Präsidentin der EU Kommission Ursula von der Leyen
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Von der Leyen

Anlauf für zweite Amtszeit

Als erste Frau steht Ursula von der Leyen seit Ende 2019 an der Spitze der EU-Kommission. Am Montag wurde die 65-Jährige beim CDU-Präsidium in Berlin zur Spitzenkandidatin der Union nominiert. Damit ist der Weg für sie frei, auch Spitzenkandidatin der EVP bei der EU-Wahl zu werden – und zu einer zweiten Amtszeit an der Spitze der EU-Kommission.

Mit der Bewerbung für eine zweite Amtszeit habe sie eine „ganz bewusste und wohlüberlegte Entscheidung“ getroffen, sagte von der Leyen. In den vergangenen fünf Jahren sei nicht nur ihre Leidenschaft für Europa gewachsen, „sondern natürlich auch meine Erfahrung, wie viel dieses Europa für seine Menschen leisten kann“.

Von der Leyen verwies auf die EU-Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie: „Das war eine schlimme Zeit, wir mussten völlig neue Wege gehen“, sagte sie. Danach sei eine schwere wirtschaftliche Krise gekommen, auf die Europa mit großen Investitionen reagiert habe, sagte die CDU-Politikerin. Und nach Russlands Angriff auf die Ukraine sei die EU von Tag eins an fest an der Seite Kiews gestanden und habe der Erpressung von Präsident Wladimir Putin durch russisches Öl und Gas standgehalten.

Offizielle Kür Anfang März

Dass die Kommissionschefin nicht einfach ihre Kandidatur in Brüssel erklärte, obwohl sie auf europäischer Ebene tätig ist und wahrscheinlich auch bleiben will, hat mit dem komplizierten Verfahren zu tun. Von der Leyen muss nämlich erst von ihrer nationalen Partei nominiert werden.

Erst dann entscheidet die EVP Anfang März in Bukarest, dass sie von der Leyen als Spitzenkandidatin für die Europawahl aufstellt. Zweifel, dass sie Interesse an einer zweiten Amtszeit hat, gibt es nicht. Und die EVP kann sich derzeitigen Umfragen zufolge auch gute Chancen ausrechnen, wieder die Kommissionsspitze stellen zu dürfen. Dass sich die CDU-Politikerin so spät erklärt, hängt damit zusammen, dass sie als Kommissionspräsidentin möglichst lange neutral bleiben wollte.

„Spitzenkandidat“-Prinzip 2019 gebrochen

Das Prinzip, dass „Spitzenkandidaten“ zugleich Anwärter für die Spitze der nächsten EU-Kommission sind, gibt es seit 2014. Damals wurde der luxemburgische EVP-Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker 2014 Kommissionspräsident. 2019 wurde das Prinzip aber gleich gebrochen: Spitzenkandidat war der CSU-Politiker Manfred Weber, der aber nicht uneingeschränktes Vertrauen genoss.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zauberte auf einem EU-Gipfel von der Leyen aus dem Hut. Der damaligen deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kam das sehr gelegen: Von der Leyen war als Verteidigungsministerin angezählt und galt gleichzeitig als Konkurrentin Merkels. Mit ihrer Wegbeförderung lösten sich diese Probleme.

Krisenmanagerin mit Rückschlägen

An der Spitze der EU-Kommission gab sich von der Leyen als Krisenmanagerin: erst in der Coronavirus-Pandemie, dann im Ukraine-Krieg. Ein Nachspiel hatte der Multimilliardendeal, den sie mit Impfstoffriesen wie Pfizer abschloss. Die europäische Staatsanwaltschaft geht möglichen Unregelmäßigkeiten nach.

Ein Herzstück ihrer bisherigen Arbeit ist das Klimaschutzpaket „Green Deal“, mit dem sie Europa bis 2050 zum weltweit ersten klimaneutralen Kontinent machen will. Unter dem Druck von Bauernprotesten und Konservativen machte sie aber Abstriche beim Umweltschutz, einen Gesetzesvorschlag zum Pestizidabbau zog sie zurück.

Gute Chancen

In Umfragen liegt die Europäische Volkspartei (EVP), der auch die CDU und die ÖVP angehören, bisher klar vorn. Die Chancen sind deswegen groß, dass von der Leyen Präsidentin bleiben kann. Sollte die EVP stärkste Kraft werden, dürfte es aus Diplomatensicht jedenfalls deutlich weniger Widerstand als bei von der Leyens Kür vor rund fünf Jahren geben. „Eine amtierende Präsidentin abzulehnen ist schwierig“, sagte ein Diplomat zu Reuters. Da keine Einstimmigkeit nötig ist, dürfte auch der absehbare Widerstand etwa von Ungarns Regierungschef Viktor Orban keine Rolle spielen, der in der EU ohnehin isoliert ist.

Konkurrenz steht teilweise schon fest

Von der Leyens Konkurrentinnen und Konkurrenten bei der Wahl stehen teilweise schon fest. Der Luxemburger EU-Kommissar, der Sozialdemokrat Nicolas Schmit wird EU-weiter Spitzenkandidat seiner Parteifamilie bei der EU-Wahl im Juni. Schmits offizielle Kür soll auf einem Parteikongress am 2. März in Rom stattfinden.

Die Europäischen Grünen gehen wieder mit einem weiblich-männlichen Duo von Spitzenkandidaten in die Europawahl. Anfang Februar wurden auf einem Kongress in Lyon die deutsche Europaabgeordnete Terry Reintke und der niederländische EU-Parlamentarier Bas Eickhout gekürt.

Am 20. März wollen die europäischen Liberalen auf einem Kongress über den Spitzenkandidaten oder die Spitzenkandidatin entscheiden. EU-Ratsvorsitzender Charles Michel gilt hier als aussichtsreicher Bewerber. Die Europäische Linke will am 23. und 24. Februar in Ljubljana über ihre Spitzenkandidatin oder ihren Spitzenkandidaten entscheiden. Die Parteien der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) sowie der rechtspopulistischen Fraktion Identität und Demokratie (ID) sind prinzipiell gegen das Konzept, europaweite Spitzenkandidatinnen und -kandidaten aufzustellen.