Brot, Gemüse und Früchte in einem großen Müllcontainer
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Handel vs. Ministerium

Zwist über Lebensmittel im Müll

16.200 Tonnen Lebensmittel sind zwischen Oktober und Dezember 2023 von Supermärkten weggeworfen worden – mehr als dreimal so viel, wie gespendet wurde. An soziale Einrichtungen wurden knapp 4.900 Tonnen gegeben. Diese Zahlen veröffentlichte das Klimaschutzministerium am Freitag. Der Lebensmittelhandel reagierte verärgert, vor allem auf die Art und Weise der Veröffentlichung.

Mit der Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes wurde mit dem letzten Quartal des vergangenen Jahres eine verpflichtende Meldung der Menge an weggeworfenen und gespendeten Lebensmitteln vorgeschrieben. Die Meldepflicht gilt für Händler mit einer Verkaufsfläche ab 400 Quadratmetern oder ab fünf Verkaufsstellen. Die am Freitag veröffentlichten Zahlen wurden von 250 Supermärkten bzw. rund 4.000 Verkaufsstellen gemeldet.

Welche Warengruppen im Abfall landeten, konnte freiwillig gemeldet werden. Der größte Anteil entfiel nach diesen Angaben auf Obst und Gemüse (45 Prozent), gefolgt von Backwaren (19 Prozent) und Frischwaren (zwölf Prozent). Bei den Spenden führten Obst und Gemüse sowie Milchprodukte und Backwaren.

Grafik zeigt Lebensmittelabfälle im Handel
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: BMK

Gewessler erwartet sich mehr Anstrengung

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) sah angesichts der Zahlen „noch großes Potenzial, mehr zu spenden und weniger wegzuwerfen“. Sie erwarte sich größere Anstrengungen im Handel. Der Handelsverband reagierte verärgert darauf, dass der Bericht vor den Händlern noch einzelnen Medien weitergegeben wurde. Der „Standard“ hatte vorab von den Auswertungen der Daten berichtet.

Zudem liege dem Ministerium seit Wochen ein rechtliches Gutachten vor, laut dem die Veröffentlichung der Mengen nach einzelnen Unternehmen – also nicht aggregiert und damit zu einer Größe zusammengefasst – gegen den Datenschutz verstoße. Gegenüber dem „Standard“ hielt die Lebensmittelkette Spar fest, dass das Unternehmen die Veröffentlichung von Spenden und Abfallwerten auf Ebene von Einzelunternehmen „weder für sinnvoll noch für rechtlich gedeckt“ halte.

Offener Brief der Wirtschaftskammer

Der Obmann des Bundesgremiums Lebensmittelhandel in der Wirtschaftskammer (WKO), Christian Prauchner, legte am Freitag in einem offenen Brief an Gewessler mit der Kritik nach. Darin zeigte er sich „tief besorgt“, dass das Ministerium „unter Missachtung des Datenschutzes irreführende Daten veröffentlicht, um den Lebensmittelhandel im (sic!) Misskredit zu bringen“.

Die Zahlen seien nicht bereinigt und in kein Verhältnis zu den Gesamtmengen gesetzt worden. Denn es würden auch Lebensmittelabfälle, die nie zum Verzehr gedacht waren wie Knochen, Kerne und Schalen, dem Ministerium gemeldet. Ein Teil der entsorgten Ware beziehe sich auch auf Produktrückrufe.

Große Unterschiede je nach Supermarkt

Die Spannen bei den einzelnen Supermärkten liegen weit auseinander – von 500 bis 12.000 Kilogramm Müll je Verkaufsstelle. Durch die stark variierende Anzahl und Größe der Supermärkte ist ein Mengenvergleich schwierig, vergleichbar sind aber etwa die Verhältnisse zwischen Vernichtung und Spenden von Lebensmitteln.

Laut „Standard“ spendete beispielsweise der Diskonter Hofer mehr als zweieinhalbmal so viele Lebensmittel, wie im Abfall landeten. In einer Aussendung von Freitag führte Hofer das auf ein konzentriertes Sortiment, optimierte Logistik und Kooperationen etwa mit Sozial- und Tafeleinrichtungen zurück. Bei Lidl sah das Verhältnis anders aus: Über zehnmal so viele Lebensmittel wurden weggeschmissen wie gespendet. Bei Billa wurde viereinhalbmal so viel vernichtet wie gespendet, bei Spar zweieinhalbmal so viel.

Müllcontainer mit Lebensmitteln
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Obst und Gemüse umfassen den größten Anteil an vernichteten Lebensmitteln

„Inakzeptables“ Vorgehen

Das Vorgehen des Klimaschutzministeriums sei „inakzeptabel“, so Handelssprecher Rainer Will. Er kritisierte zudem, dass das Ministerium bei Erleichterungen der Lebensmittelweitergabe seit Jahren auf der Bremse stehe. Der Handel sei steuer- und lebensmittelrechtlich gezwungen, bei der Weitergabe von Lebensmitteln in einem Graubereich zu agieren.

Auch sei der Lebensmittelhandel mit neun Prozent nicht der Hauptverantwortliche der Lebensmittelverschwendung. Den größten Anteil tragen laut Handelsverband private Haushalte (58 Prozent) sowie Gastronomie und Großküchen (19 Prozent) dazu bei.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte eine Ausweitung der Meldepflicht auf Unternehmen in der Lebensmittelproduktion und in der Gastronomie. Zudem seien von der Regierung festgelegte Reduktionsziele für die einzelnen Branchen notwendig.