Polizisten vor einer Wohnanlage in Berlin
APA/AFP/John Macdougall
Polizei bestätigt

RAF-Terroristin nach Jahrzehnten gefasst

Die frühere Terroristin der linkextremen deutschen Roten Armee Fraktion (RAF), Daniela Klette (65), ist in Berlin gefasst worden. Sie ist eine von drei RAF-Mitgliedern, nach denen noch gefahndet wird. Ihr wird die Mitwirkung an zwei Sprengstoffanschlägen vorgeworfen, vor allem aber werden ihr mit ihren Komplizen Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub etliche Raubüberfälle zur Last gelegt, die ab 2015 für Befürchtungen vor einer neuen RAF-Generation gesorgt hatten. Mittlerweile folgte eine zweite Festnahme.

Die Festnahme erfolgte am Montagabend in Berlin-Kreuzberg vor allem durch die Polizei aus Niedersachsen, die Berliner Polizei war nur als Unterstützung dabei. Am Dienstag standen uniformierte Polizisten vor dem siebengeschoßigen Gebäude. Der Eingang war gesperrt. Kriminaltechniker waren dort und untersuchten die betreffende Wohnung nahe der früheren Grenze zwischen West- und Ostberlin.

Die Behörden bestätigten am Nachmittag die Identität der Festgenommenen. Der entscheidende Hinweis sei im November 2023 aus der Bevölkerung gekommen, hieß es in einer Pressekonferenz des Landeskriminalamts Niedersachsen und der Staatsanwaltschaft Verden. In der Wohnung sei Munition gefunden worden. Laut Ermittlern wurde Klette per Fingerabdruck identifiziert. Sie habe einen italienischen Pass bei sich gehabt und sich ohne Widerstand festnehmen lassen.

Zudem wurde bekannt, dass wenig später eine weitere Person festgenommen wurde. Es handle sich um einen Mann im „gesuchten Alterssegment“, sagte der Präsident des Landeskriminalamts Niedersachsen, Friedo de Vries. Die Identität des Festgenommenen werde noch geklärt, es sei nicht sicher, ob sein Ausweisdokument echt sei.

Offenbar an letztem RAF-Anschlag beteiligt

Staub, Klette und Garweg werden der dritten RAF-Generation zugeordnet. Vertreter der Generation sollen den damaligen Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, und den Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder umgebracht haben. Rohwedder war am 1. April 1991 in Düsseldorf in seinem Haus am Schreibtisch erschossen worden. Das RAF-Kommando hatte ihn aus einer Kleingartenlage und mehr als 60 Metern Entfernung ins Visier genommen. Es war der letzte RAF-Mordanschlag.

Klette wird verdächtigt, 1990 an einem fehlgeschlagenen Sprengstoffanschlag auf das Technische Zentrum Eschborn der Deutschen Bank und an einem Schusswaffenangriff auf die US-Botschaft in Bonn 1991 beteiligt gewesen zu sein. Gemeinsam mit unter anderen Garweg und Staub soll sie auch den letzten RAF-Anschlag vor der Selbstauflösung der Terrororganisation 1998 verübt haben: Am 27. März 1993 drangen mehrere Bewaffnete in die in Umbau befindliche und damit unbelegte Justizvollzugsanstalt Weiterstadt ein, überwältigten das Wachpersonal und brachten fünf Sprengladungen an, die die Anlage zum Großteil zerstörten. Verletzt wurde niemand.

Reihe an Überfällen

1999 begann eine Serie von versuchten und teilweise geglückten Raubüberfällen, die aufgrund von DNA-Proben den drei „RAF-Pensionisten“ zugeordnet werden. Bis 2014 folgten fünf weitere Überfälle auf Supermärkte, ehe 2015 eine Reihe von sieben großteils erfolgreichen Überfällen auf Supermärkte und Geldtransporter begann. Bei einem davon wurde auch wegen versuchten Mordes ermittelt.

Burkhard Garweg, Ernst-Volker Wilhelm Staub und Daniela Klette
AP/BKA
Fahndungsfotos von Garweg, Staub und Klette

Deutsche Ermittler befürchteten, dass die Gruppe eine Art vierte Generation der RAF starten wollte. Später ging man eher davon aus, dass es keine politische Motivation für die Taten gab, sondern die verbliebenen EX-RAF-Mitglieder eher ihr Leben im Untergrund finanzieren mussten. Insgesamt wurden bei den Überfällen über die Jahre rund 1,6 Millionen Euro erbeutet.

Hoffnung auf Hinweise auf Komplizen

Wie ihr Leben im Untergrund ablief, ist völlig unklar. Von Klette, Garweg und Straub fehlte dennoch über Jahrzehnte praktisch jede Spur, Hinweise aus der Bevölkerung verliefen immer wieder im Sand. Zuletzt hatte die Staatsanwaltschaft Verden am 14. Februar Hinweise zu früheren Terroristen in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY… ungelöst“ erbeten.

Die Ermittler erhoffen sich mit der Festnahme Klettes auch Hinweise zum Aufenthaltsort von Staub und Garweg – doch dass sich die 65-Jährige äußern wird, ist zweifelhaft. Die RAF gab sich ein striktes Schweigegelübde, an das sich bisher alle Festgenommenen hielten.