Eine Mitarbeiterin im Büro
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Gleichstellung

Firmen haben weiter Aufholbedarf

Österreichs Wirtschaft kommt bei der Gleichstellung der Geschlechter nur langsam voran. Zwar gewinnt das Thema in den Firmen an Bedeutung, bei Chancengerechtigkeit und Einkommen besteht aber weiterhin Aufholbedarf, wie eine am Donnerstag veröffentlichte Umfrage des Beratungsunternehmens Deloitte zeigt.

Mehr als die Hälfte der befragten Betriebe (53 Prozent) hat laut Führungskräften „noch keine kohärenten Gleichstellungsmaßnahmen in den Unternehmenszielen verankert oder umgesetzt“. Die Gleichstellung gewinne in den Unternehmen zwar an Bedeutung, „im Jahr 2024 sollten wir aber schon viel weiter sein, und das Tempo ist definitiv zu langsam“, resümierte Deloitte-Partnerin Elisa Aichinger in einer Aussendung.

Anlässlich des Weltfrauentags am 8. März erhebt Deloitte jedes Jahr den Stand der Dinge, was die Gleichstellung von Frauen und Männern in den heimischen Betrieben betrifft. Heuer wurden nach Angaben des Consulting-Unternehmens mehr als 250 Führungskräfte und 500 Angestellte mit Büroarbeitsplatz befragt. Das Alter der Teilnehmenden lag zwischen 18 und 60 Jahren, die eine Hälfte war weiblich, die andere männlich. Das Sample der Personenbefragung ist laut Deloitte repräsentativ für die österreichische Bevölkerung.

Gleichstellung nicht nur auf dem Papier

Der Anteil jener Firmen, die Gleichstellung als bloßes „Lippenbekenntnis“ sehen, sei zurückgegangen, heißt es im Deloitte-Bericht. Gemeint sind Firmen, die eine schriftliche Vereinbarung zu Gleichstellung haben, diese aber nicht messbar umsetzen.

Großfirmen: Wenige Frauen in Topjobs

Dass Frauen an der Spitze großer Unternehmen stehen, ist in Österreich noch immer selten. Nur 14 Prozent aller Positionen auf Vorstandsebene werden von Frauen ausgeübt.

Den Grund dafür ortet man darin, dass mehr und mehr Menschen die „Authentizität“ von Firmen hinterfragten und sich seltener von Imagekampagnen beeinflussen ließen. „Wenn kommunizierte Werte sich nicht in der Unternehmenskultur widerspiegeln, leidet die Glaubwürdigkeit des Unternehmens“, heißt es. In neun Prozent der Betriebe spielt Gleichberechtigung keine Rolle. Die Zahl ist laut Deloitte seit Jahren konstant. Überdurchschnittlich oft in dieser Gruppe zu finden seien Kleinunternehmen.

In den Führungsetagen sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Jedes zweite Unternehmen gab gegenüber Deloitte an, das in den kommenden Jahren ändern zu wollen. 13 Prozent klagten über einen Mangel an qualifizierten Frauen für die Besetzung von Spitzenpositionen.

„Ungleichheiten weiter einzementiert“

Aus Sicht der befragten Angestellten wären die flexible Gestaltung von Arbeitszeit und -ort, Angebote zur Kinderbetreuung sowie eine grundsätzliche Veränderung der Unternehmenskultur sinnvolle Maßnahmen für mehr Gleichstellung.

87 Prozent der Unternehmen kommen dem Wunsch der Beschäftigten nach einer Flexibilisierung der Arbeitszeit nach eigener Aussage bereits nach. 45 Prozent der Firmen geben an, Führungsrollen in Teilzeit beziehungsweise die Aufteilung von höheren Positionen auf zwei Führungskräfte (Jobsharing) anzubieten. Aus 41 Prozent der Betriebe hieß es, Papamonat und Väterkarenz würden aktiv kommuniziert.

Wirksam seien die Maßnahmen allerdings nur dann, wenn sie von beiden Geschlechtern in Anspruch genommen werden, betonte man bei Deloitte. „Solange weiterhin hauptsächlich Frauen Führungspositionen in Teilzeit bekleiden, verteilen sich unbezahlte Kinderbetreuung und Erwerbseinkommen nicht ausgewogen auf die Geschlechter. Damit werden bestehende Ungleichheiten weiter einzementiert“, so Deloitte-Partnerin Aichinger.

Lohnschere klafft auseinander

Österreich gehört im EU-Vergleich weiterhin zu den Ländern mit den größten Gehaltsunterschieden zwischen Frauen und Männern. Der Gender-Pay-Gap beträgt laut EU-Statistikamt Eurostat rund 19 Prozent, im Durchschnitt der 27 EU-Mitgliedsstaaten sind es knapp 13 Prozent.

Der Aufwand, den Firmen zum Schließen der Lücke betreiben, variiert laut Deloitte-Umfrage stark. Etwas mehr als ein Fünftel der befragten Firmen gab an, gar keinen Gender-Pay-Gap in der Organisation zu haben. Unter den kleinen Betrieben, die befragt wurden, erklärten 50 Prozent, keine Lohnschere im Haus zu haben.

Die Angaben decken sich laut Deloitte nicht mit der langjährigen Beratungserfahrung. „Vielmehr lässt sich diese Eigeneinschätzung darauf zurückführen, dass in kleinen Unternehmen meist wenige Ressourcen zur Verfügung stehen und die Personalarbeit auch deutlich seltener auf quantitativen Daten basiert“, so das Beratungsunternehmen.

Frage nach der Eigenverantwortung

Was die Frage nach der Hauptverantwortung für eine gleichberechtigte Arbeitswelt anbelangt, gehen die Meinungen zwischen Frauen und Männern deutlich auseinander.

36 Prozent der männlichen Befragten gaben an, das individuelle Handeln sei entscheidend. Frauen dagegen sehen Unternehmen (42 Prozent) und Politik (35 Prozent) gefordert. „Männer bekommen die Benachteiligung auf struktureller Ebene einfach weniger zu spüren, dementsprechend fehlt ihnen das Bewusstsein für die zugrundeliegenden Ursachen“, erklärte die Deloitte-Diversity-Spezialistin Elisabeth Hornberger das Ergebnis.