Kerzen zum Gedenken an Femizide
APA/Max Slovencik
Nicht zum ersten Mal

Politische Schockstarre nach Femiziden

Fünf Frauen und ein Mädchen sind in Österreich in den vergangenen Tagen getötet worden. Die Reaktionen aus der Politik waren anhand der Fälle der vergangenen Jahre absehbar: Man zeigt sich bestürzt und erschüttert, es werden Konsequenzen gefordert – und doch passiert relativ wenig. Bis zum nächsten Fall. In der ÖVP setzt man darauf, dass die bisher getroffenen Maßnahmen zu wirken beginnen.

Drei tote Frauen in einem Bordell mit einem afghanischen Asylwerber als dringend Tatverdächtigen und eine gemeinsam mit ihrer 13-jährigen Tochter tot aufgefundene Mutter mit einem gut situierten Ehemann und Vater, der seitdem nicht auffindbar ist: Die beiden Tötungsdelikte von Freitag zeigen die gesellschaftliche Spannbreite, in der Femizide in Österreich verübt werden.

Frauenmorde, das zeigten auch die vielen Fälle in den vergangenen Jahren, sind keine Frage der sozialen Stellung, des Alters oder auch der geografischen Lage in Österreichs. Das zeigt auch der bisher letzte Fall: Am Montag wurden in Eschenau (NÖ) eine 84-Jährige mit Schussverletzungen tot und ihr Lebensgefährte schwer verletzt aufgefunden. Die Polizei geht nach dem Auffinden eines gemeinsamen Abschiedsbriefs von einer Tötung mit anschließendem Suizid aus – mehr dazu in noe.ORF.at.

Raab verweist auf „gut ausgebautes Gewaltschutzsystem"“

Schon am Sonntag forderte der Österreichischen Frauenring, die Dachorganisation österreichischer Frauenvereine, eine sofortige Krisensitzung, einen nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen und eine Aufstockung der Mittel zur Gewaltprävention – mehr dazu in wien.ORF.at.

Talk: Fünf Femizide in Wien

Fünf Morde an Frauen und Mädchen an einem einzigen Tag in Wien – binnen 24 Stunden seien in Wien so viele Frauen von Männern getötet worden „wie im gesamten Jahr 2023“, so der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF). Die Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings Klaudia Frieben spricht unter anderem über die Notwendigkeit der Politik zu handeln.

Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) zeigte sich am Sonntag in einem Statement auf Facebook „tief erschüttert“. „Dieses Ausmaß an Brutalität ist unvorstellbar“, sagte sie in einem Statement auf Facebook. Raab verwies dennoch auch auf ein „mittlerweile gut ausgebautes Gewaltschutzsystem“ in Österreich. Seit 2020 hätten sich die sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen mehr als verzehnfacht.

Karner setzt auf umgesetzte Maßnahmen

„Leider lässt sich auch dadurch nicht jeder einzelne Fall von Gewalt verhindern, gerade wenn es im Vorfeld keine Hinweise gab“, so die Ministerin. „Wir müssen trotzdem jede Chance nützen, um die Sicherheitssysteme präventiv zu aktivieren und Gewalt bereits vor der Tat zu stoppen.“

Auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sprach am Montag von „bestialischen und abscheulichen Fällen“, mahnte jedoch, diese getrennt zu betrachten und die richtigen Schlüsse zu ziehen. „Ich bin überzeugt, dass die bisher von der Bundesregierung gesetzten Maßnahmen greifen werden“, verwies Karner am Rand einer Veranstaltung in Innsbruck etwa auf die Erhöhung der Fallkonferenzen und die Einführung von Gewaltambulanzen.

In drei Tagen fünf Frauen und ein Mädchen tot

Nachdem am Freitag in Wien vier Frauen und ein Mädchen getötet wurden, hat es am Montag einen mutmaßlichen Frauenmord in Niederösterreich gegeben. Opferschutzeinrichtungen fordern einmal mehr, Frauen besser zu schützen. Die zuständige Ministerin Susanne Raab (ÖVP) zeigte sich tief erschüttert. Österreich verfüge aber über ein gut ausgebautes Gewaltschutzsystem, so Raab.

Grüne fordern Zivilcourage

Bestürzt zeigte sich Meri Disoski, stellvertretende Klubobfrau und Frauensprecherin der Grünen. Die mutmaßlichen Täter müssten „mit allen Mitteln des Rechtsstaats zur Verantwortung gezogen werden“, forderte sie in einer Aussendung. Jede Frau, die Gewalt erfahre, sei eine Frau zu viel: „Es liegt an uns allen zu zeigen, dass Gewalt, Frauenverachtung und Sexismus in unserer Gesellschaft keinen Platz haben und nicht toleriert werden. Hören und schauen wir nicht nur hin, sondern schreiten wir ein. Ob beim sexistischen Witz am Stammtisch oder wenn die Schreie aus der Nachbarwohnung immer lauter werden“, appellierte Disoski.

FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer forderte in Bezug auf den des Dreifachmordes verdächtigen 27-jährigen Afghanen die sofortige Abschiebung in dessen Heimatland. „Diese neuerliche Bluttat gegen Frauen von Menschen, die mit unserer westlichen Kultur nichts anfangen können und bei uns ihren Frauenhass ausleben, ist ein weiterer trauriger Beweis für das Versagen der ÖVP-Innenminister“, meinte Amesbauer in einer Aussendung.

SPÖ: Mehr Schutz für besonders gefährdete Frauen

Die SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner rief demgegenüber die Bundesregierung erneut dazu auf, einen nationalen Aktionsplan zum Schutz vor Gewalt zu erstellen und umzusetzen. Die Koordination zwischen Bund und Ländern müsse verstärkt, die Zusammenarbeit aller im Gewaltschutz tätigen Organisationen intensiviert werden.

Andrea Brem zu den Frauenmorden

Andrea Brem, die Geschäftsführerin der Wiener Frauenhäuser, fordert Prävententionsarbeit gegen Gewalt schon in den Schulen.

Volksanwalt Bernhard Achitz (SPÖ) forderte wirksamen Schutz auch für Frauen mit Behinderungen, Migrantinnen, Asylsuchende, Frauen ohne Papiere, wohnungslose Frauen und Transfrauen. Diese Gruppen hätten besonderen Schutzbedarf vor männlicher Gewalt.

„Mit gewaltpräventiven Methoden von der Stange lassen sich angesichts der Komplexität und unterschiedlichsten Risken in den Lebenswelten von Frauen und Mädchen keine Fortschritte erzielen“, gab Achitz am Montag in einer Presseaussendung zu bedenken.

„Erhebliche Umsetzungsdefizite“

Barrieren beim Zugang zu Beratungs- und Schutzstrukturen müssten daher abgebaut werden. Die besonders benachteiligten Frauen bräuchten „ein umfassendes niedrigschwelliges und diskriminierungsfreies Hilfesystem, um zu ihrem Recht zu kommen. Und wohl auch das Vertrauen, dass ihnen dort effektiv geholfen wird.“

Grundsätzlich mangle es nach wie vor an zwischen Bund und Ländern koordinierten Strategien und einem bundesweiten Aktionsplan zur Prävention und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt. Letztere sei „eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung, und Österreich mit seiner erschreckend hohen Zahl an Femiziden hat noch viel zu tun, um sie zu verhindern“, stellte Achitz fest. Ungeachtet der 2014 in Kraft getretenen Istanbul-Konvention gebe es nach wie vor „erhebliche Umsetzungsdefizite, nicht nur was Daten über die Gewalt gegen Frauen oder die Betreuung der Opfer betrifft“.