Vizekanzler Werner Kogler
ORF
„Chance“

Kogler verteidigt EU-Migrationspakt

Der grüne Vizekanzler Werner Kogler hat in der ORF-„Pressestunde“ am Sonntag den umstrittenen EU-Migrationspakt verteidigt. Er biete die „erstmalige Chance“ auf eine Vereinheitlichung des Asylverfahrens. Kogler, der mit einem Wahltermin im Herbst rechnet, verteidigte die Regierungsarbeit und kündigte weitere Beschlüsse an. Zugleich schoss er sich auf die FPÖ, die „natürlich rechtsextrem“ sei, ein. Kritik setzte es von der Opposition.

Aufhorchen ließ Kogler inhaltlich vor allem mit seiner klaren Unterstützung des EU-Migrationspakts, der im April – und damit noch vor der EU-Parlamentswahl – final beschlossen werden soll. Ziel ist die Schaffung EU-weiter einheitlicher Standards bei Asylverfahren und dem Umgang mit Asylsuchenden. Dieser Pakt – seit 2016 in Verhandlung und scharf in der Kritik etwa von NGOs wie Amnesty International – biete „erstmals überhaupt die Chance, dass wir zu einem einheitlichen Asylverfahren kommen“. Das sei auch die Voraussetzung für eine gemeinsame Verteilung.

Wie in anderen Fragen griff der Grünen-Chef auch hier vor allem die FPÖ an. Die Probleme im Asyl- und Migrationsbereich seien nur europäisch zu lösen, „wer anderes erzählt, ist ein Scharlatan“, so Kogler. Deshalb sei die von den Freiheitlichen propagierte „‚Festung Österreich‘ so ein Blödsinn“.

„Nicht ideal“

Kogler räumte zugleich ein, dass es Kritik von „ganz links bis ganz rechts“ am Migrationspakt gebe. Die Regeln seien auch „nicht ideal“, so Kogler weiter. Die Flucht- und Migrationsprobleme gebe es, daran sei weder die Regierung noch die FPÖ schuld, so Kogler. Die Welt selbst sei „nicht ideal“. Während die FPÖ aber gar kein Interesse habe, die Probleme zu lösen, sondern diese „bewirtschaftet“ und „zu ihrem Geschäftsmodell“ mache, müssten sich alle konstruktiven Kräfte hinstellen und sagen, wie sie die Probleme lösen wollten. „Etwas anderes wird nicht helfen“, so Kogler.

Kogler für EU-Migrationspakt

Werner Kogler spricht sich für die Umsetzung des EU-Migrationspakts, der etwa von Flüchtlings-NGOs abgelehnt wird, aus.

Probleme bei Rekrutierung von Arbeitskräften

Kogler betonte, Österreich tue – auch unter den Vorgängerregierungen – „im Vergleich mit anderen Ländern sehr viel“. Mittlerweile sei Österreich aber in erster Linie ein Transitland – anders als etwa Deutschland. Es sei wichtig, geordnet vorzugehen und Humanität walten zu lassen. Kogler stellte hier eine Verbindung zur Arbeitsmigration her. Hier brauche Österreich viel mehr Zuzug. Das ganze „Herumgeplärre“ – gemeint waren die Rufe nach schärferen Asylregeln – führten aber dazu, dass sich Österreich gerade einen „miesen Ruf“ erarbeite. So gebe es wegen der ausländerfeindlichen Töne mittlerweile Schwierigkeiten, genügend Pflegekräfte, die dringend benötigt werden, zu finden.

„Blaue Putin-Brüder“

Während Kogler Attacken auf die ÖVP mit ihren Plänen für das Arbeitslosengeld vermied, konzentrierte sich der Vizekanzler vielmehr auf die „blauen Putin-Brüder“ der FPÖ. So solle Parteichef Herbert Kickl erst einmal den – nach Angaben der FPÖ längst aufgekündigten – Freundschaftsvertrag mit Putins Partei offenlegen. Kickl schwebe, wiederum in Anlehnung an Ungarn, ein „Orbanistan“ vor. Und überhaupt finde bald eine Nationalratswahl und keine „Volkskanzlerwahl“ statt.

Kogler verneint jede Kooperation mit FPÖ

Kogler schloss eine Zusammenarbeit mit der FPÖ erneut aus und betonte, die Freiheitlichen seien „natürlich rechtsextrem“ und der „verlängerte Arm“ der rechtsextremen Identitären. Als ORF-Moderator Hans Bürger nachhakte und fragte, ob die Grünen – etwa in den U-Ausschüssen – also „mit Rechtsextremen zusammenarbeiten“ würden, verneinte Kogler. Es gebe die Notwendigkeit, Mehrheiten zu finden, „und da bist du manchmal in der Situation, dass du ein gemeinsames Abstimmungsverhalten hast“. Das sei aber keine Kooperation.

