Yulia Navalnaya bei der Münchner Sicherheitskonferenz
AP/Kai Pfaffenbach
Nawalny-Tod

Witwe ruft zu Kampf gegen Putin auf

Nach der Meldung der Behörden über den Tod von Russlands prominentestem Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat seine Ehefrau Julia Nawalnaja zum Kampf gegen die russische Führung aufgerufen. „Wir sollten heute gegen dieses schreckliche Regime in Russland kämpfen“, sagte sie am Freitag. Nawalnys Team sprach von Mord.

Russlands Staatschef Wladimir Putin und seine Verbündeten sollten „bestraft werden für das, was sie unserem Land, meiner Familie und meinem Mann angetan haben“, sagte Nawalnaja auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Putin müsse „persönlich für alle Gräueltaten zur Rechenschaft gezogen werden“.

Sie habe darüber nachgedacht, die Konferenz zu verlassen und zu ihren Kindern zurückzukehren, sagte Nawalnaja. Sie habe sich dann gefragt, was ihr Mann an ihrer Stelle getan hätte. „Und ich bin sicher: Er wäre hier auf dieser Bühne gestanden“, sagte Nawalnaja.

Tod in russischer Strafkolonie

Nach Angaben der Gefängnisverwaltung FSIN starb Nawalny am Freitag in einer Strafkolonie in der russischen Polarregion. Die Gründe für seinen Tod würden untersucht, hieß es. Nawalny „fühlte sich nach einem Spaziergang schlecht und verlor fast unverzüglich das Bewusstsein“, erklärte die Behörde. Medizinisches Personal sei sofort zur Stelle gewesen, auch sei ein Krankenwagen gerufen worden. „Es wurden Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt, die keine positiven Ergebnisse brachten“, gab FSIN weiter an.

Nawalnaja: Putin zur Rechenschaft ziehen

Nach der Meldung der Behörden über den Tod von Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat seine Ehefrau Julia Nawalnaja bei der 60. Münchner Sicherheitskonferenz zum Kampf gegen die russische Führung aufgerufen.

Der 47-Jährige wurde unter anderem wegen angeblichen „Extremismus“ zu insgesamt 19 Jahren Lagerhaft verurteilt. International jedoch wurde der Politiker, der 2020 nur knapp einen Mordanschlag mit einem Nervengift der Nowitschok-Gruppe überlebte, als politischer Gefangener eingestuft. Menschenrechtsorganisationen forderten seit Langem seine Freilassung.

Spekulationen über Todesursache

Der kremlnahe TV-Sender RT meldete, Nawalny sei an einem Blutgerinnsel gestorben, das sich gelöst habe. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es nicht. Die ehemalige FSIN-Analystin Anna Karetnikowa erklärte, Thromboembolien (Blutgerinnsel; Anm.)seien eine „allgemein komplexe und schwer zu beweisende Diagnose“.

Die Strafkolnie in der Alexei Navalny untergebracht war
Reuters
Seit Ende des Vorjahres war Nawalny im Straflager „Polarwolf“ inhaftiert

„Pulmonale Thromboembolie“ sei „die Bezeichnung für eine Krankheit, die zumindest von Gefängnisärzten“ in einem „übertragenen, leicht erweiterten Sinn verwendet wird. Etwa so: ‚Warum ist der Patient gestorben?‘ ‚Vergessen Sie’s, die schreiben sowieso nur Thromboembolie, wer soll das denn untersuchen?“, zitierte das russische Onlineportal Medusa aus einem Facebook-Eintrag Karetnikowas.

Das russische Präsidialamt hat nach eigenen Angaben keine Informationen über die Ursache des Todes von Nawalny. Die Strafvollzugsbehörde unternehme alle Untersuchungen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow Freitagmittag. Laut staatlichen russischen Agenturen wurde Präsident Putin über den Tod des Oppositionellen informiert.

Behörden warnen Anhänger vor Protesten

In Moskau legten Anhängerinnen und Anhänger Nawalnys Blumen an einem Denkmal für die Opfer politischer Repression nieder. Die Behörden warnten vor der Teilnahme an möglichen Protesten. Auch „die Organisation oder Durchführung nicht genehmigter Versammlungen sowie Aufrufe zu solchen Veranstaltungen“ stellten eine Ordnungswidrigkeit dar, teilte das Büro der Generalstaatsanwaltschaft mit. Dabei verwies die Behörde auf eine Reihe von Aufrufen, „an einer Massenkundgebung im Zentrum von Moskau teilzunehmen“.

Team: Nawalny „höchstwahrscheinlich tot“

Nawalnys Team konnte den Tod des 47-Jährigen nach eigenen Angaben bisher nicht bestätigen, geht aber davon aus, dass die Berichte stimmen. „Wir verstehen, dass es höchstwahrscheinlich so passiert ist, dass Alexej Nawalny getötet wurde. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit“, sagte der im Exil lebende Direktor von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung, Iwan Schdanow, Freitagabend.

„Wir werden euch keine Lügen erzählen darüber, dass es irgendeine Hoffnung gibt, dass sich morgen herausstellt, dass das nicht wahr ist“, sagte er. „Eine solche Chance ist geringfügig.“ Schdanow fügte hinzu: „Derzeit deutet alles darauf hin, dass sich tatsächlich ein Mord ereignet hat– der Mord an Alexej Nawalny im Gefängnis. Und getötet hat ihn (Wladimir) Putin.“

In Straflager verlegt

Ende Dezember war bekanntgeworden, dass der 47-Jährige in das entlegene Straflager „Polarwolf“ in der Jamal-Region weitab vom Machtzentrum Moskau verlegt worden war. Zuvor hatten seine Unterstützer und Unterstützerinnen wochenlang nach ihm gesucht, weil das russische Strafvollzugssystem ihnen keine Auskunft über Nawalnys Verbleib gegeben hatte.

Kurz nach der Nachricht über den Tod Nawalnys veröffentlichten unabhängige russische Medien ein Video, das den Oppositionellen während eines Gerichtstermins am Donnerstag zeigen soll. Nur einen Tag vor seinem Tod habe Nawalny den Umständen entsprechend noch „fröhlich, gesund und munter“ gewirkt, hieß es auf dem Telegram-Kanal Sota am Freitag. In dem rund 30 Sekunden langen Clip ist zu sehen, wie Nawalny spricht und lächelt. Er war laut Medien per Video in den Gerichtssaal zugeschaltet.

„Ich möchte keine Beileidsbekundungen hören“, sagte Nawalnys Mutter. Sie habe ihren Sohn erst am Montag im Straflager besucht, fügte sie hinzu: „Er war lebendig, gesund und lebenslustig.“

Internationales Entsetzen

International wurde der Tod Nawalnys mit Entsetzen und scharfer Kritik am Putin-Regime quittiert, mitunter verbunden mit Schuldzuweisungen an den russischen Machthaber. Österreich forderte eine vollumfängliche Untersuchung der Todesumstände. Nawalny wurde international als politischer Gefangener anerkannt. Russland wies das als Einmischung in seine inneren Angelegenheiten zurück.