Screenshot der Rede von Julia Nawalnaja auf Youtube
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„Arbeit fortsetzen“

Nawalnaja will weiter gegen Putin kämpfen

Die Witwe des im Straflager gestorbenen russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny hat Kreml-Chef Wladimir Putin den Kampf angesagt und will die Arbeit ihres Mannes fortsetzen. „Ich werde die Sache von Alexej Nawalny fortsetzen. Wir kämpfen um unser Land. Ich rufe euch auf, an meiner Seite zu stehen“, sagte Julia Nawalnaja in einer am Montag veröffentlichten emotionalen Videobotschaft auf YouTube.

„Vor drei Tagen hat Wladimir Putin meinen Mann Alexej Nawalny getötet“, sagte sie. Unter Tränen warf die zweifache Mutter Putin vor, nicht nur ihren Mann getötet zu haben. Putin habe auch versucht, Russland die Hoffnung auf Freiheit und Gerechtigkeit zu nehmen. Deshalb wolle sie den Kampf ihres Mannes nun fortsetzen. In dem Video sind viele private Bilder und auch Aufnahmen von Nawalnys öffentlichen Auftritten zu sehen.

Ihr Mann sei im Straflager zu Tode gequält und gefoltert worden, indem er auch immer wieder in Einzelhaft in einem kleinen Betonkasten eingesperrt worden sei. Der Name desjenigen, der den Mord im Auftrag Putins ausgeführt habe, werde in Kürze veröffentlicht, sagte sie.

Behörden Verzögerungstaktik vorgeworfen

Jetzt verstecke das Regime sogar die Leiche des 47-Jährigen, sagte Nawalnaja. Sie zeigte in dem Video auch ein Bild der Mutter, die in der Polarregion nach ihrem toten Sohn sucht. Seine Mutter Ljudmila Nawalnaja und die Anwälte seiner Organisation seien nicht in die Leichenhalle in der nordrussischen Stadt Salechard gelassen worden, schrieb die Sprecherin seiner Organisation, Kira Jarmysch, am Montag auf X (Twitter). „Auf die Frage, ob sich dort sein Körper befindet, antworten die Mitarbeiter nicht“, so Jarmysch weiter.

Die Familie Nawalny vor der Wahl in Moskau 2019
IMAGO/TASS/Sergei Bobylev
Die Familie Nawalny 2019

Am Nachmittag gab dann Nawalnys Sprecherin bekannt, dass seine Leiche für mindestens zwei Wochen von den Ermittlern einbehalten wird. „Die Ermittler haben der Mutter von Alexej und den Anwälten gesagt, dass sie seine Leiche nicht übergeben und sie in den nächsten 14 Tagen eine chemische Analyse, eine Untersuchung, vornehmen werden“, erklärte Kira Jarmisch am Montag in Onlinediensten.

Nawalnys Team wirft den Behörden eine Verzögerungstaktik vor. Die Behörden warteten ab, bis keine Spuren des Nervengifts Nowitschok mehr nachzuweisen seien, sagte auch Nawalnaja in ihrer Videobotschaft.

Nawalnaja: „Ich habe keine Angst“

Putin habe ihr den liebsten und wertvollsten Menschen genommen, die Hälfte ihrer Seele und ihres Herzens, sagte Nawalnaja weiter. Mit der anderen Hälfte wolle sie wie ihr Mann gegen Ungerechtigkeit und Korruption und für ein freies Russland kämpfen. Die Menschen in Russland wollten anders leben, auch wenn dafür derzeit wenig Hoffnung bestehe.

„Ich möchte in einem freien Russland leben, ich möchte ein freies Russland aufbauen“, sagte sie weiter. „Ich fordere Sie auf, sich an meine Seite zu stellen. Ich bitte Sie, meine Wut mit mir zu teilen. Wut, Zorn, Hass gegen die, die es wagten, unsere Zukunft zu töten“, so Nawalnaja. „Ich habe keine Angst“, sagte sie mit Blick auch auf eine Aussage Nawalnys, der die Menschen in Russland immer wieder zum Widerstand gegen Putin aufgerufen hatte. Unklar war aber, ob sie nach Russland zurückkehren wird.

