rückschritte gab es laut Studie in der Sahelzone und in Westafrika. Angesicht der Putsche in der Region in der jüngeren Vergangenheit ist das wenig verwunderlich. Auch in Lateinamerika und der Karibik sowie im Nahen Osten verschlechterten sich viele Länder.

Fünf Demokratiekategorien, vier Ländertypen

Die Studien bewertet die Demokratie mit insgesamt 60 Fragen in fünf Kategorien: Wahlverfahren und Pluralismus, Funktionsweise der Regierung, politische Beteiligung, politische Kultur und bürgerliche Freiheiten. Daraus wird sowohl in den Einzelkategorien als auch in der Gesamtwertung ein Index von null bis zehn errechnet.

Je nach erreichten Punkten sieht der Index vier Arten von Staaten vor. In vollwertigen Demokratien gibt es keine gröberen Mängel. Nur 24 der 167 untersuchten Ländern fallen in diese Kategorie, in ihnen leben 7,8 Prozent der Weltbevölkerung. Auf den Topplätzen lagen wie im Vorjahr Norwegen, Neuseeland und Island.

Österreich leicht verbessert

Österreich hat sich heuer im Vergleich zum Vorjahr von Platz 20 auf Rang 18 verbessert. Mit 8,28 von möglichen zehn Punkten wurde das beste Ergebnis seit 2019 erreicht. Allerdings war Österreich in den 2000er und 2010er Jahren schon deutlich besser bewertet worden. Luft nach oben sei vor allem bei den Kategorien der funktionierenden Regierung und der politischen Kultur im Land.

In mangelhaften Demokratien finden ebenfalls freie und faire Wahlen statt, es gibt aber etwa Verstöße gegen die Medienfreiheit, eine unterentwickelte politische Kultur und ein niedriges Niveau der politischen Beteiligung. Zu den 50 Ländern dieser Kategorie zählen unter anderem die USA, Indien, Brasilien und auch etliche europäische Länder wie Italien, Portugal und Belgien.

Ukraine rutscht ab

Als „hybride Regime“ werden Länder bezeichnet, in denen es etwa bei Wahlen zu erheblichen Unregelmäßigkeiten kommt. Druck auf die Opposition ist ebenso ein häufiges Merkmal wie weit verbreitete Korruption, ausgehöhlte Rechtsstaatlichkeit und eine schwach ausgeprägte Zivilgesellschaft. Die Türkei, Mexiko und auch die Ukraine sind hier gelistet.

Die Ukraine verlor vier Plätze. Kritisiert wird die Machtkonzentration des Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf Kosten der Exekutive und des Parlaments seit Kriegsbeginn, außerdem heißt es: „Korruption ist nach wie vor ein Problem, und das Kriegsrecht wurde bis zum Äußersten ausgeübt.“

Mit 59 Ländern sind autoritäre Regime die bei Weitem größte Gruppe – sie umfasst fast 40 Prozent der Weltbevölkerung. Russland ist hier insgesamt auf Platz 144 zu finden. Auf den letzten Plätzen finden sich Nordkorea, Myanmar und Afghanistan.