Der Kritiker der russischen Führung, Alexej Nawalny
Reuters/Yulia Morozova
Behörde

Kreml-Kritiker Nawalny ist tot

Der prominenteste russische Kritiker des Kreml, Alexej Nawalny, ist tot. Das teilte die Gefängnisverwaltung FSIN am Freitag mit. Er starb in der Strafkolonie in der russischen Polarregion, wie die Behörde mitteilte. Die Gründe für seinen Tod würden untersucht, hieß es weiter. Nawalnys Team kann den Tod des 47-Jährigen bisher nach eigenen Angaben nicht bestätigen.

Nawalny „fühlte sich nach einem Spaziergang schlecht und verlor fast unverzüglich das Bewusstsein“, erklärte die Behörde. Medizinisches Personal sei sofort zur Stelle gewesen, auch sei ein Krankenwagen gerufen worden. „Es wurden Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt, die keine positiven Ergebnisse brachten“, gab FSIN weiter an. Der kremlnahe TV-Sender RT meldete, Nawalny sei an einem Blutgerinnsel gestorben, das sich gelöst habe. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es nicht.

Nawalny wurde unter anderem wegen angeblichen „Extremismus“ zu insgesamt 19 Jahren Lagerhaft verurteilt. International jedoch wird der Politiker, der 2020 nur knapp einen Mordanschlag mit einem Nervengift der Nowitschok-Gruppe überlebte, als politischer Gefangener eingestuft. Menschenrechtsorganisationen fordern seit Langem Nawalnys Freilassung. Ende 2023 wurde er in eine Strafkolonie in der Polarregion verlegt.

Analyse: Nawalnys Bedeutung für die Opposition

ORF-Russland-Spezialist Paul Krisai sprach über den Tod von Alexej Nawalny, die Hintergründe und die Bedeutung, die Nawalny für die Opposition in Russland hatte.

Witwe ruft zu Kampf auf

Nawalnys Team erklärte, es habe bisher keine Bestätigung für den Tod des Oppositionellen erhalten. Sein Anwalt Leonid Solowjow sagte der kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“: „Auf Entscheidung von Alexej Nawalnys Familie kommentiere ich überhaupt nichts.“ Solowjow sei auf dem Weg in das Straflager, das etwa 2.000 Kilometer von Moskau entfernt liegt, hieß es.

Die Strafkolnie in der Alexei Navalny untergebracht war
Reuters
Seit Ende des Vorjahres war Nawalny im Straflager „Polarwolf“ inhaftiert

Auch Nawalnys Ehefrau Julia konnte die Todesnachricht nach eigenen Angaben nicht bestätigen. „Ich weiß nicht, ob wir den schrecklichen Nachrichten glauben sollen, die wir ausschließlich aus staatlichen russischen Quellen erhalten“, sagte sie am Freitag bei der Münchner Sicherheitskonferenz. „Wir können Putin und Putins Regierung nicht glauben“, fügte sie hinzu, „sie lügen immer.“

Sollte die Nachricht stimmen, müsse sich Putin für den Tod ihres Mannes verantworten, sagte sie. Putin und seine Unterstützer dürften nicht straflos davonkommen für das, „was sie unserem Land, meiner Familie und meinem Mann angetan haben“. Der Tag, an dem sie zur Verantwortung gezogen würden, werde bald kommen. „Ich möchte die internationale Gemeinschaft und alle Leute in diesem Saal dazu aufrufen, dass sie sich vereinigen und das Böse bekämpfen.“

TV-Hinweis

ORF2 ändert sein Programm und sendet um 20.15 Uhr eine Spezial-ZIB zum Tod Nawalnys. Die ZIB2 startet um 22.15 Uhr und wird um 15 Minuten verlängert. Danach folgt um 23.00 Uhr die Doku „Nawalny“ des kanadischen Regisseurs Daniel Roher. Die Doku ist auch ab sofort auf ORF ON und in den TVthek-Apps zu sehen.

„Ich möchte keine Beileidsbekundungen hören“, zitierte die „Nowaja Gaseta“ indes die Mutter Nawalnys. Sie habe ihren Sohn erst am Montag im Straflager besucht, fügte sie hinzu: „Er war lebendig, gesund und lebenslustig.“

Kreml: Keine Informationen zu Todesursache

Das russische Präsidialamt hat nach eigenen Angaben keine Informationen über die Ursache des Todes von Nawalny. Die Strafvollzugsbehörde unternehme alle Untersuchungen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Laut staatlichen russischen Agenturen wurde Präsident Wladimir Putin über den Tod des Oppositionellen informiert.

Video zeigt Nawalny am Donnerstag

Ende Dezember war bekanntgeworden, dass der 47-Jährige in das entlegene Straflager „Polarwolf“ in der Jamal-Region weitab vom Machtzentrum Moskau verlegt worden war. Zuvor hatten seine Unterstützer und Unterstützerinnen wochenlang nach ihm gesucht, weil das russische Strafvollzugssystem ihnen keine Auskunft über Nawalnys Verbleib gegeben hatte.

Kurz nach der Nachricht über den Tod Nawalnys veröffentlichten unabhängige russische Medien ein Video, das den Oppositionellen während eines Gerichtstermins am Donnerstag zeigen soll.

Nur einen Tag vor seinem Tod habe Nawalny den Umständen entsprechend noch „fröhlich, gesund und munter“ gewirkt, hieß es auf dem Telegram-Kanal Sota am Freitag. In dem rund 30 Sekunden langen Clip ist zu sehen, wie Nawalny spricht und lächelt. Er war laut Medien per Video in den Gerichtssaal zugeschaltet.

Internationales Entsetzen

International wurde der Tod Nawalnys mit Entsetzen und scharfer Kritik am Putin-Regime quittiert, mitunter verbunden mit Schuldzuweisungen an den russischen Machthaber. Österreich forderte eine vollumfängliche Untersuchung der Todesumstände. Nawalny wurde international als politischer Gefangener anerkannt.

Die USA, die EU und Österreich hatten wiederholt die sofortige Freilassung des Oppositionspolitikers gefordert. Russland wies das aber als Einmischung in seine inneren Angelegenheiten zurück. Der Kreml teilte auch mit, dass er sich nicht um das Schicksal von Gefangenen in Russland kümmern könne.