Provisorische Gedenkstätte für Alexei Navalny in Sankt Petersburg
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Biden

Putin für Tod von Nawalny „verantwortlich“

Entsetzen und Empörung – und eine klare Schuldzuweisung an den Kreml, so reagierte der Westen auf den plötzlichen Tod des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny in einer russischen Strafkolonie. US-Präsident Joe Biden sagte, auch wenn man die genauen Umstände des Todes noch nicht kenne, sei dennoch klar: Russlands Präsident Wladimir Putin sei für Nawalnys Tod „verantwortlich“.

Nawalnys Team hatte dem Kreml wiederholt vorgeworfen, alles zu tun, um den wichtigsten Gegner Putins auszuschalten. Die Warnungen blieben ungehört, Nawalny starb laut Angaben der Gefängnisverwaltung in der Strafkolonie in der Arktisregion, in die er im Vorjahr verlegt worden war. Nawalnys Mutter sagte, sie habe ihren Sohn erst am Montag im Straflager besucht. „Er war lebendig, gesund und lebenslustig“, sagte sie in der kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“.

US-Präsident Joe Biden machte Putin direkt verantwortlich. Die Berichte über dessen Tod hätten ihn nicht überrascht, aber empört, so Biden in Washington. „Täuschen Sie sich nicht: Putin ist verantwortlich für Nawalnys Tod“, so Biden, der zugleich einräumte, dass die USA die Details des Todes noch nicht kennen. „Was Nawalny zugestoßen ist, ist ein weiterer Beweis für Putins Brutalität. Niemand sollte sich da etwas vormachen.“

Joe Biden während einer Pressekonferenz
Reuters/Leah Millis
Biden macht Putin direkt für Nawalnys Tod verantwortlich

USA „prüfen Optionen“

Nawalny habe sich mutig gegen die Korruption, die Gewalt „und all die schlechten Dinge“ gewehrt, die die Putin-Regierung getan habe. Mit Blick auf eine mögliche Reaktion der US-Regierung sagte Biden, er prüfe „Optionen“, Einzelheiten nannte er aber nicht.

Es sei offensichtlich, dass Nawalny von Putin getötet worden sei, so auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einem Presseauftritt in Berlin. Putin sei es gleichgültig, wer sterbe, ihm gehe es nur um den Machterhalt. „Es ist für mich offensichtlich: Er wurde getötet. Wie andere Tausende, die zu Tode gequält wurden wegen dieses einen Menschen.“ Der russische Staatschef müsse „für seine Verbrechen bezahlen“.

Tiefe Bestürzung über Tod von Nawalny

Die Nachricht über den Tod des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny hat bei vielen am Rande der Sicherheitskonferenz in München für tiefe Bestürzung gesorgt. NATO-Chef Jens Stoltenberg machte deutlich, dass Russland nun Rede und Antwort über die genauen Umstände stehen müsse.

„EU hält russisches Regime für alleinverantwortlich“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reagierte „zutiefst beunruhigt und traurig“: „Eine düstere Erinnerung daran, worum es Putin und seinem Regime geht“, schrieb von der Leyen auf X (Twitter). Der Kreml-Chef fürchte nichts mehr als Widerspruch seines eigenen Volkes.

Nawalny habe „für seine Ideale das ultimative Opfer“ gebracht, erklärte am Freitag EU-Ratspräsident Charles Michel auf X. „Die EU hält das russische Regime für alleinverantwortlich für diesen tragischen Tod“, hieß es. „Kämpfer sterben“, so Michel, aber der Kampf um Freiheit ende nie.

Internationale Reaktionen auf Nawalnys Tod

Der Tod von Kreml-Kritiker Nawalny hat im Westen für Empörung und Schuldzuweisungen geführt.

"Tief betroffen und beunruhigt

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg reagierte „tief betroffen und beunruhigt“ und übte scharfe Kritik am russischen Präsidenten Wladimir Putin. „Was wir gesehen haben, ist, dass Russland zu einer immer autoritäreren Macht geworden ist und seit vielen Jahren die Opposition unterdrückt“, sagte er. Gerade auch deswegen müsse Russland alle Fragen beantworten, die jetzt gestellt würden.

Das UNO-Menschenrechtsbüro forderte von Moskau die Freilassung aller staatlich Verfolgten. Man sei „entsetzt“ über Nawalnys Tod, so eine Sprecherin von Menschenrechtshochkommissar Volker Türk. Aus Sicht des Büros sei bei jedem Todesfall eines Gefangenen davon auszugehen, dass der jeweilige Staat dafür verantwortlich zu machen sei. Auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte sich schockiert und forderte eine „umfassende, glaubwürdige und transparente Untersuchung“ der Umstände.

Menschen gedenken Alexei Navalny in Sankt Petersburg
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Beim Mahnmal der Opfer politischer Repression in St. Petersburg gedenken Menschen Nawalnys

Russische Botschaft protestiert gegen Van der Bellen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen reagierte „erschüttert“. Putin „und sein mörderisches Regime haben das zu verantworten“, so Van der Bellen, der auch Nawalnys Angehörigen kondolierte. Ähnlich äußerte sich Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), der eine „internationale Untersuchung“ der Todesumstände forderte.

