Zerstörung im Gazasteifen
Reuters/Dylan Martinez
„Wall Street Journal“

Israel baut Ost-West-„Korridor“ in Gaza aus

Im Krieg gegen die Hamas arbeitet Israel daran, die Kontrolle über den Gazastreifen dauerhaft auszubauen. Schon jetzt kontrolliert Israel wichtige Nord-Süd-Straßen im Gazastreifen. Nun baut die israelische Armee laut einem Bericht des „Wall Street Journal“ („WSJ“) eine Straße quer durch den Gazastreifen aus. Über diesen Ost-West-Korridor wolle Israel die Sicherheitskontrolle über Gaza auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten.

Das „Wall Street Journal“ berief sich auf namentlich nicht genannte Verteidigungsbeamte. Der Ausbau der Straße südlich Gaza-Stadt sei Teil der Bemühungen, die Topografie des Gazastreifens neu zu gestalten. Der Ost-West-Korridor ist seit Beginn des Krieges gegen die Hamas von Israel besetzt. Mit der ausgebauten Straße soll sich das israelische Militär auch nach einem Abzug der meisten Truppen weiterhin schnell durch das Küstengebiet bewegen können.

Wie lange diese Ost-West-Verbindung von der Armee genutzt werde, sei offen, hieß es unter Berufung auf israelische Beamte. Das könne noch Monate und sogar Jahre dauern. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will den Küstenstreifen zwar nicht dauerhaft besetzen. Er machte aber deutlich, dass Israel nach dem Krieg die „vollständige Sicherheitskontrolle“ über das Gebiet behalten wolle.

USA: Rafah-Offensive nicht vor Ramadan

Der Straßenausbau zeige jedenfalls die Vorbereitung auf die nächste Phase des Krieges, so die US-Zeitung. Die israelische Armee plane, sich aus bewohnten Gebieten zurückzuziehen und sich auf gezielte Angriffe gegen die Hamas zu konzentrieren. Mit einer geplanten Invasion von Rafah an der Grenze zu Ägypten will Israel verbliebene Hamas-Truppen zerschlagen und dort vermutete Geiseln befreien.

Kinder warten auf Essensausgab im Gazasteifen
Reuters/Mohammed Salem
Mangel an Lebensmitteln und Medikamenten prägt das Leben im Gazastreifen

International rufen diese Pläne heftige Kritik hervor, denn um und in Rafah drängen sich etwa 1,5 Millionen Palästinenser und Palästinenserinnen, die zuvor schon aus anderen Teilen des Gazastreifens in den Süden geflohen waren. Die USA rechnen laut einem Bericht der Nachrichtenseite Times of Israel nicht vor dem muslimischen Fastenmonat Ramadan um den 10. März mit dem Beginn der Offensive. Derzeit sei die israelische Armee noch dabei, die Einsätze in der seit Wochen heftig umkämpften Stadt Chan Junis abzuschließen. Zudem soll die Zivilbevölkerung in Sicherheit gebracht werden.

Netanjahu: Kampf wird weitergehen

Hilfsorganisationen schlagen wegen der katastrophalen humanitären Bedingungen Alarm und zeigen sich skeptisch, wie und wo die Zivilbevölkerung geschützt werden könne. Laut einem israelischen Beamten plant die Armee, die Zivilisten in einem nördlich gelegenen Gebiet zwischen Chan Junis und dem Flussbett Wadi Gaza, das Nord- und Südgaza voneinander trennt, unterzubringen.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
AP/Avi Ohayon
Netanjahu zeigt sich von der Kritik an der israelischen Kriegsführung im Gazastreifen unbeirrt

Von Kritik an der israelischen Kriegsführung im Gazastreifen will sich Netanjahu nicht beirren lassen: „Es gibt im Inland wie im Ausland beträchtlichen Druck auf Israel, den Krieg zu beenden, bevor wir alle seine Ziele erreicht haben“, sagte er am Dienstag bei einem Truppenbesuch in der Nähe zur Grenze zum Gazastreifen. Der Kampf werde weitergehen, bis alle Geiseln freigelassen seien und Gaza für Israel nie mehr eine Bedrohung darstelle.

Gespräche über Freilassung von Geiseln laufen

Geringe Fortschritte gibt es in den anhaltenden indirekten Gesprächen über eine Freilassung der Geiseln unter Vermittlung Ägyptens, Katars und der USA. Ein Veto der USA verhinderte am Dienstag einen Resolutionsentwurf Algeriens im UNO-Sicherheitsrat, der eine sofortige Waffenruhe im Gaza-Krieg gefordert hatte. Es sollten die laufenden Verhandlungen über eine befristete Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln aus der Gewalt der Hamas nicht unterlaufen werden, argumentierten die USA. China drückte seine „große Enttäuschung“ über das Veto der USA aus.

US-Vertreter zeigten sich am Dienstag allerdings zuversichtlich bezüglich einer humanitären Pause vor dem Ramadan. Es gebe „große Hoffnung“ auf eine baldige Einigung auf die Freilassung der Geiseln im Gegenzug für eine Kampfpause, hieß es von zwei demokratischen US-Senatoren nach Gesprächen mit der israelischen Führung.

Grafik zur Bevölkerungsdichte im Gazastreifen
Grafik: APA/ORF

Am Mittwoch werde der Nahost-Berater von US-Präsident Joe Biden, Brett McGurk, in Ägypten, am Donnerstag in Israel sein, kündigte John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, an. McGurk werde Gespräche führen, „um zu sehen, ob wir diesen Geiseldeal nicht doch noch zustande bringen können“.