Der russusche Präsident Wladimir Putin
Reuters/Sputnik/Alexander Kazakov
Der russische Präsident Wladimir Putin

Bei EU-Außenministertreffen dabei

Nawalnaja nahm am Montag auch am EU-Außenministertreffen in Brüssel teil. EU-Außenbeauftragter Josep Borrell erklärte nach dem Treffen mit Nawalnaja auf X (Twitter), Putin und sein „Regime“ würden für den Tod Nawalnys zur Rechenschaft gezogen werden. Zuvor hatte er bereits in Brüssel angekündigt, die europäischen Sanktionen wegen Menschenrechtsverstößen nach Nawalny zu benennen. Die EU arbeitet derzeit an ihrem 13. Sanktionspaket seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine vor fast zwei Jahren.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ging am Montag nach einem Gespräch mit Nawalnaja am Wochenende bei der Münchner Sicherheitskonferenz von einer gezielten Ermordung Nawalnys aus. Mit dem Tod Nawalnys habe Putin versucht, bei der Münchner Sicherheitskonferenz seine Botschaft zu platzieren. Putin versuche, auch westliche Demokratien zu destabilisieren und zu unterminieren.

Behörden zerstören Nawalny-Gedenkstätten

Nach Behördengaben war Nawalny am Freitag in dem Straflager mit dem inoffiziellen Namen „Polarwolf“ gestorben. Der körperlich geschwächte Nawalny sei nach vielen Tagen in immer wieder angeordneter Einzelhaft bei einem Hofgang in dem Lager nördlich des Polarkreises bei eisigen Temperaturen zusammengebrochen. Wiederbelebungsversuche waren nach Angaben des Strafvollzugs erfolglos.

Blumen und Times-Cover im Gedenken an Nawalny
IMAGO/Vuk Valcic
Eine Gedenkstätte für Nawalny in London

Viele Menschen legten in den letzten Tagen an offiziellen Denkmälern für die Opfer politischer Gewalt Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Behörden versuchten weiter, die spontanen Gedenkstätten zu zerstören, Blumen wurden in Müllsäcke gestopft und abtransportiert.

Hunderte Strafen für Trauernde

Nach dem Tod des Kreml-Gegners verhängten russische Gerichte in Eilverfahren bis Montagfrüh Hunderte Strafen gegen die an spontanem Gedenken teilnehmenden Trauernden. Allein in St. Petersburg ordneten die Gerichte der Millionenmetropole gegen 199 Menschen Arrest oder Geldstrafen an, auch in der russischen Hauptstadt Moskau gab es mehrere solcher administrativen Strafen.

Laut Medienberichten gab es am Wochenende in Moskau ein Konzert, bei dem Putins Anhänger den Tod Nawalnys feierten. Ein Video der grölenden Menge rief in Teilen der russischen Bevölkerung Entsetzen hervor.

Kreml: Keine Frage, die uns betrifft

Der russische Präsident, der sich in einem Monat wiederwählen lassen will, hat sich bisher nicht zum Tod seines schärfsten Gegners geäußert. Die Untersuchung der Umstände des Todes Nawalnys im Straflager läuft nach Kreml-Angaben noch immer. Was mit der Leiche passieren wird, liege nicht in der Kompetenz des Kreml, behauptete Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Die Kompetenzen des Kreml gelten allerdings als unbeschränkt.

Der republikanische Ex-Präsident Donald Trump meldete sich am Montag in den sozialen Netzwerken zu Wort. Er machte allerdings nicht Putin für den Tod von Nawalny verantwortlich.

„Der plötzliche Tod von Alexej Nawalny hat mir mehr und mehr bewusstgemacht, was in unserem Land geschieht“, hieß es dort. „Es ist ein langsames, stetiges Fortschreiten, mit verlogenen, linksradikalen Politikern, Staatsanwälten und Richtern, die uns auf einen Pfad der Zerstörung führen. Offene Grenzen, manipulierte Wahlen und grob unfaire Gerichtsentscheidungen zerstören Amerika“, schrieb Trump weiter. Die USA seien eine scheiternde Nation im Niedergang.