Van der Bellens Reaktion zog eine Antwort aus Russlands Botschaft nach sich: „Im Zusammenhang mit von Bundespräsident Alexander Van der Bellen getätigten beleidigenden Äußerungen in Bezug auf Russland und die russische Führung hat die Botschaft entschiedenen Protest beim österreichischen Außenministerium eingelegt“, hieß es auf X. In einer Verbalnote sei darauf hingewiesen worden, dass eine derartige empörende Rhetorik nicht hingenommen werden könne.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) würdigte den als politischer Häftling verstorbenen Nawalny am Freitag als „Verfechter eines offeneren und demokratischeren Russlands“ und forderte eine „vollumfängliche, unabhängige Untersuchung der Umstände seines Todes“.

In mehreren europäischen Städten, darunter auch in Wien, kamen am Freitag Demonstrierende vor den russischen Botschaften zusammen. Sie skandierten dabei Slogans wie „Putin ist ein Mörder“. In Berlin fanden sich mehr als 1.000 Menschen ein, sagte eine Sprecherin der Polizei.

Alexei Navalny, mit Tochter Dasha, Sohn Zakhar und Ehefrau Yulia
APA/AFP/Vasily Maximov
Nawalny hinterlässt seine Frau und Mitstreiterin Julia sowie zwei Kinder

„Nawalny war ein gewaltloser politischer Gefangener, der nur aufgrund seines friedlichen politischen Engagements von den russischen Behörden verfolgt wurde“, sagte Shoura Zehetner-Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.

GB bestellt russisches Botschaftspersonal ein

Die britische Regierung bestellte unterdessen diplomatisches Personal der russischen Botschaft ein. Damit wolle London deutlich machen, dass es „die russischen Behörden uneingeschränkt verantwortlich“ für Nawalnys Tod mache, erklärte das britische Außenministerium am Freitag. Nawalnys Tod in einer Strafkolonie in der russischen Polarregion müsse „vollständig und transparent untersucht“ werden, hieß es weiter.

Aus dem britischen Außenministerium hieß es weiter, in den vergangenen Jahren hätten die russischen Behörden Nawalny „aufgrund falscher Anschuldigungen inhaftiert, ihn mit einem verbotenen Nervenkampfstoff vergiftet und in eine arktische Strafkolonie geschickt“. Niemand solle „an der Brutalität des russischen Systems zweifeln“.

Nawalny „bezahlte mit dem Leben“

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron reagierte auf X empört. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz nannte den Tod Nawalnys bedrückend. Man wisse jetzt genau, was in Moskau für ein Regime regiere. Russland sei „längst keine Demokratie mehr“.

Lettlands Staatschef wurde deutlich: „Was auch immer Sie über Alexej Nawalny als Politiker denken, er wurde einfach vom Kreml brutal ermordet“, so Rinkevics auf X: „Das ist eine Tatsache und etwas, das man über die wahre Natur des gegenwärtigen russischen Regimes wissen sollte.“ Sein Beileid gelte der Familie und den Freunden Nawalnys.

Polens Ministerpräsident Donald Tusk schrieb auf X: „Alexej, wir werden dich nie vergessen. Und wir werden ihnen nie vergeben“. Das polnische Außenministerium erklärte, die russische Regierung trage die alleinige Verantwortung für den Tod Nawalnys.

Nadeschdin würdigt Nawalny

Der russische Oppositionspolitiker Boris Nadeschdin, der kürzlich von der Kandidatur zum Präsidentenamt ausgeschlossen worden war, würdigte Nawalny. Dieser sei „einer der talentiertesten und mutigsten Menschen Russlands“ gewesen.

Russland: Anwürfe „selbstentlarvend“

Das russische Außenministerium kritisierte die Anschuldigungen als „selbstentlarvend“. Obwohl die gerichtsmedizinischen Ergebnisse zu Nawalnys Tod noch nicht vorlägen, habe der Westen bereits seine eigenen Schlussfolgerungen gezogen, schrieb Außenamtssprecherin Maria Sacharowa auf Telegram. Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow sagte gar, die Kommentare westlicher Politiker seien „absolut tollwütig“.

Der Vorsitzende der russischen Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, drehte seinerseits den Spieß um. Westliche Politiker, „die eine große Anzahl von Fehlentscheidungen getroffen haben und sich an ihre Positionen klammern, profitieren von seinem Tod“, erklärte er auf Telegram, ohne die Anschuldigung weiter zu erläutern. Weiter warf er dem Westen vor, Russland „zerstören“ zu wollen.

Nawalny selbst sagte einmal zu CNN: „Wenn sie beschließen, mich zu töten, dann bedeutet das, dass wir unglaublich stark sind. Wir müssen diese Macht nutzen und dürfen nicht aufgeben“, so Nawalny. „Wir sind uns nicht bewusst, wie stark wir eigentlich sind.“