Parkflächen auf einem Feld
ORF.at/Lukas Krummholz
Bodenverbrauch

Ziviltechniker fordern „radikales Umdenken“

Das Thema Bodenverbrauch hat zuletzt für einen politischen Schlagabtausch zwischen Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Niederösterreichs Landeshauptfrau Johann Mikl-Leitner (ÖVP) gesorgt. Am Montag meldeten sich Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker in der Debatte zu Wort. In einem Positionspapier verlangen sie ein „radikales Umdenken in Bodenpolitik und Baubranche“.

In ihrem Positionspapier fordert die Bundeskammer der Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker (zt) Politik und Wirtschaft auf, bereits bebaute Flächen sinnvoll zu nutzen und jegliche weitere Bodeninanspruchnahme einzuschränken.

Die Kammer verweist auf Zahlen des Umweltbundesamtes, wonach in Österreich jährlich 41 Quadratkilometer Boden in Anspruch genommen werden, was etwa der Größe Eisenstadts entspricht. Ein erheblicher Teil dieser Flächen werde versiegelt. Die Abdeckung des Bodens mit luft- und wasserundurchlässigen Schichten führe zu einem Absterben des Bodenlebens: „Biologisch produktive Böden gehen dauerhaft verloren“, warnte die Kammer.

Kritik an Ruf nach „Eigenheimbonus“

Kritik übte die Kammer, die Architektinnen und Architekten sowie Zivilingenieurinnen und -ingenieure vertritt, an der von den Sozialpartnern erhobenen Forderung nach einem „Eigenheimbonus“. Aktuell auf Neubauten und somit auf Versiegelung zu setzen, um die Bauwirtschaft anzukurbeln, wäre, als würden Ärztinnen und Ärzte eine weitere Pandemie fordern, um mehr Patientinnen und Patienten behandeln zu können, so der Architekt und Kammerpräsident Daniel Fügenschuh.

Statt neu zu bauen, sollten Anreize geschaffen werden, um Sanierungen und Adaptierungen im Bestand attraktiver zu machen. Dabei geht es laut Kammer nicht nur um „einzelne Gebäude“, sondern um ganze „Quartiere“.

Darunter fällt für die Interessenvertretung die „Stärkung und Nachverdichtung“ von Ortskernen. Auch das Konzept der „15-Minuten-Stadt“, in der alle Wege des Alltags in maximal einer Viertelstunde bewältigt werden können, solle als „verbindliches Ziel“ formuliert werden.

Briefwechsel von Kogler und Mikl-Leitner

Das Thema Bodenschutz sorgte zuletzt zwischen den Koalitionsparteien für Uneinigkeit. Vizekanzler Kogler appellierte vergangene Woche in einem Brief an Landeshauptfrau Mikl-Leitner, auf widerstrebende Bundesländer positiv einzuwirken. Ziel sei es, den Bodenverbrauch wie im Regierungsprogramm festgeschrieben bis 2030 auf 2,5 Hektar pro Tag zu beschränken. Mikl-Leitner ist aktuell Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz.

Laut Zahlen des Umweltbundesamtes ist Österreich mit einem täglichen Flächenverbrauch von 11,3 Hektar für Bautätigkeiten, Verkehr und Betriebsflächen weit entfernt von den Zielen des Regierungsprogramms.

Mikl-Leitner antwortete dem Vizekanzler am Sonntag ebenfalls in schriftlicher Form. In ihrem Brief sprach sich die ÖVP-Politikerin für eine Diskussion „im vernünftigen Rahmen“ aus. Die Bundesländer seien bereit, „eine praxistaugliche Bodenschutzstrategie zu finalisieren“. Neben dem Bodenschutz gebe es aber „noch viele weitere berechtigte Anliegen“ der Bevölkerung. Im Schreiben angeführt sind erschwinglicher Wohnraum, der Ausbau der Kinderbetreuung und Investitionen in die Energiewende.

Verbindliche Vorgaben für Bodenverbrauch

Die Kammer der Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker forderte in ihrem Positionspapier mit dem Titel „Klima, Boden & Gesellschaft“ ein „Bodenschutzrahmengesetz“, das „verbindliche Vorgaben auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene“ schaffen solle. Für Bodeninanspruchnahme und Bodenversiegelung müssten bundesweit verpflichtende Vorgaben und Grenzwerte für Länder und Gemeinden eingeführt werden.

Statt „quantitativen“ Wachstums solle „qualitatives“ belohnt werden, „etwa durch entsprechende steuerliche Maßnahmen“, heißt es. Dazu notwendig ist aus Kammersicht eine Reform des Finanzausgleichs und der Kommunalsteuer. Zudem brauche es eine stärkere Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs, insbesondere im ländlichen Raum.

Fokus auf Erreichen von Klimazielen

Die weiteren Kapitel des Positionspapiers behandeln unter anderem die Themen Klimaschutz, Energie, Rohstoffe sowie Gesellschafts- und Sozialpolitik.

Angesichts der Tatsache, dass 40 Prozent des Energiebedarfs der EU auf Gebäude entfallen, fordern die Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker eine Überarbeitung von Normen und Regulativen unter dem Aspekt der Erreichung der Klimaziele. Zudem plädieren sie für die Erstellung überregionaler und regionaler Energieraumpläne sowie die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Energieinfrastrukturprojekte.

Ruf nach Leerstandsmonitoring

Die Mehrkosten für klimafreundliches Bauen dürften nicht auf schwächer gestellte Teile der Bevölkerung zurückfallen, als Instrument dagegen sieht die Kammer die Förderung des sozialen Wohnbaus. Ebenfalls im Positionspapier enthalten ist der Ruf nach einem bundesweiten Leerstandsmonitoring.