Pathologie in Salechard, Russland
IMAGO/TASS/Peter Kovalev
Nawalny tot

Leiche liegt offenbar in Krankenhaus

Die Leiche von Kreml-Kritiker Alexej Nawalny soll im Bezirkskrankenhaus der Stadt Salechard im hohen Norden Sibiriens aufbewahrt werden. Das berichtete die kremlkritische „Nowaja Gaseta Europa“ am Sonntag. Eine Obduktion habe zumindest bis Samstag noch nicht stattgefunden, hieß es. Der Körper des Toten soll blaue Flecken aufweisen.

Salechard ist die Hauptstadt des Autonomen Kreises der Jamal-Nenzen. Das Straflager „Polarwolf“, in dem Nawalny starb, liegt etwa 50 Kilometer Luftlinie nordwestlich davon – bereits jenseits des Polarkreises. Eine offizielle Bestätigung für diese Angaben gibt es nicht. Die Angehörigen Nawalnys haben bisher keinen Zugang zum Leichnam des 47-Jährigen erhalten.

Nawalny war nach russischen Behördenangaben am Freitag bei einem Hofgang im Straflager bei eisigen Temperaturen zusammengebrochen. Wiederbelebungsversuche waren nach Angaben des Strafvollzugs erfolglos.

Mutter sucht Leiche

Menschenrechtler werfen dem russischen Machtapparat Mord vor. Auch die Mitarbeiter des prominenten Antikorruptionskämpfers gingen davon aus, dass Nawalny gezielt getötet wurde. Die Mutter Nawalnys versuchte bisher vergebens, ihren toten Sohn abzuholen. Weder in der Strafkolonie noch in Salechard wurde ihr der Leichnam übergeben.

Die „Nowaja Gaseta“ zitiert einen anonymen Mitarbeiter des Notfalldienstes. Die blauen Flecken zeugen dessen Angaben nach davon, dass Nawalny vor dem Tod Krämpfe gehabt habe und von Mitarbeitern des Straflagers festgehalten wurde. Ein Bluterguss auf der Brust sei zudem Indiz für tatsächlich vorgenommene Wiederbelebungsversuche.

Allerdings geht aus dem Zeitungsbericht hervor, dass der Informant selbst Nawalny nach dessen Tod ebenfalls nicht gesehen, sondern über seinen Zustand nur von Kollegen informiert worden sei. Einem Anwalt Nawalnys sei gesagt worden, dass die Todesursache noch nicht bekannt und eine weitere histologische Untersuchung erfolgt sei, deren Ergebnisse in der nächsten Woche zu erwarten seien, hieß es am Samstag von Nawalnys Team.

Die Mutter von Alexei Navalny in Salechard, Russland
Reuters/Maxim Shemetov
Die Mutter von Alexej Nawalny fordert, dass ihr der Leichnam ihres Sohnes übergeben wird

Mehr als 12.000 Menschen hätten einen Aufruf unterstützt, die Leiche von Nawalny dessen Hinterbliebenen zu übergeben, teilte die Bürgerrechtsplattform OWD-Info mit. OWD-Info hatte den Aufruf selbst erst am späten Samstagnachmittag gestartet. „Die Herausgabe der Leiche muss so schnell wie möglich erfolgen. Wenigstens nach seinem Tod sollte Alexej Nawalny bei seinen Angehörigen sein“, heißt es in der Erklärung.

US-Botschafterin besucht Gedenkstätte

Die US-Botschafterin in Moskau, Lynne Tracy, besuchte am Sonntag eine improvisierte Gedenkstätte für Nawalny. Die US-Botschaft veröffentlichte ein Foto von Tracy vor Blumen am Solowezki-Stein in Moskau, einem Mahnmal für die Opfer politischer Unterdrückung, das zu einem Gedenkort für Nawalny geworden ist.

„Heute betrauern wir am Solowezki-Stein den Tod von Alexej Nawalny und anderer Opfer politischer Unterdrückung in Russland“, erklärte die US-Botschaft dazu und sprach Nawalnys Familie, Kollegen und Unterstützern ihre „tiefste Anteilnahme“ aus. „Seine Stärke ist ein inspirierendes Vorbild. Wir ehren sein Andenken“, hieß es weiter über Nawalny.

Nach Angaben von OWD-Info wurden bis Samstag mehr als 400 Menschen in 36 Städten bei Versammlungen zum Gedenken an Nawalny festgenommen. Russische Gerichte begannen laut Menschenrechtsorganisationen am Samstag, Haftstrafen gegen die Teilnehmer des Gedenkens von bis zwei Wochen zu verhängen. In Moskau errichtete die Polizei an dem als „Mauer der Trauer“ bekannten Mahnmal für die Opfer von Unterdrückung in der Sowjetzeit Absperrungen, um die Trauerbekundungen für Nawalny zu verhindern.

Zeitpunkt der Todesmeldung „kein Zufall“

Die georgische Präsidentin Salome Surabischwili hält den Zeitpunkt der Todesmeldung von Nawalny nicht für einen Zufall, sondern für eine Botschaft Russlands. „Ich denke, es war kein Zufall, dass der Tod von Nawalny wenige Stunden oder Minuten vor Beginn der Münchner Konferenz bekanntgegeben wurde“, sagte die 71-Jährige am Sonntag am Rande der Sicherheitskonferenz in einem Interview der dpa.

Es sei typisch für das russische Vorgehen, damit beeindrucken zu wollen, „dass Russland tut, was es will, wo es will. Und das war, denke ich, eine Botschaft für die Konferenz in München“, sagte sie. Zuvor hatten die G-7-Außenminister von Russland eine vollständige Aufklärung der Todesumstände gefordert.

Nach einem Treffen am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz teilte der italienische Vorsitzende Antonio Tajani mit, die Minister hätten ihre Empörung über den Tod Nawalnys in der Haft zum Ausdruck gebracht. Der Oppositionspolitiker sei zu Unrecht wegen legitimer politischer Aktivitäten und seines Kampfes gegen Korruption verurteilt worden. Die Minister forderten die russischen Behörden demnach auf, „die Umstände seines Todes vollständig aufzuklären“.