Gefrorene Embryonen werden aus einem Kühlgerät herausgehoben
AP/Lynne Sladky
Embryonen als Kinder

US-Urteil entzweit Pro-Life-Bewegung

Nachdem das Höchstgericht im US-Bundesstaat Alabama zuletzt entschieden hatte, dass eingefrorene Embryonen als Kinder zu werten seien, haben mehrere Kliniken aus Furcht vor Klagen vorläufig ihre künstlichen In-Vitro-Befruchtungen (IVF) gestoppt. Das Urteil entzweit vor allem auch viele Pro-Life-Anhängerinnen und -Anhänger. Die Debatte könnte zudem auch zum Problem für die Republikaner im US-Wahlkampf werden, wie auch der Auftritt des texanischen Gouverneurs, Greg Abbott, am Sonntag bei CNN zeigte.

Abbott äußerte zwar grundsätzlich seine Unterstützung für künstliche Befruchtungen, weigerte sich aber, ein eigenes Gesetz zum Schutz des Zugangs in seinem Bundesstaats Texas zu fordern. Er wolle jedoch sicherstellen, dass einige Menschen Zugang zu IVF haben, und berief sich dabei auf die Haltung von Ex-US-Präsident Donald Trump.

Trump selbst hatte sich am Freitag das erste Mal zu Wort gemeldet und gesagt, er würde „die Verfügbarkeit von IVF stark unterstützen“. Er forderte die Gesetzgeber in Alabama auf, den Zugang zu der Behandlung zu erhalten. Auf seinem Onlinedienst Truth Social schrieb er, man wolle es „Müttern und Vätern leichter machen, Kinder zu bekommen, nicht schwerer“. Auch aus dem Umfeld des US-Senats war zu hören, die Kandidatinnen und Kandidaten sollten sich nach der „überwältigenden Unterstützung der Öffentlichkeit für IVF richten“.

Urteil auf Gesetzesgrundlage von 1872

Die Debatte über künstliche Befruchtungen war aufgekommen, nachdem das oberste Gericht von Alabama vor mehr als einer Woche auf der Grundlage eines Gesetzes aus dem Jahr 1872 entschieden hatte, dass gefrorene Embryonen als Kinder anzusehen sind. In besagtem Fall ging es darum, dass drei Paare, die bei einem Unfall in einer Lagereinrichtung eingefrorene Embryonen verloren haben, die Kinderwunschklinik und das Krankenhaus wegen widerrechtlicher Tötung eines minderjährigen Kindes verklagen können.

Ein vorinstanzliches Gericht hatte entschieden, dass die eingefrorenen Embryonen nicht als „Personen“ oder „Kinder“ betrachtet werden könnten. Das oberste Gericht hob das Urteil mit sieben zu zwei Stimmen auf und erklärte, das mehr als 150 Jahre alte Gesetz sei auf „alle Kinder ohne Einschränkung“ anzuwenden. Während die Mehrheit der Richter ihre Entscheidung auf das Gesetz stützte, berief sich der oberste Richter Tom Parker bei der Begründung seiner Entscheidung wiederholt auf die Bibel.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump
Reuters/Elizabeth Frantz
Trump hatte die Gesetzgeber in Alabama aufgefordert, den Zugang zur IVF-Behandlung zu erhalten

Uneinigkeit bei Republikanern

Wie uneinig sich die Republikaner in der Debatte sind, zeigte sich auch beim Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses aus Florida, Byron Donalds. Gegenüber NBC sagte er am Sonntag, dass er dem Alabama-Urteil zustimme, wonach Embryonen bereits Kinder sind. Wenig später sagte er jedoch, dass er „einhundertprozentig“ die künstliche Befruchtung unterstütze, wie die „New York Times“ („NYT“) schrieb.

Trumps republikanische Herausforderin Nikki Haley befürwortete vergangene Woche ebenfalls das Urteil, ruderte wenig später jedoch zurück und meinte, Alabama müsse „zurückgehen und sich das Gesetz ansehen“. Laut BBC hatte Haley IVF-Behandlungen selbst genutzt, um ihre beiden Kinder zu bekommen.

Auch Abtreibungsgegner hin- und hergerissen

Und auch republikanische Abtreibungsgegnerinnen und -gegner schienen am Donnerstag auf der „Conservative Political Action Conference“, einer der größten jährlichen Versammlungen republikanischer Wähler und Wählerinnen, hin- und hergerissen zu sein.

Jessica Andreae, eine hochrangige Aktivistin der christlichen Organisation Pro-Life Ministries, sagte der BBC, sie stimme mit dem Höchstgericht in Alabama überein, dass Embryonen als menschliches Leben betrachtet werden sollten. Für sie sei das jedoch „eine sehr komplexe Angelegenheit“, da auch eine Freundin von ihr durch IVF zwei Kinder bekommen habe.

Urteil schwer nachvollziehbar

Für viele Anhängerinnen und -Anhänger der Pro-Life-Bewegung ist das Urteil vor allem auch schwer nachvollziehbar, da es vielen Familien mit Kinderwünschen die Chance nehmen würde, Eltern zu werden. Denn wenn sich viele Kliniken aus Angst vor juristischen Folgen weigerten, künstliche Befruchtungen durchzuführen, würden dadurch auch weniger Kinder geboren.

IVF ist eine schwierige und langwierige Behandlung, bei der die Eizellen einer Frau mit männlichen Samenzellen in einem Labor künstlich befruchtet werden, um einen mikroskopisch kleinen Embryo zu erzeugen. Der befruchtete Embryo wird dann in die Gebärmutter der Frau übertragen, wo er eine Schwangerschaft herbeiführen kann – ein erfolgreiches Ergebnis ist jedoch nicht garantiert.

Außenansicht des Höchstgerichts in Montgomery, im US-Bundesstaat Alabama
AP/Kim Chandler
Seit dem Urteil des obersten Gerichts in Alabama wird in den USA wieder heftig über die Rechte von Frauen debattiert

Zusammenhang mit Abtreibungsurteil

Das Urteil in Alabama steht auch im Zusammenhang mit der Entscheidung des von Trump sehr konservativ besetzten Obersten Gerichtshofs der USA von 2022, der sein Grundsatzurteil Roe vs. Wade aus dem Jahr 1973 aufgehoben hatte, in dem das verfassungsmäßige Recht von Frauen auf Abtreibung verankert war.

Seitdem ist das Recht auf Abtreibung nicht mehr in der Verfassung garantiert, und die Entscheidung liegt bei den Bundesstaaten. Alabama ist einer von etwa zwei Dutzend Bundesstaaten, in denen Abtreibungen seitdem verboten oder stark eingeschränkt wurden. Auch Abtreibungsgegnerinnen und -gegner haben seitdem viel Aufwind erfahren.

Kritik der Demokraten

Kritik am Urteil kam vergangene Woche auch von US-Präsident Joe Biden. Die Einmischung in die Möglichkeit von Frauen, selbst über ihre Familienplanung zu entscheiden, sei „empörend und inakzeptabel“. Auch Vizepräsidentin Kamala Harris kritisierte die Entscheidung in Alabama, auch im Zusammenhang mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Washington in Sachen Abtreibungsverbot.

Die demokratische Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, wurde gegenüber CNN konkreter und benannte einen Schuldigen: „Wir haben immer gewusst, dass mit den Ernennungen des Obersten Gerichtshofs von Donald Trump (…) die Fähigkeit einer Frau, ihre eigenen Entscheidungen über ihren Körper zu treffen (…), in Gefahr ist“, sagte sie. Dieses Alabama-Urteil sei daher eine natürliche Reaktion darauf.