Zeuge aus Russland über Videokonferenz im Wiener Straflandesgericht
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Kurz-Prozess

Schmid widerspricht russischen Zeugen

Im zwölften Verhandlungstag im Falschaussageprozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und seinen damaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli sind nach den letzten Zeugeneinvernahmen nun rund zwei Stunden lang die Beweisgegenstände verlesen worden. Nach einer kurzen Pause geht es mit dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft weiter.

Eingangs befragt wurde via Videoschaltung nach Moskau jener russische Zeuge, der zuletzt knapp vor seinem Termin krankheitsbedingt abgesagt hatte. Dann folgte Belastungszeuge Thomas Schmid. Dieser dementierte, von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) unter Druck gesetzt worden zu sein. Nach der Verlesung folgen die Plädoyers von Anklage und Verteidigung – ein Urteil wird noch am Freitag erwartet.

Die Befragung des zweiten Russen und jene Schmids haben einen Zusammenhang: Denn der befragte russische Geschäftsmann gab wie sein bereits befragter Kollege an, Schmid in Amsterdam zu einem „Bewerbungsgespräch“ getroffen zu haben. Der am Freitag befragte Zeuge A. sagte, dass es bei dem Job um eine „Topmanagementposition“ für ein Ölprojekt in Georgien gegangen sei. Auf Schmid gestoßen sei sein bereits befragter Kollege, er sei darin nicht involviert gewesen.

Richter Michael Radasztics
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Richter Michael Radasztics befragte den Zeugen in Moskau via Zoom – vom Zeugen gibt es kein Bild. Im Gerichtssaal war er via Screen zu sehen.

Im Zuge des Treffens soll Schmid, der Kronzeuge in der ÖVP-Umfragecausa werden will, behauptet haben, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) setze ihn unter Druck. Auch habe er sinngemäß angegeben, dass er den Ermittlern nicht immer die Wahrheit sage. Die beiden Russen wurden auf Antrag der Verteidigung befragt, sie will damit herausarbeiten, dass Schmid nicht glaubwürdig sei.

Zeuge: Schmid sprach von „Deal“ mit Ermittlern

Der Richter konfrontierte den Zeugen mit der genauen Aussage in der eidesstattlichen Erklärung, ob er sie nämlich inhaltlich auch vor Gericht bestätigen könne. Schmid sei sehr interessiert daran gewesen, einen „Deal“ (mit der WKStA) zu machen, weil damit die „Probleme beseitigt“ würden, gab der Zeuge an. Schmid habe gesagt, dass er gut zu denjenigen sei, die es gut mit ihm meinten. Sie hätten das so verstanden, so der Zeuge, dass Schmid bereit sei, alles zu tun, um aus der Sache herauszukommen.

Schmid mit „Problem“ konfrontiert

Über Schmids genaue Umstände und das juristische Problem habe sein Kollege aus den Medien erfahren, gab der zweite Zeuge an. Aus diesem Grund habe man Schmid mit dem „Problem“ konfrontiert. Schmid habe über die Ermittlungen gesprochen und darüber, dass er sich in Österreich nicht wohlfühle und sich deshalb in Amsterdam aufhalte.

Zeuge: „Zwischen den Zeilen lesen“

Auf die Frage des Richters, ob Schmid wortwörtlich von „Druck“ gesprochen habe, sagte der Zeuge: Es sei etwas, was man zwischen den Zeilen lesen könne: ein Umstand, der länger behandelt wurde, denn in der eidesstattlichen Erklärung war der Passus anders – weit expliziter – formuliert.

Da hieß es: „Er sagte, dass er den Staatsanwalt mit seiner Aussage nur glücklich machen wollte, um einen Deal mit ihm zu machen, obwohl nicht alles, was er vor dem Staatsanwalt ausgesagt hat, seiner Erinnerung nach wahr war.“ Der Satz stimme, so der Zeuge; zugleich verwies er auf seine Fähigkeit, über die Glaubwürdigkeit von Menschen zu befinden.

Sebastian Kurz im Wiener Straflandesgericht
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Kurz vor Verhandlungsbeginn, im Vordergrund die Verteidiger Dietrich und Suppan

„Doch nicht der ideale Kandidat“

Die Geschäftsmänner hätten Schmid fachlich als geeigneten Kandidaten für den Job gesehen, Schmids Abkehr von seinen ehemaligen Weggefährten um Kurz habe sie aber irritiert, so die etwas wackelige Angabe des ersten russischen Zeugen. Man sei zum Schluss gekommen, dass er „doch nicht der ideale Kandidat für das Projekt“ sei, sagte der Zeuge am Freitag. Fragen des Richters und die Antworten des Zeugen werden von einem Dolmetscher übersetzt – dieser ist inhaltlich nicht einfach zu verstehen.

