Ein Zeltlager an der Ägyptischen Grenze
APA/AFP/Mohammed Abed
Palästinenser

UNO warnt vor Vertreibung nach Ägypten

Der Hohe Flüchtlingskommissar der UNO, Filippo Grandi, hat am Freitag gewarnt, die Flucht von Palästinensern und Palästinenserinnen aus dem Gazastreifen nach Ägypten würde ein Desaster werden. Das gelte für die Palästinenser, für Ägypten und für einen künftigen Frieden, sagte er Reuters am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Laut dem „Wall Street Journal“ („WSJ“) will Ägypten ein Flüchtlingslager in der Wüste für Palästinenser und Palästinenserinnen errichten.

Offiziell gibt es allerdings keine Bestätigung. Grandi geht offenbar auch nicht davon aus. „Die Ägypter haben gesagt, dass die Menschen im Gazastreifen bleiben sollen, und daran arbeiten wir“, so der UNO-Kommissar weiter.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte unterdessen beim Empfang des jordanischen Königs Abdullah II. vor einer „beispiellosen humanitären Katastrophe“ im Fall einer israelischen Offensive auf Rafah. „Ich teile die Befürchtungen Jordaniens und Ägyptens, dass es zu einer gewaltsamen und massiven Vertreibung der Bevölkerung kommen könnte“, sagte Macron am Freitag in Paris.

Ein Zeltlager an der Ägyptischen Grenze
APA/AFP/Mohammed Abed
Ein Zeltlager an der ägyptischen Grenze

Laut „WSJ“ baut Ägypten aus Sorge vor einer Massenflucht aus dem Gazastreifen im Fall einer Bodenoffensive Israels in Rafah in der Wüste ein riesiges Auffanglager umgeben von hohen Betonmauern. In dem nahe der Grenze zum Gazastreifen auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel gelegenen Lager könnten mehr als 100.000 Menschen in Zelten untergebracht werden, berichtete das „WSJ“ am Donnerstag unter Berufung auf ägyptische Beamte und Sicherheitsanalysten.

Gouverneur dementiert Bau

Seit Wochen versucht Ägypten, die Sicherheit entlang der Grenze zum Gazastreifen mit Soldaten, Zäunen und gepanzerten Fahrzeugen zu erhöhen, um zu verhindern, dass es zu einer Massenflucht verzweifelter Palästinenserinnen und Palästinenser auf den Sinai kommt. Das geplante Lager sei Teil eines Notfallplans für den Fall, dass einer großen Zahl von Menschen eine solche Flucht gelingt.

Satellitenbild eines Zeltlagers an der Ägyptischen Grenze
APA/AFP/Satellite Image/Maxar Technologies
Satellitenbild eines Zeltlagers an der ägyptischen Grenze vom 15. Februar

Der Gouverneur der ägyptischen Region Nordsinai habe allerdings am Donnerstag erste Berichte über den Bau eines potenziellen Flüchtlingslagers für Palästinenser dementiert und erklärt, die Aktivitäten in dem Gebiet seien Teil einer Bestandsaufnahme der Häuser, die während Ägyptens vergangener Militärkampagne gegen die Extremisten des Islamischen Staates (IS) in dem Gebiet zerstört worden seien, hieß es.

Palästinenser beim Grenzzaun zwischen Gaza und Ägypten
Reuters/Ibraheem Abu Mustafa
Der Grenzzaun zwischen Ägypten und Gaza

Netanjahu: Hamas zerschlagen

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte dem Militär kürzlich den Befehl erteilt, Pläne für eine Offensive in der an Ägypten grenzenden Stadt Rafah im Süden Gazas sowie für die Verlegung der dortigen Zivilisten zu unterbreiten. Es gehe darum, die letzten Kampfeinheiten der Hamas zu zerschlagen.

In Rafah halten sich nach UNO-Angaben rund 1,4 Millionen Menschen auf. Die meisten flohen vor dem Krieg aus anderen Teilen des Gazastreifens dorthin, zum Teil auf Anordnung des israelischen Militärs.

