Die Währungshüter wollen das Zinsniveau so lange beibehalten, „bis es zu einem signifikanten und nachhaltigen Rückgang des zugrunde liegenden Trends der monatlichen Inflation kommt“. Der geldpolitische Kurs werde verschärft, wenn mit einer erheblichen und anhaltenden Verschlechterung der Inflationsaussichten zu rechnen sei, warnten sie zugleich.
Die Türkei kämpft bereits seit geraumer Zeit mit sehr hohen Inflationsraten. Zuletzt stiegen diese im Jänner nach einer starken Anhebung des Mindestlohns um durchschnittlich fast 65 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Allein von Dezember auf Jänner zogen die Verbraucherpreise um 6,7 Prozent an – mehr als doppelt so stark wie im Dezember. Besonders in den Bereichen Gesundheitswesen, Hotels und Restaurants wurden die Verbraucherinnen und Verbraucher stärker zur Kasse gebeten.
Kräftige Anhebung des Mindestlohns
Experten hatten nach der unerwartet kräftigen Anhebung des Mindestlohns zu Jahresbeginn mit einer höheren Inflation gerechnet. Arbeitsminister Vedat Isikhan hatte verkündet, dass der monatliche Mindestlohn auf 17.002 Lira (rund 516 Euro) steigen wird. Das entspricht einer Erhöhung um 49 Prozent im Vergleich zu dem im Juli festgelegten Niveau. Gemessen an Jänner 2023 ist es sogar eine Verdoppelung. Etwa sieben Millionen Türkinnen und Türken werden von der höheren Lohnuntergrenze profitieren. Die Lira reagierte nur geringfügig.
Schwache Lira
Am Donnerstagnachmittag lag der Wechselkurs bei 31 Lira pro Dollar. Die türkische Währung hatte in der jüngeren Vergangenheit einen Tiefpunkt nach dem anderen markiert. Seit Herbst 2021 verlor sie zwei Drittel ihres Wertes. Mit der schwachen Währung werden auch Importe deutlich teurer – was wiederum die Inflation weiter antreibt.
Ökonomen gehen allerdings davon aus, dass der Leitzins bis Jahresende auf 37,5 Prozent gesenkt wird – ein Wert, den der stellvertretende Gouverneur Cevdet Akcay als „ehrgeiziges, aber erreichbares Ziel“ bezeichnete. Erik Meyersson, Chefstratege für Schwellenländer bei SEB AB, erwartete aber, dass die türkische Notenbank den Zinssatz in der ersten Jahreshälfte konstant halten wird: „In Zukunft wird die türkische Zentralbank ihr Möglichstes tun, um die Märkte davon zu überzeugen, dass sie die Zinsen nicht vorzeitig senken wird.“
Führungswechsel an der Spitze
Die Notenbank selbst verliert unterdessen immer mehr an Glaubwürdigkeit. Erkan trat nach weniger als acht Monaten im Amt zurück, nachdem die 44-jährige frühere Wall-Street-Bankerin mit Korruptionsvorwürfen zu kämpfen hatte. Türkischen Medienberichten zufolge soll Erkans Vater von der Zentralbank ein Büro, einen Dienstwagen und Personenschützer gestellt bekommen haben. Er durfte sogar Personalentscheidungen treffen.
Den Berichten zufolge soll Präsident Recep Tayyip Erdogan zudem verärgert gewesen sein, weil Erkan im Jänner der Zeitung „Hürriyet“ gesagt hatte, sie sei wieder bei ihren Eltern eingezogen, weil sie wegen der hohen Mieten keine erschwingliche Wohnung in Istanbul gefunden habe. Erkan betitelte die Vorwürfe gegen sie als Rufmordkampagne.
Erdogan hatte Erkan als erste Frau der Geschichte an die Spitze der türkischen Zentralbank berufen. Unter ihrer Führung wurde der Leitzins im Kampf gegen die hohe Inflation von 8,5 auf 45 Prozent angehoben. Vor seiner Wiederwahl im Mai 2023 hatte Erdogan lange auf niedrige Zinsen bestanden – obwohl die Inflation zeitweise über 80 Prozent lag. Danach deutete er eine Wende seiner umstrittenen Geld- und Finanzpolitik an. Erkan war die erste Notenbankchefin, die von Erdogan den Freiraum für höhere Leitzinsen bekam.
Hohe Wohnpreise
Nach Erkan sitzt nun Karahan an der Spitze. Beobachter können sich auf einen ähnlichen Kurs einstellen. Der neue Notenbankchef zeigt sich zuversichtlich: „Wir sind bereit zu handeln, falls sich die Inflationsaussichten verschlechtern“, sagte er zum Amtsantritt. Auf X (Twitter) verhieß er außerdem: „Wir sind bestrebt, den Prozess der rückläufigen Inflation durch Wiederherstellen der Haushaltsdisziplin zu unterstützen und gleichzeitig Strukturreformen umzusetzen.“
Neben dem Führungswechsel beunruhigen Beobachter auch die Zahlen des türkischen Statistikamts. Diese stimmen nicht mit einem von der Handelskammer Istanbul veröffentlichten Index zu den Konsumentenpreisen überein. Demnach könnten die Preise noch deutlich stärker gestiegen sein als bisher angenommen. Die hohe Inflation trifft weite Teile der türkischen Bevölkerung hart. So sind beispielsweise die Preise für Wohnraum im vierten Quartal 2023 im Schnitt um 86,5 Prozent gestiegen. Die Türkei belegt damit beim Anstieg der Preise fürs Wohnen Platz eins unter den OECD-Ländern.