Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP)
ORF
Schallenberg zu Russland

„Natürlich ein mörderisches Regime“

Nach anfänglicher diplomatischer Zurückhaltung greift auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) zu klaren Worten und nennt das Regime von Russlands Präsident Wladimir Putin beim Namen: „Natürlich ist es ein verbrecherisches und mörderisches Regime“, erklärte der Außenminister am Sonntagabend in der ZIB2.

Und auch den Tod des Regimekritikers Alexej Nawalny im sibirischen Straflager bewertete Schallenberg deutlich: „Es war eine Tötung auf Raten, ganz klar.“

„Rückblickend vielleicht ein wenig naiv“ sei man angesichts des immer restriktiveren Systems Putin gewesen, in dem Bemühen, „nicht alle Dialogkanäle einschlafen“ zu lassen und nicht alle Brücken einzureißen, und habe „vielleicht die Zeichen an der Wand nicht deutlich genug gesehen“, räumte Schallenberg ein. „Seit dem Angriffskrieg gibt es da keine Zweifel mehr, wir wissen ganz genau, wofür Wladimir Putin und seine Politik stehen“, wie der Außenminister nun dazu sagte.

Schallenberg zu aktuellen Krisen und Konflikten

Zu den Krisen und Konflikten, die derzeit die Welt erschüttern, ist Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) zu Gast im Studio.

Was die Chancen auf ein Ende des Krieges in der Ukraine angeht, will sich Schallenberg keinen Illusionen hingeben: „Ich glaube, wir brauchen einen langen Atem und strategische Geduld.“ Man habe es in der Ukraine „mit einem Stellungskrieg, leider mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts, zu tun – und das werden wir noch viele Monate weiter sehen“.

Nawalny-Witwe bei Außenministertreffen

Der Ukraine-Krieg, Russland und der Tod Nawalnys standen am Montag auch auf der Agenda des EU-Außenministertreffens in Brüssel, zu dem auch Julia Nawalnaja eingeladen wurde. Nawalnys Witwe rief bereits kurz nach der Todesnachricht in einer vielbeachteten Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz zum Kampf gegen die russische Führung auf. „Vor drei Tagen hat Wladimir Putin meinen Ehemann umgebracht“, sagte Nawalnaja auch in einer am Montag veröffentlichten Videobotschaft.

Wie Borell am Sonntag auf X (Twitter) mitteilte, wollten die EU-Außenminister bei ihrem Treffen „ein starkes Signal der Unterstützung für die Freiheitskämpfer in Russland senden“ und die Erinnerung an den 47-jährigen Nawalny ehren. Auch EU-Ratspräsident Charles Michel wollte Nawalnys Witwe nach Angaben seiner Sprecherin empfangen.

Rufe nach Herausgabe von Leiche werden lauter

Drei Tage nach Nawalnys Tod haben die Angehörigen indes weiter keinen Zugang zur Leiche. Auch am Montag sei die Mutter nicht in eine Leichenhalle gelassen worden, in der sich der Leichnam möglicherweise befinde, berichtete das Team des Kreml-Kritikers. Sowohl innerhalb als auch außerhalb Russlands werden die Rufe nach einer Herausgabe lauter. Mehr als 12.000 Menschen hätten einen entsprechenden Aufruf an das russische Ermittlungskomitee unterstützt, teilte OWD-Info am Sonntag auf Telegram mit. OWD-Info hatte den Aufruf selbst erst am späten Samstagnachmittag gestartet.

Deutscher Justizminister fordert Freigabe

Als einer der ersten westlichen Politiker forderte am Sonntag der deutsche Justizminister Marco Buschmann öffentlich die Freigabe und Untersuchung des Leichnams. Die russischen Behörden müssten umgehend Nawalnys Leiche freigeben, sagte der FDP-Politiker der dpa. „Dieses letzte Mindestmaß an Respekt sollten die russischen Herrscher dem toten Nawalny und seiner Familie entgegenbringen – nachdem sie dem lebenden Nawalny dies bereits versagt hatten.“

Exilzeitung: Leichnam mit blauen Flecken

Die in Russland von den Behörden geschlossene und dann im Ausland wieder eröffnete „Nowaja Gaseta“ berichtete derweil unter Berufung auf eigene Quellen, dass Nawalnys Leiche im Bezirkskrankenhaus der Stadt Salechard im hohen Norden Sibiriens aufbewahrt werde. Eine Obduktion habe zumindest bis Samstag noch nicht stattgefunden. Zudem soll der Körper des Toten blaue Flecken aufweisen.

Salechard ist die Hauptstadt des autonomen Bezirks der Jamal-Nenzen. Das Straflager „Polarwolf“, in dem Nawalny starb, liegt etwa 50 Kilometer Luftlinie nordwestlich davon – bereits jenseits des Polarkreises.

US-Botschafterin besuchte Gedenkstätte

Die US-Botschafterin in Moskau, Lynne Tracy, besuchte am Sonntag eine improvisierte Gedenkstätte für Nawalny. Die US-Botschaft veröffentlichte ein Foto von Tracy vor Blumen am Solowezki-Stein in Moskau, einem Mahnmal für die Opfer politischer Unterdrückung, das zu einem Gedenkort für Nawalny geworden ist.

„Heute betrauern wir am Solowezki-Stein den Tod von Alexej Nawalny und anderer Opfer politischer Unterdrückung in Russland“, erklärte die US-Botschaft dazu und sprach Nawalnys Familie, Kollegen und Unterstützern ihre „tiefste Anteilnahme“ aus. „Seine Stärke ist ein inspirierendes Vorbild. Wir ehren sein Andenken“, hieß es weiter über Nawalny.

Nach Angaben der Bürgerrechtsplattform OWD-Info wurden bis Samstag mehr als 400 Menschen in 36 Städten bei Versammlungen zum Gedenken an Nawalny festgenommen. Russische Gerichte begannen laut Menschenrechtsorganisationen am Samstag, Haftstrafen gegen Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Gedenkens von bis zwei Wochen zu verhängen.