Das Wappen von Transnistrien
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Abtrünnige Provinz

Moskau sagt Transnistrien „Schutz“ zu

In der abtrünnigen moldawischen Region Transnistrien beginnt sich der nächste Konflikt der Region abzuzeichnen – mit potenziell großen Folgen: Russland bezeichnete den „Schutz“ der Bewohnerinnen und Bewohner der Region als eine „Priorität“. Zuvor hatten die prorussischen Separatisten in der Region Russland um „Schutz“ gegenüber Moldawien gebeten.

Russische Nachrichtenagenturen zitierten am Mittwoch das Außenministerium in Moskau mit den Worten: „Der Schutz der Interessen der Bewohner Transnistriens, unserer Landsleute, ist eine der Prioritäten.“ Bei einem Sonderkongress in Tiraspol hatten die Behördenvertreter von Transnistrien am Mittwoch eine entsprechende Erklärung beschlossen, wie Medien berichteten.

Ganz unerwartet kam die Resolution am Mittwoch nicht: Schon seit Tagen war spekuliert worden, dass die transnistrischen Pseudoabgeordneten auf ihrer Sitzung sogar den Anschluss an Russland fordern könnten.

Transnistrien bittet Moskau um Hilfe

Seit Beginn des Ukraine-Krieges steigt auch in der Republik Moldau die Sorge vor einer russischen Aggression. Im Osten des Landes kontrollieren prorussische Separatisten das abtrünnige Gebiet Transnistrien. Am Mittwoch bat die transnistrische Führung Moskau um „Schutz“ vor der Republik Moldau.

Separatisten beklagen „Druck“

Der Resolution zufolge wird Moskau darum gebeten, „Maßnahmen einzuleiten, um Transnistrien angesichts des zunehmenden Drucks durch Moldawien zu verteidigen“. Es gebe „sozialen und wirtschaftlichen Druck auf Transnistrien, der den europäischen Prinzipien und Ansätzen zum Schutz der Menschenrechte und des freien Handels direkt widerspricht“, hieß es in der Erklärung, die vom Präsidenten der international nicht anerkannten „Republik“, Wadim Krasnoselski, initiiert wurde.

Rede von Vadim Krasnoselsky
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„Präsident“ Wadim Krasnoselski bei seiner Rede

Verweis auf russische Staatsbürger

Die Machthaber in Transnistrien verwiesen in ihrem Appell an Moskau nun auch auf 220.000 russische Staatsbürger, die in dem Separatistengebiet lebten. Auch das dürfte viele beunruhigen. Laut russischer Militärdoktrin sind Einsätze der Armee auch außerhalb des eigenen Staatsgebiets erlaubt, wenn es um den vermeintlichen Schutz russischer Staatsbürger geht. Auch russische Soldaten sind dort seit Jahren stationiert, geschätzt wird eine Truppenstärke von rund 1.500 Mann. Zurzeit hat aber auch der Kreml Transnistrien nicht als eigenen Staat anerkannt.

Die Bitte aus Transnistrien erinnert allerdings an jene, die prorussische Separatisten im Osten der Ukraine im Februar 2022 ausgesprochen hatten. Damals nutzte Moskau das als Anlass für seinen großangelegten Angriff auf die Ukraine. Die Resolution kommt nur einen Tag vor der jährlichen Rede zur Lage der Nation des russischen Präsidenten Wladimir Putin vor dem russischen Parlament.

Unruhe im Frühjahr 2022

Die im Osten Moldawiens gelegene Region sagte sich nach der Unabhängigkeit Moldawiens 1990 von der Zentralregierung los und rief einen eigenen Staat aus – mit Hammer und Sichel im Staatsemblem und einer Lenin-Statue vor dem „Parlament“ in Tiraspol.

Nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 haben sich moldawische Politiker immer wieder sehr besorgt gezeigt. Beobachter warfen Russland zudem vor, die Lage in der Region gezielt mit Provokationen zu destabilisieren: Im April 2022 kam es zu mehreren Explosionen in dem Land, für die die Führung – ohne Beweise – Moldawien und die Ukraine verantwortlich machte.

Selbsternanntes transnistrisches Parlament
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Der Sonderkongress in Tiraspol fand erstmals seit 2006 statt

Beim EU-Beitrittskandidaten Moldawien, der zwischen der Ukraine und Rumänien liegt, dürften diese Nachrichten die Angst vor einer russischen Aggression auch auf seinem Staatsgebiet schüren – erst recht, weil Russland bereits seit Jahrzehnten eigene Soldaten in Transnistrien stationiert hat.

Moldawien spricht von „Propaganda“

Moldawiens Regierung wies die Aussagen der Separatisten als „Propaganda“ zurück. Die Region profitiere von „der Politik des Friedens, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Integration mit der Europäischen Union“, die „allen Bürgern“ zugutekomme, schrieb der stellvertretende Ministerpräsident Oleg Serebian am Mittwoch auf Telegram.

Regierungssprecher Daniel Voda betonte, dass die Behörden in Chisinau die „Forderungen und Beschlüsse des sogenannten Sonderkongresses“ der abtrünnigen Region „gelassen“ zur Kenntnis genommen hätten. Sowohl die Separatistenführer in Tiraspol als auch der Kreml würden offenkundig auf „Panikmache“ und „mediale Hysterie“ setzen, wobei diese Nebelkerzen einzig dazu dienen würden, dem Tiraspoler Kongress zu einigen Schlagzeilen zu verhelfen, so der Regierungssprecher.

Schallenberg: Putin spielt mit Feuer

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) warf Putin in Bezug auf Moldawien ein „sehr gefährliches Spiel mit dem Feuer“ vor. Das vermeintliche Schutzersuchen der abtrünnigen Region Transnistrien klinge „ein bisschen wie aus einem Drehbuch des Kreml“, sagte Schallenberg am Donnerstag in Beirut. „Er (Putin) sei nur gewarnt, dass das Moskauer Drehbuch, das sich jetzt wieder zu entfalten scheint, nicht funktionieren wird.“

Putin „war schon immer für Überraschungen gut, leider Gottes für schlechte Überraschungen in den letzten Jahren“, sagte Schallenberg am Rande seiner Nahost-Reise. „Es könnte auch sein, dass sie schlicht die Ukraine dazu zwingen wollen, dass sie Truppenkontingente wieder verlegen in Richtung Süden des Landes.“