Soldaten
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Truppen für Ukraine

Deutliche Abfuhr für Macron-Vorstoß

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat für seine Äußerung, die Entsendung westlicher Bodentruppen in die Ukraine nicht auszuschließen, eine deutliche Abfuhr erhalten. Für Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) ist das eine Debatte, „die wir nicht wirklich brauchen“. Unter anderem in Deutschland, Tschechien, Ungarn, Polen und Schweden wollte man von der Entsendung westlicher Soldaten in die Ukraine nichts wissen. Der Kreml warnte indes.

Macron hatte am Vorabend mit der Aussage für Aufsehen gesorgt, er könne die Entsendung westlicher Soldaten in die Ukraine nicht ausschließen. Es gebe darüber derzeit keinen Konsens, sagte er zum Abschluss einer internationalen Ukraine-Konferenz am Montag in Paris. „Aber nichts darf ausgeschlossen werden, um zum Ziel zu kommen.“

Das Ziel sei, dass Russland nicht gewinnen dürfe. Macron kündigte zudem eine neue Koalition für die Lieferung von Raketen größerer Reichweite für die Ukraine an. Der französische Premierminister Gabriel Attal schloss sich am Dienstag Macron an. „Man kann nichts ausschließen in einem Krieg (…) im Herzen Europas“, sagte Attal im Radiosender RTL.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
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Macron erfuhr mit seinem Vorstoß, die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine nicht auszuschließen, eine deutliche Abfuhr

Absagen aus zahlreichen Ländern

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg versicherte am Dienstag, dass die NATO keine derartigen Pläne zum Einsatz von Bodentruppen habe. Das Bündnis leiste in der Ukraine „beispiellose Unterstützung“ und habe diese nach der Invasion verstärkt. Ein Einsatz von Kampftruppen in der Ukraine sei jedoch nicht geplant, sagte Stoltenberg der Nachrichtenagentur AP. Auch aus Großbritannien bekam Macron eine Abfuhr. Die Entsendung westlicher Soldaten in die Ukraine sei auch für Schweden derzeit „kein Thema“, so Ministerpräsident Ulf Kristersson. Derzeit „sind wir damit beschäftigt, fortschrittliche Ausrüstung in die Ukraine“ zu schicken.

Auch Polen plane nicht die Entsendung eigener Einheiten, sagte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk am Dienstag in Prag nach einem Treffen mit dem tschechischen Regierungschef Petr Fiala, der ebenfalls keine Entsendung von Soldaten in die Ukraine erwäge. Ungarn lehnt eine militärische Unterstützung der Ukraine kategorisch ab. „Ungarns Haltung ist klar und eindeutig: Wir sind nicht bereit, Waffen oder Truppen in die Ukraine zu schicken“, sagte Außenminister Peter Szijjarto.

Schallenberg fordert „diplomatische Perspektive“

Schallenberg kritisierte den französischen Vorstoß weiter. Macrons Aussagen gingen „in die Gegenrichtung“ zu dem, was es derzeit eigentlich brauche, nämlich eine „diplomatische Perspektive“, kritisierte Schallenberg weiter. „Es gab ganz offensichtlich in Paris überhaupt keinen Konsens dazu“, so Schallenberg. Und es sei „schon erstaunlich, wenn man mit einem Thema, das keinen Konsens hat … eine Debatte erzeugt, die wir nicht wirklich brauchen“.

Schallenberg unterstrich, dass Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf dem Gipfel am Montag in Paris die österreichische Position deutlich gemacht habe. „Wir brauchen auch wieder eine politische, diplomatische Perspektive in diesem Konflikt. Truppen entsenden ist eigentlich ein Zeichen in die Gegenrichtung, auch wenn man sagt, das ist nicht ein Thema von Artikel 5 des Washingtoner Vertrags“, so der Außenminister unter Verweis auf die Beistandsverpflichtung der NATO.

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg
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Auch Außenminister Schallenberg übte Kritik an Macron

Angesprochen auf Macrons Äußerungen meinte Nehammer am Dienstag am Rande einer Pressekonferenz, dass es darum gehe, die „europäische Echokammer“ zu verlassen und andere Staaten für die europäische bzw. westliche Friedensinitiative zu gewinnen. Explizit nannte er dabei die BRICS-Staaten, also Brasilien, Indien und China, die großen Einfluss auf Russland hätten.

Pistorius: "‚Boots on the ground‘ keine Option

Bodentruppen für die Ukraine stießen am Dienstag in Deutschland parteiübergreifend auf Ablehnung. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius schloss die Entsendung deutscher Bodentruppen in die Ukraine aus. „‚Boots on the ground‘ ist keine Option für die Bundesrepublik Deutschland“, sagte er nach einem Treffen mit Verteidigungsministern Klaudia Tanner (ÖVP) am Dienstag in Wien. Diese sprach von einem „besorgniserregenden Signal“ von Macron.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz
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Selbst der deutsche Kanzler Scholz, einer der engste Verbündete Macrons, konnte dem Vorschlag nichts abgewinnen

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte erst kurz zuvor der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine eine klare Absage erteilt und das mit dem Risiko einer Verwicklung Deutschlands in den Krieg begründet. „Deutsche Soldaten dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein. Auch nicht in Deutschland“, sagte Scholz am Montag bei der dpa-Chefredaktionskonferenz.

Kreml: Neues Element

Heftige Kritik kam aus Russland. Eine Entsendung von Truppen würde einen Konflikt zwischen Russland und der NATO nicht nur wahrscheinlich, sondern unvermeidlich machen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag der staatlichen Nachrichtenagentur TASS zufolge. Der Westen müsse sich darüber im Klaren sein, dass die Folgen nicht seinen und schon gar nicht den Interessen seiner Bürger entsprächen, fügte er hinzu.

„Allein der Fakt, dass die Möglichkeit besprochen wird, irgendwelche Kontingente aus NATO-Staaten in die Ukraine zu entsenden, ist natürlich sehr wichtig und ein neues Element“, kommentierte Peskow. Die Position Macrons, Russland eine Niederlage zufügen zu wollen, sei bekannt. Moskau habe aber zugleich registriert, dass eine Reihe von Staaten nüchtern genug seien, die potenzielle Gefahr zu erkennen, in einen Konflikt auf dem Schlachtfeld verwickelt zu werden.

Frankreich rudert zurück

Frankreichs Außenminister Stephane Sejourne rückte Macrons Aussagen unterdessen zurecht. Man müsse neue Unterstützungswege in den Blick nehmen, die auf sehr präzise Bedürfnisse antworteten, sagte Sejourne am Dienstag in der französischen Nationalversammlung. Er denke da vor allem an Cyberabwehr, die Produktion von Waffen in der Ukraine und die Minenräumung. Kampfverbände seien nicht gemeint.

„Einige dieser Handlungen könnten eine Präsenz auf ukrainischem Territorium erforderlich machen, ohne die Schwelle zur kriegsführenden Macht zu erreichen“, sagte er. „Angesichts der russischen Angriffe und der Destabilisierung Europas, die sie hervorrufen, muss die Unterstützung der Ukraine zunehmen.“ Die Frage nach Munitionslieferungen sei dringlich. Man müsse koordiniert vorgehen, um mehr zu produzieren und neue Fähigkeiten liefern zu können.