Ukrainische Soldaten beim Aufbau einer Feldbefestigung
APA/AFP/Anatolii Stepanov
Ukraine-Krieg

Mangel an Munition lässt Kritik laut werden

Kurz vor dem zweiten Jahrestag des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine will die EU ihrer Unterstützung für Kiew neuen Auftrieb verleihen: Mehr Hilfen für die Ukraine und neue Sanktionen gegen Russland sind geplant. Nach zwei Kriegsjahren dringt aber auch ein wenig Selbstkritik durch. Besonders Dänemark überrascht mit scharfen Worten und einer Ansage.

Am Samstag jährt sich der Kriegsbeginn zum zweiten Mal. Der Jahrestag stand Montag beim Treffen der EU-Außenministerinnen und -Außenminister ganz oben auf der Agenda. Geplant ist, dass die EU ihr bereits 13. Sanktionspaket schnürt. Erwartet wird es für Ende dieser Woche. Der Tod des russischen Kreml-Kritikers Alexej Nawalny brachte die westlichen Staaten unter Zugzwang, schneller und stärker gegen Russland und für Freiheit aufzutreten.

Bisher hatte der Westen als Reaktion auf die russische Aggression beispiellose Sanktionen verhängt. Sie betreffen Personen, Unternehmen und viele Wirtschaftsbereiche. Außer der EU und den USA setzten Staaten wie Australien, Großbritannien, Japan und die Schweiz Strafmaßnahmen gegen Russland.

300 Milliarden Euro der russischen Zentralbank wurden in der EU und den G-7-Ländern blockiert, gut 28 Milliarden Euro wurden an Privatvermögen in der EU eingefroren. Zudem wurden Export- und Importverbote ausgesprochen. Am Montag hatte Japan der Ukraine zusätzlich langfristige Hilfen zum Wiederaufbau zugesichert.

Russland profitiert von mangelnder Versorgung

Zuletzt hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj aber einmal mehr für schnellere Waffenlieferungen geworben. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende sagte er, dass die Ukraine unbedingt die Lufthoheit erlangen müsse, um an den Fronten im Abwehrkampf gegen Russland wieder Erfolge zu haben. Erforderlich dafür seien zunächst mehr Luftabwehrsysteme. „Putin ist eine Gefahr für alle freien Nationen“, betonte Selenskyj.

Kritische Töne auf Sicherheitskonferenz

Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat auf der Sicherheitskonferenz in München harsche Kritik bezüglich der schleppenden Unterstützung für die Ukraine im Krieg gegen Russland geäußert. „Wir hätten sie von Beginn dieses Krieges an viel mehr unterstützen sollen“, so Frederiksen.

Kurz zuvor hatte die Ukraine bestätigt, dass man sich aus der stark umkämpften Stadt Awdijiwka zurückziehen musste. „Angesichts der operativen Lage um Awdijiwka habe ich beschlossen, unsere Einheiten aus der Stadt abzuziehen und auf günstigeren Linien in die Verteidigung zu gehen, um eine Einkreisung zu vermeiden und das Leben und die Gesundheit der Soldaten zu schützen“, so Selenskyj.

Selenskyj: „Äußerst schwierige“ Lage an der Front

Am Montag bezeichnete Selenskyj nach einem Frontbesuch im Gebiet Charkiw die Lage als „äußerst schwierig“. Probleme gebe es an Frontabschnitten, wo die Russen die größten Reserven konzentriert hätten. „Sie nutzen Verzögerungen bei der Hilfe für die Ukraine aus.“ Selenskyj beklagte den Mangel an Artilleriegeschoßen, an Flugabwehrsystemen im frontnahen Bereich und an weitreichenden Raketen.

Auch Militärexperten zufolge profitiert die russische Armee im zweiten Winter des Krieges von großen Versorgungsschwierigkeiten der Ukraine. Derzeit fehle es vor allem an wichtiger Artilleriemunition, um sich gegen den Gegner zu verteidigen, sagte zuletzt Experte Markus Reisner vom Bundesheer. Die größte Gefahr für die Ukraine sei, dass ein einzelner Durchbruch zu einem Dominoeffekt führe.

„Spenden unsere gesamte Artilleriemunition“

Diese Sorge hat auch Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz übte sie scharfe Kritik an der internationalen Gemeinschaft. „Wir hätten die Ukraine schon sehr viel früher besser unterstützen sollen“, sagte sie. Man könne keinen Krieg ohne Waffen gewinnen. Es müsse alles geliefert werden, „was nötig ist“. Wörter seien nicht genug, so die Ministerpräsidentin.

die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen
Reuters/Ritzau Scanpix
Die dänische Ministerpräsidentin Frederiksen ließ mit ihrer Ansage zur Artilleriemunition aufhorchen

Spannender ist aber, was Frederiksen nebenbei sagte: „Wenn Sie die Ukrainer fragen, bitten sie uns jetzt um Munition und Artillerie. Wir haben beschlossen, unsere gesamte Artilleriemunition zu spenden.“ Die Ministerpräsidentin bezifferte die Zahl der Munition aus Dänemark nicht, versuchte aber, ihre EU-Partner mit ins Boot zu holen: „Das ist nicht nur eine Frage der Produktion, denn wir haben die Waffen, wir haben die Munition, wir haben die Luftabwehr, die wir im Moment nicht selbst einsetzen müssen, die wir an die Ukraine liefern sollten.“

Die EU hatte versprochen, der Ukraine bis März eine Million Schuss zu liefern. Im Jänner wurde aber bekannt, dass das Ziel wegen Produktionsschwierigkeiten nicht erreicht werden kann. Jetzt wird nur die Hälfte der versprochenen Menge erwartet. „Munition wurde immer nur nach Bedarf produziert“, sagte der EU-Kommissar Johannes Hahn in der „Augsburger Allgemeinen“. Man müsse die Produktion nun aufbauen, die man in den Jahren zuvor abgebaut habe.

Woher soll die Munition kommen?

In München betonte allerdings der tschechische Präsident Petr Pavel, dass die Behörden 800.000 Einheiten verfügbarer Munition im Ausland identifiziert hätten, die innerhalb weniger Wochen in die Ukraine geliefert werden könnten. Allerdings benötige man Käufer, um an die Munition zu gelangen. Pavel sagte weder, wer sich daran beteiligen könnte, noch, woher die Munition stammt. Die offenen Fragen sorgen in der europäischen Gemeinschaft für Sorgenfalten.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell
AP/Virginia Mayo
EU-Außenbeauftragter Josep Borrell soll mit Südkorea als möglicher Alternative zur europäischen Waffenproduktion liebäugeln

Anfang Februar hatte Politico bereits berichtet, dass die Regierung in Prag in die Offensive gehen will, nachdem bekanntgeworden war, dass die EU ihre Versprechen nicht einhalten kann. Der Plan stößt allerdings auf Widerstand. Insbesondere Frankreich befürchtet, dass europäische Gelder nicht in die europäische, also französische Rüstungsindustrie fließen, sondern nach Südkorea, in die Türkei und nach Südafrika.

Gegenüber Politico sagten Beamte, dass EU-Außenbeauftragter Josep Borrell konkret Südkorea als Alternative erwähnte. Die Türkei kommt wohl deshalb nicht infrage, weil sich Griechenland und Zypern wegen ihres angespannten Verhältnisses zu Ankara dagegen aussprechen.