Berlinale: Dunham und Fry über Humor trotz Auschwitz

Ein Vater-Tochter-Roadmovie auf der Suche nach den eigenen Wurzeln feierte gestern Abend in Berlin seine Premiere: In der Tragikomödie „Treasure“ von Regisseurin Julia von Heinz spielt Stephen Fry den Holocaust-Überlebenden Edek und Lena Dunham seine Tochter Ruth, die ihren Vater überredet, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs eine Reise nach Polen anzutreten – ein Land, in das er nie wieder zurückwollte.

Von Heinz verfasste das Drehbuch auf Basis von Lily Bretts autobiografischem Roman „Zu viele Männer“ (2002). Die Regisseurin arbeitete schon seit acht Jahren an dem Projekt, wie sie sagte, doch nun habe sich das Team sehr beeilt, den Film fertigzustellen, weil er genau jetzt, im Kontext des wachsenden Antisemitismus, wichtig sei: „Wir konnten nicht ahnen, was am 7. Oktober und danach passieren würde, aber wir wussten, das wird den Film verändern.“

Filmstill aus „Treasure“
Berlinale/Anne Wilk

Dunham, die den Film auch produziert hat, hat ebenso wie Fry Familienmitglieder, die im Holocaust ermordet wurden. Sie betonte: „Der Film handelt von einem enormen Akt der Gewalt und dessen intergenerationalen Konsequenzen und davon, was Antisemitismus bis heute für eine Auswirkung hat und wie sehr das Erbe von Gewalt uns alle beeinflusst.“

Humor als Überlebensstrategie

Der Film, der im September in die heimischen Kinos kommt, schildert, wie die von Ruth minutiös geplante Reise mit der Ankunft ihres Vaters Edek ins Chaos zu stürzen droht: Er weigert sich, die gebuchten Zugtickets zu verwenden, und verbrüdert sich noch am Flughafen mit einem Taxifahrer, er flirtet mit anderen Reisenden im Hotel und macht sich über die komplizierten Ernährungsgewohnheiten seiner Tochter lustig. Erst nach und nach wird klar, wie sehr seine joviale Haltung eine Überlebensstrategie ist.

Fry sprach über Edek als heroischen Vater: „Wenn man so etwas überlebt hat, nach New York geht und eine kleine Tochter bekommt, will man ihr mit dem Jüdischsein keine Bürde auferlegen, sondern vermitteln, dass Jüdischsein ein warmes Familiengefühl bedeutet, Liebe und Humor. Aber man muss seine Kinder auch verstehen lassen, wie die Welt beschaffen ist und woher sie stammen – und davon handelt der Film auch.“

Nicht denkbar ohne Fry und Dunham

Für Fry war die Mitarbeit an dem Film in vielerlei Hinsicht ein persönliches Anliegen. Erst kurz vor Weihnachten hatte er als Reaktion auf den weltweit wachsenden Antisemitismus in Großbritannien in einem Instagram-Beitrag über seine eigene Identität als Jude und Engländer gesprochen: „Ich will verdammt sein, wenn ich irgendwelchen Antisemiten die Deutungshoheit über das Wort Jude überlasse.“

Die Besetzung mit Fry und Dunham, beide für ihr komödiantisches Timing bekannt, war für von Heinz eine essenzielle Entscheidung: „Der Humor, den dieser Film hat, ist schon im Buch von Lily Brett angelegt. Als ich Lilys Bücher in den 90er Jahren zu lesen begonnen habe, hat sie damit für mich eine Tür aufgestoßen – denn als Deutsche, die viel zum Thema gelesen hat, war für mich Humor im Kontext des Holocaust kaum denkbar.“

„Für mich ist es einfacher, Drama zu inszenieren, und der Humor in dieser Geschichte war eine unglaubliche Herausforderung. Also habe ich Schauspieler gesucht, die mich zum Lachen bringen – es hätten keine anderen spielen können.“

Am Zaun von Auschwitz

Brett, auf deren eigenen Erlebnissen die Figur von Ruth beruht, stand Dunham zur Vorbereitung zur Verfügung, „ich durfte sie via Zoom löchern“, so Dunham, „zu ihrem Verhältnis zu ihrem Vater, wie es war, mit diesen Eltern aufzuwachsen, zu ihrer Arbeit.“

Die Dreharbeiten zu „Treasure“, für den das Team eine Drehgenehmigung direkt am Außenzaun der KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau bekam, waren für Fry erschütternd, sagte er in Berlin: „Dort zu filmen im Wissen, dass Familienmitglieder von mir dort umgekommen sind, war ein außergewöhnliches Gefühl. Meine Familie wollte, dass ich in einer freien Umgebung unbelastet aufwachse. Doch es ist wichtig, Geschichte zu verstehen. Sie wiederholt sich zwar nicht, aber wie jemand einmal gesagt hat: Sie reimt sich.“