Großer Schwurgerichtssaal
ORF/Lukas Krummholz
Kurz schuldig

Urteil mit Folgen

Im Falschaussageprozess ist Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) schuldig gesprochen worden. Am Freitagabend kam das Gericht zum Schluss, dass Kurz vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss die Unwahrheit gesagt hat. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Verteidigung hat Rechtsmittel angemeldet. Der Ausgang des Falschaussageprozesses könnte weitreichende Folgen haben – allen voran wegen Thomas Schmid.

Kurz wurde von Richter Michael Radasztics zu acht Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt, Kurz’ Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli, der ebenfalls wegen Falschaussage vor dem U-Ausschuss angeklagt war, zu sechs Monaten. Beide hätten die Rolle von Kurz bei der Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder der Staatsholding ÖBAG heruntergespielt. Der Ex-Kanzler betonte stets – auch im U-Ausschuss –, er sei informiert, aber nicht involviert gewesen. Richter Radasztics sah das anders.

In den vergangenen Prozesstagen hatten frühere Mitstreiter von Kurz dessen Verteidigungslinie untermauert. Darunter befanden sich etwa die Ex-Finanzminister Gernot Blümel und Hartwig Löger (beide ÖVP). Als Belastungszeuge fungierte Ex-Generalsekretär Schmid. Obwohl die Anwälte von Kurz versuchten, dessen Glaubwürdigkeit mit Aussagen von zwei Russen und einem scheinbar frisierten Lebenslauf zu untergraben, befand Richter Radasztics: In ihrer Gesamtheit seien Schmids Aussagen glaubwürdig gewesen.

„Gewisse Aufwertung“ von Schmid

Der Falschaussageprozess ist ein eher kleiner Strang im gesamten CASAG-Verfahren, in dem seit 2019 ermittelt wird. Im Komplex geht es um die Vorstandsbestellung in der Casinos Austria AG (CASAG) und einen Deal rund um Glücksspielgesetze. Gleichzeitig laufen andere Verfahren aufgrund der CASAG-Ermittlungen, etwa die Inserate- und Umfrageaffäre der ÖVP. Der Vorwurf lautet, dass mit Steuergeld aus ÖVP-geführten Ministerien Umfragen, von denen die Partei profitiert, bezahlt und in Medien platziert worden seien.

Richter Michael Radasztics
ORF/Patrick Bauer
Für Richter Radasztics waren die Aussagen von Schmid glaubwürdig

Die Ermittlungen basieren wie auch weitere Verfahren auf Auswertung von Handychats, aber auch auf den Aussagen von Schmid. Der frühere Kurz-Vertraute strebt nämlich den Kronzeugenstatus in der Affäre um Umfragen und Inserate an, dafür sagte er bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) aus und belastete Kurz und weitere Politiker schwer. Dass Schmid im Prozess als glaubwürdig eingestuft wurde, dürfte seine Chancen auf den Kronzeugenstatus erhöhen, sagte Strafrechtsexperte Robert Kert in der ZIB2.

Politikberater Thomas Hofer wollte den Ausgang des Prozesses rechtlich nicht bewerten, betonte aber gegenüber ORF.at, dass der frühere Kurz-Vertraute Schmid quasi eine „gewisse Aufwertung“ erfahren habe. In der Inseratencausa sei das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, weshalb Schmid in den Mittelpunkt rücken werde. Sowohl für das Lager von Kurz als auch für die ÖVP werde es nun schwieriger, an der Erzählung festzuhalten, dass Schmid die Unwahrheit sagt. Auch deshalb bezeichnete Hofer das Urteil gegen Kurz als „Paukenschlag“.

„Wasser auf die Mühlen der Kurz-Kritiker“

Freigesprochen wurden sowohl Kurz als auch Bonelli von Vorwürfen zu Aussagen die Schmid-Schiefer-Vereinbarung betreffend. Schmid und der FPÖ-nahe Arnold Schiefer hätten sich, so der Vorwurf, wichtige Posten ausgedealt, Kurz hätte davon gewusst. Laut Richter Radasztics „wäre schon auf objektiver Ebene nicht klärbar gewesen, ob die Aussagen falsch waren“.

Analyse nach dem Kurz-Urteil

Ex-Kanzler und Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz ist am Freitagabend in erster Instanz nicht rechtskräftig zu acht Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt worden. Ihm wurde Falschaussage im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss vorgeworfen. In der ZIB2 analysieren Robert Kert, Strafrechtsexperte der Wirtschaftsuniversität Wien, und der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier.

Ebenfalls freigesprochen wurden die beiden Angeklagten von den Vorwürfen in Zusammenhang mit der Bestellung des Vorstandes der ÖBAG. Im Zuge der Umstrukturierung der Staatsholding wurde Schmid am Ende zum Alleinvorstand bestellt. Als Generalsekretär im Finanzministerium hatte er an der Strukturreform mitgewirkt. Kurz sagte im „Ibiza“-U-Ausschuss, dass er gewusst habe, dass Schmid Interesse am Posten habe. „Sie haben es zweifellos gewusst“, sagte der Richter.

Trotz dieser Freisprüche werde der Ausgang des Prozesses „Wasser auf die Mühlen der Kurz-Kritiker“ sein, so Hofer. Auch für die ÖVP sei es im Wahljahr eine Belastung. Schmid werde in beiden U-Ausschüssen „rauf- und heruntergespielt“. Dass einige Verfahren, in denen Schmid ÖVP-Politiker ebenfalls belastet hat, nicht zu einer Anklage führten, sei zwar richtig, dennoch wird künftig auf diesen Prozess verwiesen werden. Die ÖVP selbst bezeichnete das Urteil als „überraschend“, es „muss aber zur Kenntnis genommen werden“.