„Alles, was da stand, war wahr“

Überhaupt kamen etliche Widersprüche auf, denn wie und wieso es zur Kontaktaufnahme von Kurz’ Anwälten gekommen war, konnte nicht schlüssig dargelegt werden. Auch kam auf, dass Verteidiger Otto Dietrich den Russen bei der Formulierung der eidesstattlichen Erklärung zum Treffen geholfen hatte. Der zweite Zeuge gab an, dass ihn sein Kollege gebeten habe, das bereits von ebendiesem vorgefertigte Dokument zu unterschreiben – inhaltlich habe er es freilich geprüft („Alles, was da stand, war wahr“).

Was mögliche andere Kandidaten angehe, habe das mit dem Verfahren „nichts zu tun“ – solche Informationen dürfe man als privates Unternehmen nicht offenlegen, sagte der Zeuge auf Fragen der Staatsanwaltschaft.

Leinwand mit Videokonferenz im Wiener Straflandesgericht
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Am mutmaßlichen Urteilstag ist das Medieninteresse wieder sehr groß

Dietrich stellt Fragen auf Englisch

Kurz’ Anwalt Dietrich stellt die Fragen auf Englisch und will vor allem, dass der Zeuge entscheidende Aussagen in der Befragung durch den Richter präzisiert. Der zweite Zeuge bestätigte auf Dietrichs Nachfrage, ja, er habe in der Befragung durch den Richter bestätigt, dass Schmid sagte, er sei von der WKStA unter Druck gesetzt worden. Und er bestätigte auch die Aussage, dass Schmid ihnen versichert habe, sie müssten sich seinetwegen (gemeint: wegen der Ermittlungen in Österreich) keine Sorgen machen. Schließlich bestätigte der zweite Zeuge nochmals, dass alle Aussagen in der eidesstattlichen Erklärung mit seiner Erinnerung übereinstimmten.

Die langwierige und teils stockende Übersetzung und die Hinweise Dietrichs darauf ließen Richter Michael Radasztics diesen für seine Befragung zum Richtertisch rufen, damit man nicht noch mehr „lost in translation“ sei.

„When they come to you, you have a problem“

Nach einer kurzen Pause ging es mit Schmid weiter – ebenfalls per Zoom, aus Amsterdam, zugeschaltet. Schmid betonte, er habe bei den beiden Treffen gar keine Information über das Projekt bekommen. Zentral erinnere er sich, dass der erste Zeuge ihn gefragt habe, ob die Staatsanwaltschaft zu ihm gekommen oder er zu ihr gegangen sei. Schmid habe nicht genau gewusst, was er damit meinte, aber habe geantwortet, dass er zur WKStA gegangen sei und mit ihr kooperiere. Darauf habe der Geschäftsmann geantwortet: „Because where I come from, when they come to you, you have a problem“, so Schmid.

Konfrontiert mit Aussagen aus der eidesstattlichen Erklärung der beiden Geschäftsleute, die von der Verteidigung als Zeugen berufen wurden, widersprach Schmid. Auch auf Nachfrage sagte Schmid, er habe nie von Druck seitens der WKStA gesprochen.

Schmid: Aussagen der Zeugen unrichtig

Er habe auch nie gesagt, dass er gesagt habe, er sei zu jenen Menschen gut, die gut zu ihm seien. Zu der Aussage der Zeugen laut Erklärung, die Staatsanwaltschaft sei vor allem an belastenden Aussagen gegen Kurz und der „Heute“-Herausgeberin Eva Dichand interessiert, meinte Schmid, die Namen könnten gefallen sein, aber er habe keine Erinnerung. Als „vollkommenen Unsinn“ wies er die Behauptung zurück, im Kontext eines solchen Mittagessens gesagt zu haben, er habe bei der Staatsanwaltschaft die Unwahrheit gesagt. Generell betonte Schmid, die Aussagen der Geschäftsleute seien unrichtig.

Schmid: Smalltalk und keine Info über Projekt

Das erste Treffen in Amsterdam sei in der Hotellobby gewesen, und es habe daran nur der erste Zeuge teilgenommen. Er habe den Kontakt überhaupt erst über einen Banker in London, den er gut kenne, bekommen. Auf Bedenken seinerseits bezüglich Geschäften in Russland habe dieser recherchiert und ihn informiert, die Betreiber seien Georgier und Israelis. Beim ersten Treffen sei es nur um Smalltalk gegangen, auf Fragen nach dem Projekt seinerseits habe er keine Antworten bekommen.

