Demonstranten in Lagos, Nigerien
APA/AFP/Benson Ibeabuchi
Nigeria

Hunger und Wut fachen Proteste an

Die Inflation liegt bei fast 30 Prozent, bei Lebensmitteln sind die Preise noch stärker gestiegen. Die nigerianische Landeswährung Naira befindet sich in einem Abwärtstrend. Nigeria, eine der größten Volkswirtschaften Afrikas, erlebt derzeit die schlimmste Wirtschaftskrise seit fast 30 Jahren. Die Wut auf Präsident Bola Tinubu ist groß. Am Dienstag riefen die Gewerkschaften zu zweitägigen Protesten gegen „Hunger und Unsicherheit“ auf.

Zu den Organisatoren zählen der Dachverband der Gewerkschaften (Nigeria Labour Congress, NLC) und Dutzende zivilgesellschaftliche Gruppen. Im Vorfeld der Proteste hatten Politik und Polizei vor deren Durchführung gewarnt und wollten sie aufhalten, berichtete die nigerianische Tageszeitung „The Punch“. Ein Großaufgebot an Sicherheitspolizei wurde für die Proteste eingesetzt. Die Afrikanische Entwicklungsbank warnte aufgrund der steigenden Preise erst kürzlich vor sozialen Unruhen in Ländern wie Nigeria, Kenia und Äthiopien.

Der Präsident höre „sehr genau zu“ und er handle, um „die Bedürfnisse der Nigerianer zu erfüllen“, teilte der Finanzminister des Landes, Wale Edun, am Dienstag mit. Erst am Montag wurde die Wiederaufnahme von direkten Geldtransfers für mehr als zwölf Millionen Haushalte angekündigt. Tinubu bitte um „Geduld und Nachsicht“, richtete Edun aus. Er tue alles, um „diese Schmerzen zu lindern“. Die Gewerkschaft zweifelt allerdings an den Ankündigungen der Regierung und fordert mehr Maßnahmen.

Demonstranten in Lagos, Nigerien
APA/AFP/Benson Ibeabuchi
Gestiegene Treibstoff- und Lebensmittelpreise treiben die Menschen auf die Straßen

Luxusdienstwagen und Präsidentenjacht

Die Lücke zwischen Ankündigungen und tatsächlichen Reformen ist groß. Angesichts der schwierigen Lebensbedingungen sorgte etwa die Verabschiedung des Staatshaushalts mit Mitteln für luxuriöse Ausgaben für Politiker Ende vergangenen Jahres für Ärger.

Der monatliche Mindestlohn liegt bei umgerechnet 17,5 Euro und wurde seit 2019 nicht erhöht. Dafür wurden Abgeordneten für jeweils Zigtausende Dollar teure Geländewagen bewilligt. Das würde ihnen helfen, ihre Arbeit besser zu erledigen, so die Argumentation. Mit „dringenden Problemen“ bei Verteidigung und Sicherheit begründete Tinubu die für seine Jacht vorgesehenen 6,1 Mio. Dollar (5,6 Mio. Euro). Dieses Vorhaben wurde vom Parlament aber zurückgewiesen und das Geld stattdessen für Studierendenkredite zugewiesen, berichtete AP.

Harte Einschnitte, wenig Gegenmaßnahmen

Tinubu wurde am 1. März vergangenen Jahres offiziell zum Wahlsieger der Präsidentschaftswahl erklärt und Ende Mai vereidigt. Seither geht es mit der ohnehin schon zuvor angeschlagenen Wirtschaft weiter bergab. Einen Anteil daran haben von Tinubu gesetzte Maßnahmen, die Fachleuten zufolge zu wenig abgefedert wurden – mit dramatischen Konsequenzen für die Bevölkerung.

Nigerias Präsident Bola Tinubu
Reuters/Temilade Adelaja
Präsident Tinubu beendete nach seinem Amtsantritt die Treibstoffsubventionen. Das kurbelte die Inflation an.

So beendete Tinubu kurz nach seinem Amtsantritt die jahrelangen Treibstoffsubventionen. Im ersten Halbjahr 2023 hatten die Ausgaben dafür 15 Prozent des Staatshaushalts verbraucht – mehr als für Bildung und Gesundheit, berichtete BBC. Mit dem Ende der Subventionen stiegen zugleich aber auch andere Preise, da die gestiegenen Transport- und Energiekosten an die Konsumenten und Konsumentinnen weitergegeben wurden. Die Inflation stieg.

Preis für Benzin mehr als verdreifacht

Auf viele Teile der Bevölkerung kamen wesentlich höhere Kosten zu. Häufig werden etwa gasbetriebene Generatoren für Beleuchtung von Haushalten und für das Betreiben von Geschäften verwendet. Ein Liter Benzin kostet inzwischen mehr als das Dreifache als vor Tinubus Amtsantritt, der Preis für das Grundnahrungsmittel Reis verdoppelte sich im vergangenen Jahr. Viele Menschen müssen ihre Lebensmittel rationieren.

Auch eine Maßnahme, die noch von Tinubus Vorgänger Muhammadu Buhari gesetzt worden war, trug zu einem Anstieg der Inflation bei, ist der Finanzanalyst Tilewa Adebajo im BBC-Interview überzeugt. So hatte die Regierung Buhari die nigerianische Zentralbank um einen kurzfristigen Kredit gebeten, um Ausgaben in Höhe von 19 Mrd. Dollar (17,5 Mrd. Euro) zu decken. Diese gewährte ihn, druckte das Geld dafür und heizte auch damit die Inflation an.