Doku: Schwere Vorwürfe gegen Paulus Manker und Julian Pölsler

Er habe Schauspielerinnen und Schauspieler vor zahlendem Publikum getreten oder geschlagen, er habe Nacktszenen unabgesprochen ausgedehnt: Die Vorwürfe gegen Paulus Manker unter anderem bezüglich Inszenierungen seines Stücks „Alma“ sind nicht neu. Eine vom NDR produzierte Doku rollt sie nun allerdings neu auf.

Anonymes Interview mit einem Crewmitglied
NDR

„Gegen das Schweigen – Machtmissbrauch bei Theater und Film“ nimmt den österreichischen Theatermacher als Beispiel für eine Branche, die augenscheinlich für Gewalt und Machtmissbrauch besonders anfällig ist. „Jeder der folgenden Fälle hilft zu verstehen, was grundsätzlich falsch läuft in einer Branche, in der Stars so gefeiert werden“, so Kira Gantner, eine der Autorinnen, in der Doku.

Schläge, Tritte, Nacktheit

Gantner und ihre Kollegin Zita Zengerling recherchierten über drei Jahre und sprachen mit 200 Film- und Theaterschaffenden. Etwa 70 davon legten eidesstattliche Erklärungen dazu ab, was sie den Journalistinnen berichteten. Viele der Berichte, das machten die Journalistinnen deutlich, schafften es nicht in die Doku, weil Betroffene Sorge hatten, keine Beschäftigung mehr in der Branche zu bekommen, teils weil ihnen damit auch gedroht wurde.

Von Schlägen, Tritten, verbalen Erniedrigungen berichten Betroffene, davon, sich ohne Anlass und ohne anwesende Vertrauensperson vor der Kamera nackt ausziehen zu müssen. Sie sprechen von sexualisierten Beschimpfungen, übergriffigen Berührungen, von angeblichen Castings in Privatwohnungen von Regisseuren und von Situationen, in denen Oralsex gefordert wurde als Gegenleistung für eine Vertragsverlängerung.

Die Namen bleiben in den meisten Fällen unausgesprochen. „Die Namen sind nicht egal“, so Verena Altenberger, die im Film nicht über eigene Erlebnisse spricht, wohl aber über die Notwendigkeit, die Branche zu ändern. „Aber wir dürfen nicht denken, wenn wir jetzt die Namen haben, und sie sind draußen, ist alles gut.“

Vorwürfe gegen „Polt“-Regisseur

Der zweite prominente Name aus Österreich ist Julian Pölsler, dessen größter Erfolg die Marlen-Haushofer-Verfilmung „Die Wand“ war und der für seine „Polt“-Krimiverfilmungen bekannt ist. Ihm wird unter anderem verschiedentlich verbal übergriffiges Verhalten bei Dreharbeiten vorgeworfen.

Im Film wird von einem Casting berichtet, bei dem Pölsler eine Szene mit einem sexuellen Übergriff ohne Notwendigkeit an mehreren jungen Schauspielerinnen handgreiflich nachspielte, und dass er eine junge Darstellerin bat, sich vor der Kamera auszuziehen, um ihr danach zu sagen, sie sei ohnehin zu jung für die Rolle.

Systemisches Problem

Den Journalistinnen gelingt es, das systematische Problem aufzuzeigen, etwa am Beispiel des deutschen Schauspielers und Regisseurs Kida Ramadan, dessen Ausbrüche an Filmsets berüchtigt sind – und der trotzdem immer weitere hoch dotierte Serienprojekte umsetzen darf, auch öffentlich-rechtlich finanziert.

Der Schwerpunkt auf österreichische Fälle dürfte damit zusammenhängen, dass es hier seit 2022 eine größere Bereitschaft als in Deutschland gibt, über Übergriffe zu sprechen. Damals waren es die Schauspielerin Luna Jordan, die in ihrer Dankesrede beim Filmpreis erlebte Übergriffe ansprach, und die Regisseurin Katharina Mückstein, die ihr anvertraute Erlebnisse von Betroffenen vor und hinter der Kamera öffentlich machte.

Der deutsche Blick auf österreichische Verhältnisse ist ernüchternd. Gerade am Beispiel Manker wird deutlich, wie sehr dem Theatermacher sein „Enfant terrible“-Image nicht schadet, sondern die Öffentlichkeit übergriffiges Verhalten eines Stars entschuldigt und kleinredet. Auf die Frage, ob man als Publikum eine Verantwortung hat, sagt im Film eine Zuschauerin von Manker: „Da dürfte ich in viele Theater nicht mehr gehen.“

„Gegen das Schweigen“ ist seit gestern online zu sehen, fast zwei Wochen vor der Fernsehausstrahlung.