Grafik zum Gaza-Krieg
Grafik: APA/ORF; Quelle: BBC/ISW

„WSJ“: Weit von ägyptischen Siedlungen entfernt

Im Falle einer großen Flucht von Palästinensern aus Gaza würde Ägypten versuchen, die Zahl der Flüchtlinge im Idealfall auf etwa 50.000 bis 60.000 zu begrenzen, auch wenn das neue Wüstenlager mit einer Fläche von rund 20 Quadratkilometern mehr als 100.000 aufnehmen könnte, berichtete die Zeitung.

Baumaschinen in Ägypten nahe Rafah entdeckt

Einem „Wall Street Journal“-Bericht zufolge baut Ägypten in der Wüste Sinai ein riesiges Auffanglager für die palästinensische Bevölkerung umgeben von hohen Betonmauern. Im Falle einer israelischen Bodenoffensive in Rafah in Südgaza fürchtet man eine Massenflucht.

Das geplante Lager sei weit von ägyptischen Siedlungen entfernt gelegen, hieß es. Eine große Anzahl von Zelten sei bereits dorthin gebracht worden, bisher aber nicht aufgebaut, zitierte die Zeitung ägyptische Beamte.

Satellitenaufnahme zeigt Menschen in den Straßen in Rafah
Reuters/Maxar Technologies
Satellitenaufnahme von Straßen in Rafah vom 3. Februar

Weiter gegen Palästinenserstaat

Netanjahu sperrte sich am Freitag auch erneut gegen Pläne, einen Palästinenserstaat zu gründen. „Israel lehnt internationale Vorgaben bezüglich einer dauerhaften Regelung mit den Palästinensern kategorisch ab“, so Netanjahu nach einem Gespräch mit US-Präsident Joe Biden. „Israel wird weiterhin die einseitige Anerkennung eines palästinensischen Staates ablehnen.“

Die Gründung eines Palästinenserstaates könne nur in direkten Verhandlungen zwischen den beiden Seiten erreicht werden. Allerdings liegen bilaterale Verhandlungen seit 2014 auf Eis. Die „Washington Post“ hatte berichtet, dass die USA gemeinsam mit arabischen Ländern an einem Nachkriegsplan arbeiten. Teil davon sei ein verbindlicher Zeitplan für die Gründung eines palästinensischen Staates.

Ägypten soll Israel gedroht haben

Israels geplante Militäroffensive in Rafah stößt international auf wachsende Kritik. Ägypten drohte laut dem „Wall Street Journal“ angeblich sogar, seinen Friedensvertrag mit Israel aufzukündigen, sollte es zu Massenflucht kommen. Sollte sich Israel zu der Offensive entschließen, würde das Militär versuchen, die Zivilbevölkerung nach Norden – aus der Kampfzone heraus, aber innerhalb des Gazastreifens – zu verlagern, zitierte die Zeitung einen ranghohen Vertreter des israelischen Militärs.

Satellitenaufnahme zeigt Zeltlager in Rafah
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Ein Satellitenbild vom 7. Februar zeigt ein Zeltlager in Rafah für die aus anderen Teilen des Gazastreifens Geflüchteten

Biden fordert erneut Schutz der Bevölkerung

Auch die USA äußerten sich erneut kritisch. Biden mahnte in einem Telefonat mit Netanjahu erneut den Schutz der Zivilbevölkerung in Rafah ein. Biden habe in dem Gespräch seine Ansicht bekräftigt, „dass eine Militäroperation nicht ohne einen glaubwürdigen und durchführbaren Plan zur Gewährleistung der Sicherheit und Unterstützung der Zivilbevölkerung in Rafah stattfinden sollte“, teilte das Weiße Haus in der Nacht auf Freitag mit.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres warnte unterdessen am Freitag Israel erneut vor den Folgen einer militärischen Großoffensive in Rafah.