Kogler: Rechts nicht gleich rechtsextrem

Der grüne Vizekanzler Werner Kogler betonte, man müsse zwischen rechten und rechtsextremen Parteien und Einstellungen unterscheiden. Letztere seien aus Prinzip gegen die Demokratie eingestellt.

Kogler: Unterschied zwischen rechts und rechtsextrem

Kogler legte Wert darauf – ähnlich wie ÖVP-Kanzler Karl Nehammer zuletzt – zwischen rechts und rechtsextrem zu unterscheiden. Der Unterschied sei, dass Letztere „die Demokratie als Konzept aus Prinzip“ angreifen würden. Der Grünen-Chef betonte auch, dass er nicht die Wählerinnen und Wähler meine, sondern die Funktionäre. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker verteidige sogar das Treffen in Potsdam, an dem Identitären-Chef Martin Sellner teilnahm. Dabei sei es darum gegangen, „Deportationen oder jedenfalls die Fantasien dazu auf den Tisch zu legen“.

Die Rechtsextremen würden ja offen sagen, was sie wollen, daher müssten alle konstruktiven Kräfte „heraus aus dem Busch und sagen, was sie wollen“. Angesprochen auf die bevorstehende Nationalratswahl gehe es Kogler zufolge „um die Rettung der liberalen Demokratie“.

Verteidigt Gewessler

Die Performance von Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) angesichts der weiter extrem hohen Abhängigkeit von österreichischem Gas verteidigte Kogler. Es sei bereits einiges gelungen, so seien etwa die absoluten Mengen zurückgegangen.

Weicht bei Wahlziel aus

Kogler geht weiterhin von einem regulären Termin für die kommende Nationalratswahl aus. „Ja, das würde ich vermuten“, sagte er dazu. Es gebe auch „gute Gründe und Belege“ für eine Wahl im Herbst. Die Regierungsarbeit mit der Kanzlerpartei ÖVP verteidigte Kogler abermals trotz zunehmender inhaltlicher Differenzen. Es gebe für die Koalition in dieser Legislaturperiode noch genug zu tun und zeigte sich überzeugt, dass mehrere bisher gescheiterte Vorhaben noch umgesetzt werden, ohne dazu Details zu nennen.

Mögliche Koalitionen nach der Wahl

Zu möglichen Koalitionen legte sich der grüne Vizekanzler Werner Kogler nicht fest. Ohne Grüne würde es aber beim Klimaschutz „finster“ werden.

Generell stellte Kogler die bevorstehende Wahlauseinandersetzung als Kampf um den Weiterbestand der liberalen Demokratie in Österreich dar. Nach den Koalitionsplänen der Grünen gefragt, betonte Kogler zunächst, die Grünen müssten nicht immer in der Regierung sein und dass auch die Opposition wichtig sei. Wichtiger sei, dass alle „konstruktiven“ Kräfte „miteinander halbwegs können“.

Kogler betonte freilich, die Grünen sollten regieren, weil es sonst „finster für den Klimaschutz“ werde. Aber er könne natürlich nicht verordnen, dass die Grünen regieren. Auch auf das Wahlziel, mindestens zweistellig zu sein, wollte sich Kogler nicht festlegen. Bei der EU-Parlamentswahl hofft der Grünen-Chef, die derzeit drei Mandate – „das war ja damals ein Sensationserfolg“, wie er betonte – halten zu können.

SPÖ: Keine Antworten auf Probleme der Menschen

SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Sandra Breiteneder warf Kogler vor, keine Antworten auf die drängenden Probleme der Menschen zu haben und nannte „leistbares Wohnen“, Kampf gegen Inflation und bessere Gesundheitsversorgung. Hier habe die Regierung „offenbar bereits aufgegeben“, so Breitenecker.

FPÖ kritisiert Koglers „Unwahrheiten“

„Koglers Ängste vor Wahlen und dem Wähler haben sich in der ‚Pressestunde‘ vor allem durch Beschimpfungen und Unwahrheiten gegenüber der Opposition ausgedrückt“, hielt FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Aussendung fest. Kogler sei „außenpolitisch eine Katastrophe und eines Vizekanzlers unwürdig“, so der FPÖ-Politiker, der eine rasche Neuwahl forderte.

NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos forderte Grüne und ÖVP auf, den Stillstand zu beenden. Wolle die Regierung bis Herbst weiterarbeiten, „muss sie liefern statt labern“. Österreich habe die „höchste Abhängigkeit von russischem Gas und die höchste Inflation in Europa“. Beides müsse sich ändern „und zwar rasch“, so Hoyos.