Letzter Verhandlungstag im Kurz-Prozess

Der Prozess um die mögliche Falschaussage vor dem U-Ausschuss geht am Freitag in die Finalphase. Vor den Plädoyers von Anklage und Verteidigung und dem erwarteten Urteil kommen noch einmal Zeugen zu Wort. Eingangs wurde via Videoschaltung nach Moskau jener russische Zeuge befragt, der zuletzt knapp vor seinem Termin krankheitsbedingt abgesagt hatte. Belastungszeuge Thomas Schmid folgte danach.

Beim zweiten Treffen – das dann nur auf Initiative des Geschäftsmanns zustande gekommen sei, sei dann ohne Vorinformation der zweite Zeuge dazugestoßen. Dieser sagte, er habe sich über ihn, Schmid, erkundigt und ihn auf die Ermittlungen in Österreich angesprochen. Schmid betonte, er sei damit offen umgegangen, weil es ja sowieso überall in den Medien gewesen sei, und habe mehrmals betont, dass er mit der Staatsanwaltschaft kooperiere. Der zweite Zeuge sei übrigens beim Mittagessen meist mit Telefonieren beschäftigt und nicht anwesend gewesen.

Die Verteidiger von Kurz und Bonelli versuchten in der Befragung, Schmids Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen, indem sie übertriebene Angaben seinerseits in dem Lebenslauf, den er den Geschäftsleuten geschickt hatte, herausstrichen und Schmid darauf ansprachen. Auf die Frage, warum er die ÖBAG im Lebenslauf als „state funds“ bezeichnet habe, räumte Schmid ein, dass das nicht präzise sei, die ÖBAG aber ein wichtiges Kriterium erfülle, da Dividenden zum Reinvestment verwendet werden können.

Staatsanwalt Gregor Adamovic und Staatsanwalt Roland Koch
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Die Ankläger der WKStA stellen in Raum, dass Schmid in Amsterdam eine Falle gestellt werden sollte

WKStA-Antrag auf Dietrich-Befragung

Die WKStA beantragte im Anschluss eine weitere Zeugeneinvernahme – nämlich von Kurz Anwalt Dietrich. Dieser solle über seine Rolle beim Zustandekommen der eidesstattlichen Erklärungen der russischen Zeugen und die Hintergründe des Zustandekommens aufklären. Es sei nicht auszuschließen, dass es sich dabei um eine Falle gehandelt habe.

Dietrich wies den Antrag umgehend zurück und berief sich auf seine anwältliche Schweigepflicht. Zudem erwähnte er, er habe von dem Amsterdam-Treffen über Anwaltskollegen erfahren. Die WKStA zog daraufhin – wohl auch wegen Aussichtslosigkeit – den Antrag zurück.Die Beweisaufnahme wurde damit offiziell abgeschlossen.

Kurz nahm daraufhin selbst noch einmal zur gesamten Causa Stellung. Darin versuchte er vor allem nochmals, Schmids Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen, und verwies so wie sein Anwalt zuvor auf Ungenauigkeiten in Schmids Lebenslauf.

Richter verliest Beweisgegenstände

Die Mittagspause war um 13.30 Uhr vorbei – anschließend verlas der Richter die schriftlichen Beweismittel summarisch. Das ist Voraussetzung dafür, dass sie als Grundlage für das Urteil dienen können. Als Nächstes sind die Staatsanwälte mit ihrem Plädoyer dran.

Kurz: Informiert, nicht involviert

Kurz und seinem einstigen Kabinettschef Bonelli wird von der WKStA vorgeworfen, seine Rolle bei Postenbesetzungen für die ÖBAG – konkret für den Aufsichtsrat und Vorstand – kleingeredet zu haben. Im U-Ausschuss gilt die Wahrheitspflicht, Falschaussage ist daher strafbar. Für beide Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.

Die Angaben des Ex-Kanzlers widersprechen diametral jenen von Schmid, dem ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium mit Naheverhältnis zu Kurz und späteren Vorstand der Staatsholding ÖBAG. Er sagte im Prozess als wichtigster Zeuge der Anklage aus. Seine zentrale Linie: Ohne Kurz ging nichts.

Der Ausgang des Falschaussageprozesses und insbesondere, wie das Gericht die Aussagen Schmids bewertet, all das dürfte sich indirekt auch auf die anderen Verfahren auswirken und auf die Entscheidung, ob Schmid den Kronzeugenstatus im „Inseratenaffäre“-Verfahren erhält. Der Prozess gegen den Ex-Kanzler dauerte aufgrund zusätzlicher Beweis- und Zeugenanträge deutlich länger als erwartet.

Zum Start im Oktober 2023 hatte Radasztics drei Verhandlungstage anberaumt, letztlich wurden es zwölf. Die Höchststrafe für Falschaussage beträgt drei Jahre. Wenn es am Freitag zum Urteil kommt, dürfte das nicht das Ende dieses Verfahrens sein, sondern es dürfte in die Berufung gehen.