Die russischen Sicherheitskräfte hatten vor der Kirche und auf dem Friedhof in einem Moskauer Außenbezirk eine für die Trauernden beispiellose Drohkulisse aufgebaut. Trotzdem warteten Tausende Menschen mit Blumen in der Hand, um sich von dem Gegner des Kreml-Chefs Wladimir Putin zu verabschieden.
Viele lobten Nawalnys Mut in seinem Kampf gegen Putin. Die Menschen bei der Kirche skandierten „Nawalny, Nawalny, Nawalny“, als der Sarg eintraf. Einige riefen auch: „Du hattest keine Angst. Und wir haben keine Angst.“ Zuvor hatte es bei der Übergabe des Leichnams Verzögerungen gegeben.
„Russland ohne Putin!“, „Putin ist ein Mörder!“, „Russland wird frei sein!“ und „Nein zum Krieg!“ riefen die Menschen ebenfalls im Chor, wie Reporter der dpa am Freitag berichteten. Sie sprachen angesichts des Großaufgebots an Uniformierten der Sonderpolizei Omon von einer angespannten Atmosphäre. Viele der Rufe stammen von Nawalny, der in Freiheit einst Zehntausende Menschen zu Protesten gegen den Kreml auf die Straße gebracht hatte. Nawalnys Team rief die Menschen auf, Ruhe zu bewahren.
Sarg mit Blumen bedeckt
In der Kirche lag die Leiche Nawalnys von Blumen bedeckt im Sarg. Zahlreiche Menschen umringten den Sarg während des Gottesdienstes. Zu sehen war auch Nawalnys Gesicht. Seine Mutter, die eine Kerze in der Hand hielt, und sein Vater saßen während der Zeremonie am Sarg. Nawalnys Witwe Julija Nawalnaja, die Tochter Darja und der Sohn Sachar nahmen nicht an der Trauerfeier teil, weil sie zu ihrer eigenen Sicherheit im Ausland sind.
Danach wurde der Sarg zum Borisow-Friedhof transportiert, wo Nawalny beigesetzt wurde. Auch auf dem Friedhof waren die Sicherheitsvorkehrungen streng.
Kreml: Nicht genehmigte Versammlung
Der Kreml hatte vor Beginn der Trauerfeier vor der Teilnahme an „nicht genehmigten“ Versammlungen gewarnt. Wer an einer solchen Kundgebung teilnehme, werde „gemäß dem geltenden Recht zur Verantwortung gezogen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur TASS.
Nawalnys Witwe hatte am Mittwoch vor möglichen Polizeiaktionen während der Trauerfeier gewarnt. „Ich weiß nicht, ob es eine friedliche Beerdigung wird oder ob die Polizei Menschen festnehmen wird, die sich von ihm verabschieden wollen“, sagte Nawalnaja im Europaparlament.
Nawalnaja selbst verabschiedete sich mit einem Video von ihrem Mann. Sie werde ihren Mann immer lieben, schrieb sie am Freitag auf Instagram. „Ruhe in Frieden!“ In dem Clip waren zahlreiche Szenen des gemeinsamen Lebens zu einem Lied der russischen Sängerin Zemfira zu sehen. Nawalnaja will den politischen Kampf ihres Mannes gegen Putin fortsetzen.
Menge vor Kirche wuchs auf Tausende
Trotz des Großaufgebots der Sicherheitskräfte hatten sich schon Stunden vor der Beerdigung Hunderte Menschen versammelt. An der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone „Lindere meine Trauer“ im südöstlichen Bezirk Marjino drängten sich Hunderte an Metallgittern, um sich von dem Oppositionsführer zu verabschieden. Später wuchs die Menge weiter an. Laut AFP waren es später Tausende.
Viele Trauernde bei Nawalny-Begräbnis
Trotz erhöhter Polizeipräsenz haben sich am Freitag zahlreiche Trauernde vor der Kirche in Moskau versammelt, um Abschied von Kreml-Kritiker Alexej Nawalny zu nehmen. Nawalny war vor rund zwei Wochen in einem Straflager in Sibirien gestorben.
In den vergangenen Wochen wurden russlandweit Hunderte Menschen festgenommen, die an Denkmälern Blumen für den bekannten Oppositionspolitiker niederlegen wollten.
Drohanrufe an Bestattungsunternehmen
Nawalny-Sprecherin Kira Jarmysch hatte am Donnerstag auf X beklagt, dass die Behörden die Vorbereitungen für die Trauerfeier weiter behinderten. Die Moskauer Bestattungsunternehmen hätten Drohanrufe von Unbekannten erhalten, die sie davor warnten, den Leichnam zu transportieren.
Es ist bei Weitem nicht das erste Mal, dass Nawalnys Angehörige, Unterstützer und Unterstützerinnen über Druck und Erpressungsversuche vonseiten der russischen Behörden berichten. Für besonderes Entsetzen sorgte etwa, dass die Behörden Nawalnys Leiche zunächst rund eine Woche unter Verschluss hielten und seine Mutter Ljudmila Nawalnaja gemeinsam mit einem Anwalt in der Polarregion nach dem Körper suchen musste.
Nawalnaja: Nawalny jahrelang gefoltert
Dann wollte der Machtapparat sie dazu zwingen, die Beisetzung ihres Sohnes heimlich abzuhalten, wie Nawalnaja mehrfach sagte. Dagegen jedoch sträubte sie sich und forderte öffentlich, dass die Russen die Möglichkeit haben sollten, sich von Nawalny zu verabschieden. Kurz vor der Präsidentenwahl am 17. März sind dem Kreml jegliche größeren kritischen Veranstaltungen ein Dorn im Auge.
Nawalny starb offiziellen Angaben zufolge am 16. Februar im Alter von 47 Jahren in einem Straflager nördlich des Polarkreises. Der scharfe Kritiker von Putin war durch einen Giftanschlag im Jahr 2020 und ständige Einzelhaft im Lager körperlich sehr geschwächt.
Seine Unterstützer und auch viele internationale Beobachter sind sich deshalb einig, dass von einer „natürlichen“ Todesursache, wie es auf dem Totenschein heißen soll, keine Rede sein kann. Er sei jahrelang im Straflager gefoltert worden, so etwa seine Witwe Nawalnaja.
Auch in Wien wurde um Nawalny getrauert. Vertreterinnen und Vertreter von Grünen und NEOS gedachten vor der russischen Botschaft in Wien Nawalnys und legten einen Kranz vor dem Botschaftseingang nieder. In Moskau war das offizielle Österreich bei den Trauerfeierlichkeiten durch den österreichischen Botschafter Werner Almhofer vertreten, wie es im Vorfeld hieß.